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Lebensunterhalt bei Gewaltschutzmassnahmen - Rückerstattung?

Veröffentlicht:
25.08.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag
Ich habe folgende Fragenstellung:
Die Klientin wurde nach einem Vorfall mit häuslicher Gewalt für 3 Monate aus der ehelichen Wohnung weggewiesen. Der Ehemann weigerte sich, Unterhalt an seine Ehefrau zu bezahlen, obwohl er unterstützungspflichtig ist. Die Frau war mittelos und die Voraussetzungen für den Sozialhilfebezug gegeben. Die Klientin wurde aufgefordert, den Unterhalt beim Ehemann gerichtlich geltend zu machen. Das Eheschutzverfahren ist noch pendent, eine Ehefrauenalimente noch nicht festgelegt.
Die 3monatige Wegweisung läuft am 3.9.2017 ab und die Klientin will zu ihrem Ehemann zurückkehren, bzw. das Eheschutzverfahren sistieren. Die Forderung, die die Ehefrau gegenüber dem Ehemann hatte, wurde an die Fürsorgebehörde abgetreten. Da nun keine ehelichen Unterhaltsbeiträge festgelegt werden, können diese von der Fürsorgebehörde nicht eingefordert werden.
Hat die Fürsorgebehörde eine andere Möglichkeit, die während der dreimonatigen Wegweisung geleistete wirtschaftliche Unterstützung vom Ehemann zurückzufordern? Gemäss GSG muss während der Wegweisung der Lebensunterhalt der Familie grundsätzlich sichergestellt sein und da der Ehemann den Lebensunterhalt verdient und die Ehefrau Hausfrau ist, müsste er doch auch für ihren Lebensunterhalt aufkommen.
Da die Wegweisungsverfügung per 03.09.2017 aufgehoben wird, wäre ich froh um eine baldige Antwort, damit wir allenfalls noch rechtzeitig reagieren können.
Besten Dank.
Freundliche Grüsse
J. Früh

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Früh
Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Wie ich dem von Ihnen geschilderten Hergang entnehme, ist die Ehefrau als Täterin zu betrachten, da sie aus der ehelichen Wohnung weggewiesen wurde. D.h. in dieser Konstellation kann sie nicht die Leistungen der Opferhilfe beanspruchen, da sie nicht Opfer ist. Die Opferhilfe sieht für bedürftige Opfer die sogenannte Soforthilfe vor, die u.a. die Finanzierung des Lebensunterhaltes beinhaltet.
Im vorliegenden Fall bleibt demnach lediglich die Möglichkeit des ehelichen Unterhalts während der Trennung. Für diesen Fall seht das Schweizersiche Zivilgesetzbuch vom 10.Dezember 2007 (ZGB) in den Artikeln 172 ff. die sogenannten Eheschutzmassnahmen vor. Diese werden beim Gericht eingeleitet. Bei einer Trennung hat das Gericht auf Antrag eines Ehegatten u.a. den Ehegattenunterhalt festzulegen (Art. 176 Abs. 1 Ziffer 1 ZGB). Das ZGB differenziert beim Feststellen und Bemessen des Unterhaltsanspruchs nicht danach, wer von den Ehegatten die Trennung verschuldet hat. Inwieweit dies vor dem Gericht dennoch einen Einfluss haben kann, muss an dieser Stelle offen bleiben.
Muss das Gemeinwesen während der Dauer, bis der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgelegt ist bzw. fliesst, für den Unterhalt des berechtigten Ehegatten aufkommen, bestimmt das ZGB, dass in diesem Fall der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen übergeht (Art. 176a i.V.m. Art. 131a Abs. 2 ZGB). Es handelt sich dabei um eine sogenannten Legalzession oder Subrogation, was bedeutet, dass das Gesetz die Abtretung anordnet, ohne dass dafür eine Einverständniserklärung durch die berechtigte Person notwendig ist. Es ist lediglich erforderlich, dass das Gericht Kenntnis davon erhält, dass das Gemeinwesen bzw. die Sozialhilfe bevorschussend den Unterhalt deckt. Dabei ist zu empfehlen, diese Information dem Gericht sofort nach Unterstützungsaufnahme mitzuteilen und gleichzeitig den Anspruch auf die nachzuzahlenden Unterhaltsbeiträge anzuzeigen.
Geht somit der Anspruch mit allen Rechten auf die Sozialhilfe über, bedeutet dies nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A399/2016, 5A400/2016 vom 6. März 2017 Erw. 6.3 ff. zur Publikation vorgesehen; dieses befasst sich zwar mit der Subrogationsbestimmung im Bereich des Kindesunterhalts, Art. 289 Abs. 2 ZGB, die Ausführungen können meiner Meinung nach auch auf die gleichlautende Bestimmung im Bereich des Ehegattenunterhalts übertragen werden), dass sie Partei im Unterhaltsverfahren wird. D.h. die Sozialhilfe hat das Recht, den Anspruch auf dem Gerichtsweg durchzusetzen. Das hat in dem von Ihnen geschilderten Fall zur Folge, dass die Sozialhilfe in eigenem Namen den Unterhaltsanspruch vor Gericht geltend machen kann.
Ich empfehle Ihnen daher, sich unverzüglich mit der zuständigen Gerichtspräsidentin bzw. dem zuständigen Gerichtspräsidenten telefonisch in Verbindung zu setzen, um das weitere Vorgehen und die Prozessaussichten zum Unterhaltsanspruch an sich anzusprechen (vgl. offene Frage im 3. Abschnitt). Gelingt Ihnen dies nicht, teilen Sie dem Gericht schriftlich und eingeschrieben mit, dass die Sozialhilfe bevorschussend die betreffende Klientin unterstützt hat (Auszug aus dem Klientenkonto beilegen) und nach oben dargelegter Rechtslage an der Festlegung des Unterhaltsanspruches festhält bzw. das Gericht ersucht, für die Bevorschussungsperiode einen angemessen Unterhalt festzulegen.
Eine Klammerbemerkung dazu: Es war bis jetzt unklar, ob die mit der Subrogation erlangte Parteistellung der Sozialhilfe dazu führt, dass in diesem Umfang die berechtigte Klientin ihre Parteistellung im Unterhaltsverfahren verliert mit Folge, dass die Sozialhilfe in diesen Fällen regelmässig klagen müsste. Die Gerichte sehen aber i.d.R. davon ab und akzeptieren die berechtigte Ehegattin bzw. den berechtigten Ehegatten als vollumfänglich klageberechtigt, selbst wenn die Sozialhilfe bevorschusst (hat). Diese Gerichtspraxis wird meiner Meinung nach nun auch vom oben erwähnten Bundesgerichtsentscheid neueren Datums gestützt (vgl. das erwähnte Urteil Erw. 6.3.3).
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort gedient zu haben.
Freundiche Grüsse, Ruth Schnyder

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Nachtrag:
Ich möchte noch Folgendes nachtragen: Bitte beachten Sie, dass bei einem Eheschutzverfahren auch Prozesskosten anfallen. In erster Linie sind es Gerichtskosten, es können jedoch aber auch Parteikosten sein (wenn sich die Gegenpartei vertreten lässt und sie zumindest teilweise obsiegen würde). Im Kanton Zürich finden Sie unter folgendem Link weitere Hinweise dazu: http://www.gerichte-zh.ch/themen/zivilprozess/prozesskosten.html. Versuchen Sie, beim Kontaktieren des zuständigen Gerichtspräsidenten bzw. der zuständigen Gerichtspräsidentin weitere Informationen dazu zu bekommen.
Im Übrigen finden Sie auf der Gerichtswebseite noch weitere Informationen zum Eheschutzverfahren (http://www.gerichte-zh.ch/themen/ehe-und-familie/eheschutz/getrenntleben.html).
Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder