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Leistungsanspruch bei GG von eingebürgerten Kindern

Veröffentlicht:
09.06.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Lieber Peter

Ein 10-järiger Pat. ist mit seinen Eltern aus Brasilien in die CH eingewandert und erlangte die CH-Staatsbürgerschaft. Danach wurde ein Geburtsgebrechen festgestellt. Gilt das GG nun als eingeführter Gesundheitsschaden und wird daher vom Leistungsanspruch ausgeschlossen oder hat das Kind Anspruch, weil das GG erst festgestellt wurde, als es bereits CH-Staatsbürger  war?

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Diagnosestellung?

Lieber Gruss Marius

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Lieber Marius

Die Beantwortung der Frage ist nicht ganz einfach. Zu prüfen ist unter anderem, ob Sozialversicherungsabkommen zur Anwendung kommen.

Deswegen habe ich dazu Sachverhaltsfragen:

- Hat der Betroffene die CH-Bürgerschaft bei der Geburt nicht gehabt?

- Hat der Betroffene andere Staatsbürgerschaften (Doppelbürger) gehabt bei der Geburt bzw. bei Feststellung des Geburtsgebrechens, bzw. bei der Feststellung des Behandlungsbedarfs? Wenn ja, welche?

 

Merci für die Antwort. Dann werde ich die Antwort erstellen können.

 

Lieber Gruss, Peter

Hat der Betroffene die CH-Bürgerschaft bei der Geburt nicht gehabt?

Nein. Die Pat. wurde als Brasilianerin geboren. 

Hat der Betroffene andere Staatsbürgerschaften (Doppelbürger) gehabt bei der Geburt bzw. bei Feststellung des Geburtsgebrechens, bzw. bei der Feststellung des Behandlungsbedarfs? Wenn ja, welche?

Die Pat. hat Jahrgang 2003. Bei der Geburt war sei nur Brasilianerin. 2006 Einreise in die CH. Später folgte die Einbürgerung. Seither ist sie Doppelbürgerin. Die Epilepsie trat im Alter von 2 Jahren erstmals auf. Die Antiepileptika wurden 2007 nach unauffälliger Kontrolle abgesetzt. Sie blieb bis 2020 anfallsfrei. Nach erneuten Anfällen wurde eine Epilepsie mit  genetisch bedingtem Ursprung festgestellt. In Brasilien wurde eine Epilepsie mit unklarer Ätiologie diagnistiziert und eine medikamentöse Behandlung etabliert.

Lieber Gruss Marius

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Lieber Marius

Meine Abklärungen, unter anderem direkt bei Spezialistinnen des BSV, haben Folgendes ergeben:

1. Schweizerinnen und EU-/EFTA-Staatsangehörige müssen nur die Grundvoraussetzungen von Art. 9 Abs. 1bis IVG für Eingliederungsmassnahmen erfüllen. Das gilt somit auch für medizinische Massnahmen.

Entscheidend ist also die obligatorische Versicherungsunterstellung im Zeitpunkt des gesundheitsbedingten Bedarfs für das Hilfsmittel. Das ist hier der Fall mit dem Wohnsitz in der Schweiz. Kinder mit Wohnsitz in der Schweiz sind insoweit obligatorisch versicherungsunterstellt (Art. 1a Abs. 1 lit. a AHVG), aber als Nichterwerbstätige erst am 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres beitragspflichtig (Art. 3 Abs. 1 AHVG). 

In diesen Fällen ist es auch unerheblich, ob der Versicherungsfall, also die Invalidität, bereits vor Einreise eingetreten ist (vgl. dazu Ziff. 2.1. des IV-Rundschreibens Nr. 261 vom 7. Juli 2008).

Anders wären die Voraussetzungen für Vertragsstaatsangehörige, Nichtvertragsstaats angehörige sowie für Flüchtlinge und Staatenlose.

2. Dies gilt seit dem Bundesgerichtsurteil I 142/04 vom 19. September 2006 auch für Kinder, bei in der Schweiz eingebürgert wurden und bei denen der Versicherungsfall (Invalidität oder Geburtsgebrechen zuvor eingetreten war. Sie haben ab der Einbürgerung Anspruch auf die notwendigen medizinischen Massnahmen sowie Hilfsmittel oder HIlflosenentschädigungen, ganz gleich wie andere Schweizer BürgerInnen.

Ich hoffe, das dient Dir.

Prof. Peter Mösch Payot