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Kurzarbeitsentschädigung KAE

Veröffentlicht:
26.03.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Mein Klient arbeitete "auf Abruf" im Stundenlohn als Veranstaltungstechniker für eine grössere Firma. Seit 01.03.2020 ist die Branche lahmgelegt, da schon damals Veranstaltungen über 1000 Personen nicht mehr stattfinden durften.

Der Klient hatte zuvor regelmässige Einsätze und verdiente jeden Monat ca. Fr. 4500.-.

Die Firma teilte nun allen Angestellten mit, sie hätten wegen ihrem Abrufvertrag (der zudem nicht schriftlich existiert) keinen Anspruch auf KAE, weil ihr Arbeitsausfall nicht bestimmbar sei. Sie sollen sich alle bei der Arbeitslosenkasse anmelden.

1. Ist dies korrekt? Gibt es bei der KAE überhaupt keine Ansprüche für Angestellte auf Abruf?

2. Falls es nicht korrekt wäre, wie bringt man die Firma dazu, den Anspruch zumindest bei ihrer Arbeitslosenkasse anzumelden? Oder können die Angestellten die KAE auch selber beantragen wenn sich die Firma weigert?

Freundliche Grüsse

Gaudenz Heeb

Soziale Dienste Brügg

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Heeb.

Es ist zwar korrekt, dass ein Arbeitsausfall, der nicht bestimmbar ist, auch bei der KAE nicht zu einem Anspruch führt. Vgl. AVIG-Praxis KAE, B31 (siehe file:///C:/Users/pmoesch/AppData/Local/Microsoft/Windows/INetCache/IE/O3Q0NVOL/AVIG-Praxis_KAE.pdf)

Leider haben daran auch die bis dato (29.3.) erfolgten besonderen notrechtlichen Verfügungen des Bundesrates nichts geändert.

Das gilt allerdings bei Abruftätigkeiten nicht, wenn im Arbeitsverhältnis eine Normalarbeitszeit bestand und somit der Arbeitsausfall bestimmbar ist. Das ist der Fall, wenn die Abruftätigkeit bislang eine gewisse Regelmässigkeit aufwies.

Vgl. dazu die AVIG-Praxis ALE (Stand 1.1.2020) unter B 97:

Die Rechtsprechung anerkennt bei mehr als einjährigen Arbeitsverhältnissen ein Beobachtungszeitraum von einem Jahr an, in dem im Verhältnis zu den im Monatsdurchschnitt geleisteten Arbeitsstunden die Schwankungen der Einsätze höchstens 20 % nach unten oder nach oben ausmachen. Bei einem Beobachtungszeitraum von 6 Monaten beträgt die maximale zulässige Beschäftigungsschwankung 10 %. Bei einem Beobachtungszeitraum zwischen 6 und 12 Monaten ist die maximale zulässige Beschäftigungsschwankung proportional anzupassen, d. h. bei einem Beobachtungszeitraum von z. B. 8 Monaten beträgt diese 13 % (20 %: 12 x 8).

Hat das Arbeitsverhältnis mindestens 2 Jahre gedauert, ist es gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts (EVG C 9/06 vom 12.5.2006; BGE 8C_625/2013 vom 23.1.2014,veröffentlicht in der ARV 2014 S. 62 ff.) gerechtfertigt, den Beobachtungszeitraum auf mehr als 12 Monate auszudehnen. In diesem Fall müssen die Anzahl Arbeitsstunden pro Jahr und die Schwankungen gegenüber dem Jahresdurchschnitt berücksichtigt werden (BGE 8C_379/2010 vom 28.2.2011): Abzustellen ist somit auf die Anzahl der pro Jahr geleisteten Arbeitsstunden (rückwirkend ab dem Datum der Anmeldung bei der ALV), wobei zu prüfen ist, in welchem Umfang diese vom Jahresdurchschnitt abweicht, d. h. von der durchschnittlichen Anzahl der pro Jahr geleisteten Arbeitsstunden. Die Arbeitslosenkasse stützt sich dabei höchstens auf die 5 Jahre vor dem Beschäftigungsrückgang ab.

Das Ganze muss auch für die Möglichkeit von Kurzarbeit gelten bei festangestellten Personen mit Arbeit auf Abruf.

Der Anspruch für die KAE besteht zwar für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer. Die Anmeldung erfolgt aber über den Arbeitgeber.

Obenstehende Ausführungen könnten dazu führen, dass der Arbeitgeber bereit ist, bei regelmässiger Arbeit auf Abruf, Kurzarbeit geltend zu machen.

Es besteht aktuell soweit erkennbar weder aus Gesetz noch aus Praxis eine Rechtspflicht des Arbeitgebers, Kurzarbeit zu verlangen. Immerhin könnte aber aus dem Arbeitsvertrag bei  bisher sehr regelmässigen Einsätzen argumentiert werden, es sei durch faktisches Handeln durch die regelmässigen Einsätze ein festes Arbeitsverhältnis entstanden. Und es könnte dann entsprechende Lohnansprüche geltend gemacht werden. Eine solche Argumentation ist aber beweismässig schwierig. Es ist zu raten, insoweit Unterstützung für die Geltendmachung une einen allfälligen entsprechenden Prozess bei einer Arbeitnehmendenorganisation und entsprechenden spezialisierten Anwält/innen einzuholen.

Ich hoffe, die Informationen dienen Ihnen.

Peter Mösch Payot

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr H.

Zu meiner obigen Antwort gibt es in der Zwischenzeit aufgrund neuer Massnahmen des Bundesrates ein Update.

Seit letztem Montag wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten für Kurzarbeitsentschädigung bei Angestellten auf Abruf etwas erleichtert.

Jetzt können sie in die Anträge einbezogen werden, sofern sie während mindestens sechs Monaten im gleichen Unternehmen gearbeitet haben, selbst wenn die Schwankung über 20% liegt (siehe oben stehende Ausführungen).

Die Höhe der Entschädigung wird nach dem durchschnittlichen Arbeitsvolumen der letzten sechs, bzw. der letzten 12 Monate bemessen. Je nach dem, was für die/den Arbeitnehmende/n günstiger ist (vgl. Art. 8f Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19), SR 837.033).

Vgl. https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20200805/index.html

Beste Grüsse

Peter Mösch Payot