Ein Klient unseres Sozialdienstes ist 1997 von Deutschland in die Schweiz eingewandert und hat hier Wohnsitz begründet. In der Deutschland hat er sich bisher noch nicht formell abgemeldet. Lebt aber offiziell seit 1997 im Kanton OW.
Er bezieht aktuell zwei Renten aus Deutschland und eine AHV-Rente in der Schweiz. Die Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland hat er nicht gekündigt. Er bezahlt diese die ganze Zeit weiter. Für Arztbesuche ging er immer nach Deutschland. In der Schweiz sind bisher keine Krankheitskosten entstanden.
In der Schweiz ist er bisher bei keiner Krankenpflegeversicherung angemeldet. Nun steht ein Eintritt in ein Pflegeheim an.
Auf was ist bei einem Abschluss einer Krankenpflegeversicherung nach KVG zu achten?
Werden bei einer Anmeldung Prämien rückwirkend in Rechnung gestellt? Falls ja, wie lange?
Was gilt als Einreisdatum? Er hat sich ja noch nicht in Deutschland abgemeldet.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag!
a) Für den Bereich der Krankenversicherung gilt das Wohnsitzprinzip. Für Personen, die in der Schweiz erwerbstätig sind im Prinzip das Erwerbsortprinzip.Vgl. zum Ganzen Art. 3ff KVG und im Detail die Ausführungen auf der Homepage der gemeinsamen Einrichtung KVG unter: https://www.kvg.org/de/versicherungspflicht-_content---1--1034.html
Wie der Fall hier liegt, wäre wohl mit der Wohnsitznahme ist im Prinzip innert drei Monaten in der Schweiz eine Krankenversicherung abzuschliessen gewesen.
Die Deutsche Versicherung war ab diesem Zeitpunkt der Wohnsitznahme im Prinzip nicht mehr kostenersatzpflichtig.
Entscheidend ist dabei der zivilrechtliche Wohnsitz der Person. Also der dauernde Aufenthalt, verbunden mit der Absicht des dauernden Verbleibens. Dies kommt zum Ausdruck darin, dass der MIttelpunkt der Lebensbeziehungen in der Schweiz liegt. Z.B. durch eine Wohnung, die er hier bewohnt. Die polizeiliche An- oder Abmeldung (die hier schon lange hätte erfolgen sollen) ist dabei ein Indiz für diese Wohnsitznahme.
b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass Kosten durch die deutsche Versicherung zu Unrecht übernommen wurden. Für die CH-Krankenversicherung ist aber eine rückwirkende Übernahme hier nicht möglich. Diese wird bei einer verspäteten Anmeldung frühestens ab Anmeldung kostenübernahmepflichtig.
Die deutschen Krankenversicherer könnten hier Rückforderungsansprüche haben. Je nach dem, ob dem Betroffenen Absicht unterstellt werden könnte, wären für die Verjährung unterschiedliche Fristen zu beachten. Kann ein solches schweres Verschulden nicht nachgewiesen werden, käme hier je nach Zeitraum der Kostenübernahme eine Verjährung von zwei oder von vier Jahren zur Anwendung.
c) Erfährt die Schweizerische Krankenversicherung davon, dass der Beitritt verspätet war, gilt Folgendes (vgl. Art. 5 Abs. 2 KVG): Bei verspätetem Beitritt beginnt die Versicherung im Zeitpunkt des Beitritts. Bei nicht entschuldbarer Verspätung entrichtet die versicherte Person einen Prämienzuschlag. Der Bundesrat legt dafür die Richtsätze fest und berücksichtigt dabei die Höhe der Prämien am Wohnort der versicherten Person und die Dauer der Verspätung. Für Versicherte, bei denen die Entrichtung des Beitragszuschlages eine Notlage zur Folge hätte, setzt der Versicherer den Beitragszuschlag herab, wobei er der Lage der Versicherten und den Umständen der Verspätung angemessen Rechnung trägt.
Für die Prämienzuschläge vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2 KVV: Der Prämienzuschlag beträgt im Prinzip 30% bis 50 der Prämie für die doppelte Dauer der Verspätung. Höchstens aber für die Zeit von fünf Jahren. ABER: wenn eine Sozialhilfebehörde für die Prämie aufkommt, wird kein Zuschlag vorgenommen.
Für die Wohnsitznahme und somit die KVG-Unterstellung gilt im Falle einer Verspätung der Anmeldetermin bei der Krankenversicherung. Wenn dann schon ein Wohnsitz in der Schweiz besteht. Und das ist in casu zweifellos der Fall. Die Tatsache, dass noch keine Abmeldung in Deutschland erfolgte, tut hier nichts zur Sache.
d) Ich rate dazu, hier die CH-Versicherung schnell abzuschliessen mit Blick auf die Kostenübernahme bei möglichen kommenden Gebrechen.
Ich hoffe, das dient.
Prof. Peter Mösch Payot