wir haben kürzlich einen Antrag auf Unterstützung mit wirtschaftlicher Sozialhilfe erhalten. Es stellt sich für uns die Frage nach der Zuständigkeit sowie nach dem Umfang der zu leistenden Unterstützung.
Bei der antragstellenden Person handelt es sich um eine Frau aus Indonesien. Sie ist vor gut 1,5 Jahren zusammen mit einer Familie, für welche sie als Nanny tätig war, aus Singapur in die Schweiz eingereist. Sie hat eine L-Bewilligung, welche an die entsprechende Arbeitsstelle gebunden ist. In Folge Krankheit hat die arbeitgebende Familie das Arbeitsverhältnis per Ende Dezember 2020 gekündigt. Die Migrationsbehörde wurde entsprechend informiert und es wurde bereits verfügt, dass die antragstellende Person das Land zu verlassen hat, die Rechtsmittel laufen derzeit.
Die antragstellende Person hat während ihrer Tätigkeit für die Familie mit in deren Haushalt hier in der Gemeinde A gelebt. Nachdem die Stelle gekündigt war, musste sie auch diese Wohnung verlassen. Sie ist seit Ende September 2020 bei einem Bekannten in der Gemeinde B im Kanton Zürich untergekommen.
Wir gehen davon aus, dass die Klientin, wäre sie in der Gemeinde A verblieben, bis zum endgültigen Ausreiseentscheid Anspruch auf reguläre Unterstützung mit WSH hätte. Da sie sich nun aber in der Gemeinde B im Kanton Zürich aufhält, gehen wir davon aus, dass die Gemeinde B Unterstützung im Rahmen der Nothilfe am Aufenthaltsort zu entrichten hat. Zu diesem Schluss kommen wir auf Grund der Unterlagen der SKOS betreffend die Unterstützung von Personen aus Drittstaaten.
Die Gemeinde B teilt unsere ANsocht nicht und sieht keine Zuständigkeit ihrerseits. Hauptargument ist die fehlende Niederlassungsfreiheit. Wir haben der Klientin Unterstützung im Umfang der Nothilfe ausgezahlt, damit sie das nötigste für den Lebensunterhalt zur Verfügung hat.
Unsere Fragen ganz konkret:
1. Wer ist in welchem Umfang zuständig für die Unterstützung der Klientin?
2. Falls unsere Überlegungen korrekt sind, wie sollen wir weiter vorgehen?
Wir danken Ihnen für Ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Franziska Müller
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Sehr geehrte Frau Müller
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:
Die kantonale örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Zuständigkeitsgesetz (ZUG; SR 851.1). Nach Art. 20 Abs. 1 ZUG werden Ausländer mit Wohnsitz in der Schweiz vom Wohnkanton unterstützt, soweit es dessen Gesetzgebung, das Bundesrecht oder völkerrechtliche Verträge vorsehen. Ist ein Ausländer ausserhalb seines Wohnkantons auf sofortige Hilfe angewiesen, so gilt Artikel 13 ZUG sinngemäss (Abs. 2). Hat ein Ausländer keinen Wohnsitz sondern lediglich Aufenthalt in der Schweiz, so regelt Art. 21 ZUG, dass der Aufenthaltskanton zuständig ist, wenn sofortige Hilfe notwendig ist. Diese Regelung wird im Merkblatt "Unterstützung ausländischer Personen aus Drittstaaten" der SKOS präzisiert. Dort steht unter ZIff. 2.1, dass der Unterstützungswohnsitz vom Bestehen und der Art der migrationsrechtlichen Bewilligung grundsätzlich unabhängig sei. Ein Lebensmittelpunkt in der Schweiz liege aber nur vor, wenn der dauernde Verbleib realisierbar und keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen würden (z.B. rechtskräftiger Widerruf der Aufenthaltsbewilligung). In Ziff. 2.2 des genannten Merkblatts erfolgen Ausführungen zu Personen ohne Wohnsitz aber mit längerfristigem Aufenthalt in der Schweiz. Diese Personen müssten analog Art. 12 ZUG vom Aufenthaltskanton unterstützt werden.
Der Kanton Zürich macht nun geltend, dass die Klientin sich rechtlich aufgrund der L-Bewilligung für den Kanton Zug nicht im Kanton Zürich niederlassen dürfe und deshalb keinen Unterstützungswohnsitz begründen und somit auch nicht vom Kanton Zürich unterstützt werden könne.
Hierzu gilt es auszuführen, dass im Kanton Zürich bezüglich Zuständigkeit zur Unterstützung von ausländischen Personen dieselben rechtlichen Grundlagen wie im Kanton Zug gelten. Ergänzend steht im Sozialhilfehandbuch des Kantons Zürich, dass Ausländer, die sich ausserhalb des Bewilligungskantons aufhalten würden, lediglich Notfallunterstützung gewährt werden müsse, wenn sie die Pflicht, innert 14 Tagen um eine fremdenpolizeiliche Bewilligung im Aufenthaltskanton zu ersuchen, nicht erfüllt haben oder ihr Gesuch um Erteilung einer Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung bzw. um Bewilligung des Kantonswechsels vom Aufenthaltskanton definitiv abgelehnt wurde. In diesem Fall müsse lediglich der Bewilligungskanton ordentliche Sozialhilfe ausrichten. Der blosse Aufenthaltskanton dürfe die Rückkehr in den Bewilligungskanton verlangen. Dies sofern keine medizinischen Gründe dagegensprechen.
Fazit: Ob Ihre Klientin Ihren Unterstützungswohnsitz oder nur ihren Aufenthalt (mit Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes und damit aktuell fehlendem Wohnsitz) in den Kanton Zürich verlegt hat, kann meiner Ansicht nach offen bleiben. Fakt ist, dass sie sich nicht nur vorübergehend im Kanton Zürich aufhält, dies aber nicht der Bewilligungskanton ist. Damit ist meiner Meinung nach aktuell der Kanton Zürich vorerst für die Unterstützung zuständig.
Da faktisch aber nun der Kanton Zug bezahlt, ist ein Richtigstellungsbegehren nach Art. 28 Abs. 1 ZUG durch den Kanton Zug an den Kanton Zürich über die kantonalen ZUG-Stellen einzureichen und darin auszuführen, dass die Zuständigkeit falsch geregelt ist und (gestützt auf meine obigen Ausführungen) der Kanton Zürich zuständig ist. Ist der Kanton Zürich damit nicht einverstanden, wird er Einsprache nach Art. 33 ZUG erheben.
Nun stellt sich noch die Frage nach der Höhe der Unterstützungsleistungen. Wie oben ausgeführt, würde der Kanton Zürich in der vorliegenden Fallkonstellation nur Notfallunterstützung leisten. Der Kanton Zug müsste bei Unterstützungswohnsitz bzw. Aufenthalt im Kanton Zug jedoch ordentliche Unterstützung leisten, da der Entzug der Bewilligung bzw. der Wegweisungsentscheid noch nicht rechtskräftig ist und der Kanton Zug die Personengruppe mit L-Bewilligung nicht ausdrücklich von der ordentlichen Sozialhilfe ausschliesst (Ziff. 5.1.3 Lit. b des SKOS-Merkblatts "Unterstützung ausländischer Personen aus Drittstaaten").
Fazit: Dies bedeutet für mich, dass es Sinn macht, dass Sie die Klientin mit ordentlicher Sozialhilfe nach den Ansätzen des Kantons Zug unterstützen, bis geklärt ist, ob der Kanton Zürich zuständig ist oder bis der Wegweisungs- bzw. Bewilligungsentscheid rechtskräftig ist (falls dies früher eintritt).
Die Kosten können Sie alle dem Kanton Zürich in Rechnung stellen, falls er sich als zuständig herausstellt, auch wenn er selbst nur mit Nothilfe unterstützen würde.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach