Klientin hat eine IV-Rente infolge kognitiver Einschränkung. Sie lebt alleine mit ihren zwei Kindern (Jg. 2016 und 2017). Zur Entlastung und Förderung der Kinder besuchen diese tageweise eine Kindertagesstättte. Kann diese Unterstützung als lebenspraktische Begleitung für die Mutter begründet werden?
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Gemäss Artikel 38 Absätze 1 und 2 IVV liegt ein Bedarf an lebenspraktischer Begleitung im Sinne von Artikel 42 Absatz 2 IVG vor, wenn eine volljährige versicherte Person ausserhalb eines Heimes lebt und infolge Beeinträchtigung der Gesundheit:
a) ohne Begleitung einer Drittperson nicht selbstständig wohnen kann;
b) für Verrichtungen und Kontakte ausserhalb der Wohnung auf Begleitung einer Drittperson angewiesen ist; oder
c) ernsthaft gefährdet ist, sich dauernd von der Aussenwelt zu isolieren.
Die Frage ist zuerst welcher dieser drei Bereiche gegeben ist. Dann muss der geltend gemachte Hilfebedarf diesem Bereich zugerechnet werden können.
Ziel der lebenspraktischen Begleitung ist, zu verhindern, dass Personen schwer verwahrlosen und/oder in ein Heim oder eine Klinik eingewiesen werden müssen. Die zu berücksichtigen Hilfeleistungen müssen dieses Ziel verfolgen. Damit sind die minimalen Anforderungen gemeint, die notwendig sind, um selbständig zu leben und einer Heimeinweisung vorzubeugen. Lebenspraktische Begleitung besteht nur dann, wenn eine Person unter Berücksichtigung der Mitwirkungs- und Schadenminderungspflicht nicht fähig ist, ihre Grundversorgung sicherzustellen. Darunter ist zu verstehen: Nahrung, Körperpflege, angemessenen Kleidung, minimale Anforderungen an die Wohnungspflege (KSIH 8040).
Im Vordergrund steht wohl der erste Bereich, also oben lit. a) «ohne Begleitung nicht selbständig wohnen können». Man müsste also geltend machen können, dass die Betreuung in der Tagesstätte notwendig ist, damit die Klientin selbständig wohnen kann und - unter anderem - wegen dieser Hilfe nicht in einer Institution untergebracht werden muss. Dieser Nachweis scheint mir schwierig zu erbringen.
Es ist meines Erachtens nicht klar, ob diese Hilfe auch zugerechnet werden kann. Rudimentäre, notwendige Hilfe im Haushalt wird grundsätzlich berücksichtigt, weil sie erforderlich sein kann, um selbständig zu leben. Das kann auch für die Fremdbetreuung gelten. Erwerbsarbeit hingegen ist nicht relevant und Kinderbetreuung gehört zum Aufgabenbereich, der der Erwerbsarbeit gleichgestellt ist. Zudem könnte man eine teilwiese, entlastende Fremdbetreuung auch unter dem Titel der Schadenminderungspflicht als geboten anschauen. Schliesslich wird generell bei der Hilflosenentschädigung nur auf die Person geschaut, ohne das Umfeld (ausser im Rahmen der Schadenminderungspflicht) zu berücksichtigen.
So oder so ist die Fremdbetreuung ein gewichtiges Indiz für die Notwendigkeit lebenspraktischer Begleitung also müsste man sicher auch damit argumentieren. Ich würde aber versuchen, die wöchentlich notwendige Hilfe von 2 Stunden anders zu begründen z.B. mit der Psychiatrie Spitex oder auch Angehörigen.
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger