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lebenspraktische Begleitung Hilflosenentschädigung

Veröffentlicht:
28.07.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Klient lebt im begleiteten Wohnen als Untermieter alleine in einer Wohnung der Stiftung Wendepunkt welche der Hauptmieter ist. Die IV-Stelle lehnt den Antrag auf HE ab mit der Begründung, dass es sich um eine heimähnliche Struktur handle und der Wendepunkt für die Wohnung die Verantwortung trage und auch die Betreuung sicherstelle. 

Besten Dank für eine Rückmeldung.

Freundliche Grüsse

Regina Erdin

Kindes- und Erwachsenenschutzdienst Region Lenzburg

Frage beantwortet am

Daniel Schilliger

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag Frau Erdin

Eine Hilflosenentschädigung der IV kommt auch in Frage für eine Person, welche zu Hause lebt und wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist (Art. 42 Abs. 3 IVG). Die HE bei lebenspraktischer Begleitung ist also nur vorgesehen für Personen, die nicht im Heim leben.

Artikel 35ter IVV definiert, was ein Heim ist und stellt dabei nicht primär auf rechtliche oder finanzielle Aspekte ab, sondern legt den Fokus auf den Grad der Selbstbestimmung. Die Definition geht damit auch weiter als das Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen IFEG.

Als Heim im Sinne des Gesetzes gelten kollektive Wohnformen, die der Betreuung oder Pflege der versicherten Person dienen, sofern die versicherte Person:

a)       für den Betrieb der kollektiven Wohnform nicht die Verantwortung trägt;

b)      nicht frei entscheiden kann, welche Hilfeleistung sie in welcher Art, wann oder von wem erhält; oder

c)       eine pauschale Entschädigung für Pflege- oder Betreuungsleistungen entrichten muss.

Institutionen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b des IFEG, die nach Artikel 4 IFEG von einem oder mehreren Kantonen anerkannt sind, gelten als Heime.

Wohngruppen, die von einem Heim gemäss oben genannten Kriterien (a, b oder c) betrieben werden und von diesem Hilfeleistungen beziehen, sind Heimen gleichgestellt.

Nicht als Heim gelten insbesondere kollektive Wohnformen, in denen die versicherte Person:

a)       ihre benötigten Leistungen bezüglich Pflege und Betreuung selbst bestimmen und einkaufen kann;

b)      eigenverantwortlich und selbstbestimmt leben kann; und

c)       die Wohnverhältnisse selbst wählen und gestalten kann.

Die Stiftung Wendepunkt bietet gemäss Homepage Betreutes, wie auch Teilbetreutes und Begleitetes Wohnen in eigenen Wohnungen wie auch Wohnungen der Stiftung an. Man müsste also Einzelfallbezogen entscheiden bei welchen Wohn- und Begleitformen der Heimbegriff erfüllt ist.

Weitere Ausführungen dazu finden sich im Kreisschreiben über die Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH) RZ. 8005ff. Ich empfehle Ihnen die Kriterien in diesem Kreisschreiben zu konsultieren. Welche Dienstleistungen werden erbracht? Wieviel Wahlfreiheit besteht bezüglich der Hilfeleistungen, der Gestaltung der Tagesstruktur, der Wohnform etc.? Ist die Abgeltung pauschal oder Leistungsbezogen usw.

Auf den ersten Blick scheint schon einiges dafür zu sprechen, dass es sich hier um ein Heim im Sinn der obigen Kriterien handelt, insbesondere als eine Institution Trägerin dieser Wohnform ist und nicht nur die Wohnung zur Verfügung stellt, sondern auch das Personal und die Dienstleistungen.

Freundlicher Gruss

Daniel Schilliger

Nachtrag am 16.9.20

Durch ein neues Urteil hat das Bundesgericht die strenge IV-Praxis betreffend der lebenspraktischen Begleitung fürs begleitete Wohnen kritisiert und die LebPra damit auch für Menschen im begleiteten Wohnen geöffnet. Es wird interessant sein zu sehen wie dieses neue Urteil von der IV umgesetzt wird (9C_763/2019).

freundlicher Gruss

Daniel Schilliger