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Kündigungsfrist nicht eingehalten

Veröffentlicht:
23.11.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Liebes Expertenteam
Frau X. Arbeitet seit April 2017 als Fachfrau Betreuung in einer Kinderkrippe. Seit Mai 2018 ist sie 100% AUF. Der Arbeitgeber hat ihr die Stelle gekündigt. Das Kündigungsschreiben ist datiert auf den 29.10.2018, der Arbeitgeber kündigt Frau X. per 31.10.2018. Ihr gegenüber hat er dies damit begründet, dass sie ja seit Mai nicht mehr arbeiten komme und daher die Kündigung nun per sofort erfolgt. Im Arbeitsvertrag ist keine Kündigungsfrist festgehalten. Unter Treue- und Sorgfaltspflichten steht aber, dass der Betrieb das Recht hat den bestehenden Vertrag gemäss arbeitsrechtlichen Bestimmungen aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass die Bestimmungen aus dem OR gelten.
Frau X. befindet sich im 2. Dienstjahr. Gemäss Art. 335c Abs. 1 OR beträgt die Kündigungsfrist vom 2. bis 9. Dienstjahr zwei Monate. Die Sperrfrist während einer Arbeitsunfähigkeit beträgt nach Art. 336c im 2. - 5 Dienstjahr 90 Tage.
Die Sperrfrist ist somit ende August abgelaufen und der Arbeitgeber kann Frau X. unter Einhaltung der Kündigungsfrist künden. Die Kündigungsfrist hat der Arbeitgeber aber nicht eingehalten. Ist die Kündigung ungültig? Soll Frau X. verlangen, dass die Kündigung schriftlich rückgängig gemacht wird? Muss der Arbeitgeber dann eine neue Kündigung aussprechen? Wenn der Arbeitgeber per Ende November erneut kündigt, gilt dann der 31.12.2018 oder der 31.01.2019?
Für die Beantwortung meiner Fragen bedanke ich mich.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Schwegler
Ihre Überlegungen sind absolut richtig. Der Ablauf der Sperrfrist hat nicht zur Folge, dass nun per sofort gekündigt werden darf. Vielmehr kann nach Ablauf der Sperrfrist ordentlich gekündigt werden, d.h. unter Einhaltung der gesetzlichen oder ggf. vertraglichen Kündigungsfristen.
Die Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist ist aber nicht ungültig. Die Wirkung der Kündigung tritt aber erst auf den Zeitpunkt ein, in dem die Kündigungsfrist bei fristgemässer Kündigung abläuft. Im Fall Ihrer Klientin bedeutet dies: ordentliche Kündigung am 29.10.2018, Kündigungsfrist gemäss OR zwei Monate = das Arbeitsverhältnis endet, sofern die Kündigung bis spätestens am 31.10.2018 bei ihrer Klientin angekommen ist, am 31.12.2018.
Nichts ableiten kann die Arbeitgeberin übrigens aus den Umständen dass sie bereits Ende August hätte künden können. Sie hat dies nicht getan und folglich beginnt die Kündigungsfrist erst nach erfolgter Kündigung zu laufen.
Genügen Ihnen diese Auskünfte?
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli
Besten Dank für Ihre Antwort.
In der z wischen Zeit ist noch eine andere Frage aufgetaucht:
Ein Kind hat sich im April 18 während der Mittagspause aus der Kita entfernt. Frau X. hat dies nicht bemerkt. Im Mai 18 hat sie deswegen eine schriftliche Verwarnung von ihrem Arbeitgeber erhalten. Dem Kind ist nichts passiert. Frau X. fürchtet strafrechtliche Konsequenzen. Kann der Arbeitgeber sie anzeigen?
Besten Dank.
Luzia Schwegler

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Schwegler
Eine Kita-Mitarbeiterin macht sich dann strafrechtlich verantwortlich, wenn wegen einer Aufsichtspflichtverletzung ein Kind einen Körperschaden erleidet. Voraussetzung ist, dass die Mitarbeiterin entweder vorsätzlich gehandlet hat oder, was wenn schon häufiger der Fall ist, wenn die Mitarbeiterin fahrlässig gegen ihre Pflichten verstossen hat und zumutbare Vorkehrungen zur Vermeidung eines Unfalls nicht getroffen hat.
Nun erwähnen Sie, dass nichts passiert ist. Hier wäre eine Strafbarkeit nur dann möglich, wenn die Mitarbeiterin das Kind vorsätzlich einer erheblichen GEfahr ausgesetzt hat. Das wird kaum der Fall sein. Die fahrlässige versuchte Deliktsbegehung ist nicht möglich (Versuch setzt Wollen voraus).
Kurz und gut: Ihre Klientin hat Glück gehabt. Da nichts passiert ist, hat sie strafrechtlich nichts zu befürchten. Die Verwarnung durch die Arbeitgeberin ist rechtlich i.O.
Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli
Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Das wird meine Klientin beruhigen.
Freundliche Grüsse
Luzia Schwegler