Liebe Rechtsberatung
Es geht in der Frage um die aufschiebende Wirkung.
Kurz gesagt, geht es um einen Klienten mittleren Alters, welcher per Sozialhilfe-Unterstützungsbeginn bei seinen Eltern wohnte und von dort aus 3 Monate stationär in eine Psychiatrie ging. Kurz nach Austritt aus der Psychiatrie wurde er wieder abgelöst.
Im Erstentscheid wurde festgehalten, dass wir die Miete nur zahlen, solange er faktisch bei seinen Eltern wohnt. Während der (ganzen) Monate, in welchen er stationär in der Psychiatrie ist, wird keine Miete entrichtet (dies, weil es ein "Provisorium" darstellt und die Eltern die Wohnung schon vor dem Einzug ihres Sohnes hatten und die Miete somit so oder so zu entrichten hatten). Der Klient reichte dagegen Beschwerde ein mit dem Antrag, ihm bzw. seinen Eltern sei auch während dem Aufenthalt in der Psychiatrie Miete zu entrichten. Die Einspracheinstanz entschied zu unseren Gunsten; es ist in diesem Fall somit rechtens, die Miete lediglich zu bezahlen, wenn er faktisch bei seinen Eltern wohnt.
Nun wurde dem Klienten (bzw. dessen Eltern) aufgrund der aufschiebenden Wirkung die Miete weiterhin bezahlt, während die Einsprache bei der Einspracheinstanz bearbeitet wurde.
Daraus ergibt sich die Frage: Gilt die Miete, welche wir während des Einspracheverfahrens aufgrund der aufschiebenden Wirkung weiter entrichteten, als rechtmässig bezogen? Oder ist diese aufgrund des negativen Entscheids der Einspracheinstanz rückerstattungspflichtig?
(Falls möglich, wäre auch eine allgemeine Angabe, ob aufgrund aufschiebender Wirkung bezahlte Leistungen als zu recht bezogen gelten, sehr nützlich).
Vielen Dank für die Expertise,
Beste Grüsse
Frage beantwortet am
Ruth Schnyder
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Gerne beantworte ich Ihre Frage. Es geht dabei um die Frage, ob ein Rückerstattungsgrund vorliegt, wenn nach Ende eines Rechtsmittelverfahrens der angefochtene Entscheid bestätigt wird und damit die aufschiebende Wirkung entfällt. Im konkreten Fall bewirkte die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittelverfahrens, dass die verfügte Reduktion der Mietkosten nicht zum Tragen kam somit während des Rechtsmittelverfahrens nach wie vor die höheren Mietkosten ausgerichtet wurden.
Gemäss § 159 SG/SO kann gegen erstinstanzliche Verfügungen der Behörden der Einwohnergemeinden und der Sozialregionen innert zehn Tagen beim Departement Beschwerde geführt werden. Ich gehe davon aus, dass es sich in Ihrem Fall um ein Beschwerdeverfahren vor dem zuständigen Departement handelte. Dessen Entscheid liegt nun vor. Sie schreiben zwar teilweise von der Einsprache bzw. vom Einspracheverfahren, aber ein solches ist weder im SG/SO noch im Verwaltungsrechtspflegegesetz (VRPG) vorgesehen.
Einer Beschwerde kommt gemäss § 36 VRPG aufschiebende Wirkung zu. Verfügungen und Entscheide sind sodann vollstreckbar, sobald kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist oder wenn einem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Dem VRPG ist jedoch nichts dazu zu entnehmen, wie in der von Ihnen geschilderten Situation zu verfahren ist. Dies ergibt sich jedoch aus der Rechtsnatur der aufschiebenden Wirkung. Es handelt sich dabei um einen vorläufigen Rechtsschutz während des Rechtsmittelverfahrens. Sie bewirkt, dass der rechtliche und tatsächliche Zustand, wie er vor Erlass des angefochtenen Entscheids geregelt war, bis zum Entscheid über die Beschwerde bestehen bleibt. Damit bewirkt die aufschiebende Wirkung, dass die Rechtsfolgen einer Verfügung nicht einsetzen, bevor sie nicht rechtsverbindlich feststehen. Die aufschiebende Wirkung sichert demnach bestehende Rechtspositionen, ohne sie zu verbessern, wirkt also bloss rechtserhaltend und nicht auch rechtsgestaltend (Kiener Regina, in: Auer Christoph/Müller Markus/Schindler Benjamin (Hrsg.), VwVG - Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren Kommentar, 2. Aufl., Zürich/St. Gallen 2019, Art. 55 N 3). Kiener führt (a.a.O. N. 12 mit Hinweisen) weiter aus, dass die Abweisung der Beschwerde in der Regel dazu führt, dass die Rechtswirksamkeit der Verfügung auf den Zeitpunkt des Verfügungserlasses zurückbezogen wird, weil die beschwerdeführende Partei, welche unterliegt, zulasten der obsiegenden Partei kein ungerechtfertigter Vorteil haben darf. Zu beachten sind allfällige abweichende spezialgesetzliche Regelungen und das Vorliegen besonderer Verhältnisse.
Nach dem Gesagten verlieren die wegen der aufschiebenden Wirkung zu hoch ausgerichteten Mietkosten rückwirkend ab Erlass der angefochtenen Verfügung ihren Rechtsgrund, wenn die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid vollumfänglich bestätigt. Es sei denn, die Beschwerdeinstanz hat die Wirkung der Herabsetzung der Mietkosten auf den Zeitpunkt des Beschwerdeentscheides geändert. Falls dem aber nicht so wäre, dann stellt sich als nächstes die Frage, ob eine Rechtsgrundlage für eine Rückerstattung für die ohne Rechtsgrund erbrachten Mietkosten vorliegt.
Nach § 164 Abs. 1 SG/SO sind unrechtmässig, insbesondere aufgrund einer Verletzung der Auskunfts- und Meldepflichten, erwirkte Geldleistungen zurückzuerstatten. In der vorliegenden Konstellation scheint es mir nicht sachgerecht zu sein, von einer unrechtmässig erwirkten Leistung zu sprechen, da der Leistungsbezug während des Rechtsmittelverfahrens rechtlich legitimiert war.
Hingegen ermöglicht § 164 Abs. 2bis SG/SO eine Rückerstattung bei ungerechtfertigter Bereicherung. Es wird dabei sinngemäss auf die Artikel 62 Abs. 2, 63 – 66 OR verwiesen. Art. 63 OR scheint nicht anwendbar, da die Sozialhilfe die «Nichtschuld» nicht freiwillig bezahlt hat. Es stellt sich aber die Frage, ob Art. 64 OR im Weg steht, eine Rückforderung zu verlangen. Dieser besagt Folgendes:
«Die Rückerstattung kann insoweit nicht gefordert werden, als der Empfänger nachweisbar zur Zeit der Rückforderung nicht mehr bereichert ist, es sei denn, dass er sich der Bereicherung entäusserte und hiebei nicht in gutem Glauben war oder doch mit der Rückerstattung rechnen musste.»
Diese Bestimmung vermittelt der Sozialhilfe einen Ermessensspielraum, von einer Rückforderung abzusehen, insbesondere dann, wenn es dem Klienten nicht klar war, dass er nach Ende des Beschwerdeverfahrens mit einer Rückerstattung rechnen musste. Das hängt davon ab, inwieweit er über den Effekt der aufschiebenden Wirkung aufgeklärt wurde. Kommt die Sozialhilfe zum Schluss, dass Art. 64 OR nicht erfüllt ist, wäre eine Rückerstattung zulässig.
Auch dann bestünde noch die Möglichkeit die grosse Härte nach § 164 Abs. 4 SG/SO zu prüfen. Wann ein Härtefall vorliegt, erläutert das Sozialhilfehandbuch Kanton Solothurn beispielhaft in Ziff. 8 im Kapitel Rückerstattung bei unrechtmässigem Verhalten. Darauf verweise ich vorliegend.
Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.
Freundliche Grüsse
Ruth Schnyder