Guten Tag,
seit einiger Zeit unterstützen wir eine dreiköpfige Familie mit wirtschaftlicher Sozialhilfe. Seit Beginn der Unterstützung besteht eine Auflage, eine günstigere, den kantonalen Mietzinsrichtlinien entsprechende Wohnung zu suchen. In der Vergangenheit wurden Wohnungsbemühungen nachgewiesen, jedoch waren die Bemühungen bisher erfolglos. Das Angebot an günstigen Wohnung in unserer Gemeinde ist sehr gering und hält dieser Zusatnd nun schon einige Zeit an.
Aktuell haben wir ein konkretes Wohnungsangebo für die Familie. Es handelt sich um eine Wohnung, welche in gemeindlichem Besitz ist und demnächst frei wird. Die Familie weigert sich, die Wohnung zu akzeptieren, da sie ihnen nicht gefalle und nicht ihren Ansprüchen entspreche (kein Balkon, Terasse etc., altes Haus, Holzverkleidung im Wohnraum etc.). Aus unserer Sicht sind das keine Argumente, in der aktuellen Situation ein konkretes Wohnangebot, welches den kantonalen Richtlinien entspricht abzulehnen.
Wir sehen nun vor, ein Kürzungsverfahren einzuleiten. Im Rahmen des rechtlichen Gehörs möchten wir bereits auf den Umfang der von uns vorgesehenen Kürzung eingehen. Diesbezüglich sind wir aber unsicher: Ist es zulässig, den im Rahmen der Unterstützung übernommenen Mietzins auf die kantonalen Richtlinien zu beschränken, wenn die Auflagen betreffend Wohnungsbemühungen nicht erfüllt werden? Im konkreten Fall wäre das eine Kürzung von CHF 590.00 pro Monat. Grundsätzlich kenne ich diese Praxis so, bin aber unsicher, da es sich um eine Familie handelt.
Zu erwähnen ist noch, dass es bereits die zweite Wohnung ist, welche die Familie innerhalb von 2 Monaten ablehnt. Bisher wurde kein Kürzungsverfahren eingeleitet, da die Familie geltend gemacht hat, dass die erste angebotene Wohnung auf Grund der gesundheitlichen Situation des Sohnes nicht zumutbar (Lage relativ weit oben am Berg und damit anstrengend für den Schulweg). In der Zwischenzeit liegt aber ein Bericht der Kinderärztin vor, dass das Kind zwar Probleme mit der Atmung hat, dies jedoch den ausgewiesenen Schulweg zur angelehnten Wohnung nicht verunmöglicht.
Ich danke Ihnen für ihre Rückmeldung.
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte diese gerne wie folgt:
Wer Sozialhilfe bezieht, hat nach eigenen Kräften zur Verminderung und Behebung der Bedürftigkeit beizutragen. Der Minderung der Bedürftigkeit dienen namentlich die Senkung von überhöhten Fixkosten (SKOS-RL A.4.1). Überhöhte Wohnkosten sind nach SKOS-RL demnach so lange zu übernehmen, bis eine zumutbare günstigere Lösung zur Verfügung steht. Bevor ein Umzug verlangt wird, ist die Situation im Einzelfall zu prüfen. Insbesondere zu berücksichtigen sind die Grösse und Zusammensetzung der Familie, allfällige Verwurzelung an einem bestimmten Ort, Alter und Gesundheit der unterstützten Personen sowie der Grad ihrer sozialen Integration (SKOS-RL C.4.1). In Ergänzung dazu ist im Sozialhilfehandbuch des Kantons Zug unter RL C.4.1 festgehalten, dass die wirtschaftliche Hilfe mit der Auflage verbunden werden kann, eine günstigere Wohnung zu suchen und zu beziehen, wobei die Verhältnismässigkeit, insbesondere die Zumutbarkeit, im Einzelfall zu prüfen ist. Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Zug ist weiter festgehalten, dass wenn sich unterstützte Personen weigern, eine günstigere Wohnung zu suchen oder in eine effektiv verfügbare und zumutbare günstigere Wohnung umzuziehen, die anrechenbaren Wohnkosten auf jenen Betrag reduziert werden können, der den Mietzinsrichtlinien entspricht oder der durch diese günstigere Wohnung entstanden wäre, sofern es ein tatsächliches Wohnangebot gegeben hat. Anstatt bei ungenügenden Suchbemühungen den Mietzins auf einen angemessenen Anteil zu reduzieren, könne im Rahmen einer Sanktion der GBL um max. 30 Prozent gekürzt werden. Eine Kombination (Kürzung des GBL und Reduktion des Mietzinses) sei nicht zulässig. Betreffend Voraussetzungen für eine Sanktion wird auf SKOS-RL F verwiesen. Nach SKOS-RL F.2 ist eine Leistungskürzung zu prüfen, wenn eine unterstützte Person die Auflage nicht befolgt (siehe auch § 21ter SHG). Als Sanktion sind Kürzungen des Grundbedarfs zwischen 5 % und 30%, EFB, IZU und SIL möglich (SKOS-RL F.2). Im Sozialhilfehandbuch des Kantons Luzern wird ergänzt, dass die maximale Kürzung von 30% des Grundbedarfs nur bei wiederholtem oder schwerwiegendem Fehlverhalten zulässig sei. Zudem sei der Anteil der Minderjährigen am Grundbedarf von der Kürzung ausgenommen.
Vorliegend gilt es deshalb in einem ersten Schritt zu beurteilen, ob die von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Wohnung der Familie zumutbar ist. Hat die Wohnung ausreichend Zimmer für die Haushaltgrösse? Ist die Wohnung in einem bewohnbaren Zustand? Gibt es gesundheitliche Gründe, weshalb z.B. ein Balkon zwingend notwendig ist?
Kommen Sie zum Schluss, dass die Wohnung für die Familie zumutbar ist, so gibt es gemäss Sozialhilfehandbuch des Kantons Zug zwei Möglichkeiten: Sie bezahlen nur noch die Miete im Grenzwert oder Sie kürzen die Unterstützungsleistungen.
Wenn Sie die Kürzung der Unterstützungsleistungen wählen, wie Sie dies glaublich vorhaben, dann ist die Frage zu stellen, ob eine Kürzung von 30% des Grundbedarfs vorliegend verhältnismässig ist, da es für eine solche Kürzung entweder eine wiederholte Pflichtverletzung oder ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten braucht. Da Sie die Unterstützungsleistungen aufgrund der Ablehnung der ersten Wohnung nicht gekürzt und – soviel ich verstanden habe – auch keine Verwarnung ausgesprochen haben, liegt eine erstmalige Pflichtverletzung vor. In diesem Fall finde ich es heikel, die Unterstützungsleistungen bereits bei der ersten Kürzung um 30% des Grundbedarfs zu kürzen. Ich würde zu einer geringeren Kürzung tendieren oder aber die Wohnkosten über dem Mietzinsgrenzwert nicht mehr übernehmen, da ich es fraglich finde, ob in diesem Fall eine Kürzung von 30% verhältnismässig ist. Bei einer allfälligen Kürzung ist zudem zu berücksichtigen, dass der Grundbedarfsanteil der Kinder nicht gekürzt werden darf.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse
Anja Loosli Brendebach