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Kündigung zu recht? / Kündigungsfrist bei Krankheit

Veröffentlicht:
22.10.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag Herr Pärli

Eine Klientin hat mir heute folgende Situation geschildert:

- Anstellungsvertrag seit 1.1.17 zu 80%

- AUF 100% von 11.19 bis Ende 02.20

- AUF 50% von 03.20 bis Ende 04.20

- Arbeit zu den gewohnten 80% ab 05.20

- am 18.5.20 hat ein nicht vorangekündigtes Gespräch stattgefunden mit der Leitungsperson, es wurde der Klientin eröffnet, dass die Leitung nicht zufrieden sei, weil sie unflexibel sei und dass sie entweder ihr Pensum auf 40% reduzieren könne zu einem niedrigeren Lohn (Änderungskündigung) oder dass ihr per Ende August 20 gekündigt werde

- es hat nie vorher ein Gespräch bezüglich Unzufriedenheit etc. gegeben

- 40%-Vertrag hat Klientin nicht akzeptieren wollen, weil sie auf das Geld angewiesen ist, also wurde ihr gekündigt

- während Kündigungsfrist hat sie zuerst ihre 80% gearbeitet, dann wurde sie ab dem 4.8.20 zu 100% krank geschrieben bis heute

- die Arbeitgeberin sagt, das Arbeitsverhältnis bzw. die Kündigungsfrist laufe weiter, weil wegen Krankheit unterbrochen und dass sie die noch fehlenden Tage nach Gesundwerdung noch arbeiten müsse

- beim RAV wurde ihr gesagt, dass sie die 40%-Stelle hätte annehmen sollen und gleichzeitig eine neue Stelle zu 80% bzw. eine zweite Stelle hätte suchen sollen; da sie aber noch angestellt ist, bekommt sie jetzt noch kein Taggeld

Meine Fragen:

- war die ausgesprochene Kündigung so rechtens (oder hätte noch eine Sperrfrist von der letzten Krankschreibung gegolten)?

- wann endet die Sperrfrist bzw. das Arbeitsverhältnis, wenn die Krankheit fortbesteht?

- muss sie Einstelltage befürchten, weil sie nicht die 40%-Stelle angenommen hat?

 

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Bücher Steiner

Gerne beantworte ich diese Frage wie folgt:

Mangels anderer vertraglichen Abrede gilt für ihre Klientin die ordentlich zweimonate Kündigungsfrist. Gemäss Sachverhalt galt jedoch bei ihrer Klientin eine dreimonatige Kündigungsfrist.

Ihre Klientin hat gemäss Art. 336c OR Anspruch auf die 90igtägie Sperrfrist bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach bundesgerichtlicher REchtsprechung löst nur ein neues Ereignis eine zweite Sperrfrist aus, handelt es sich demgegenüber um einen Rückfall, dann werden die Kankheitstage zusammengezählt. (siehe dazu u.B. Humert, zeitlicher Kündigungsschutz, in: Portmann/Von Kaenel (Hrsg.), Fachhandbuch Arbeitsrecht, Zürich 2018, S. 452, Rz. 11.127).

Ob die Arbeitsunfähigkeit ihrer Klientin auf unterschiedliche oder auf den gleichen Grund zurückzuführen ist, steht im Sachverhalt nicht.

Ihrer Klientin wurde am (?, am 18.5? oder sicher noch vor Ende Mail)  per Ende August gekündigt, Im Zeitpunkt der Kündigung war ihre Klientin nicht arbeitsunfähig (Gemäss Sachverhalt war ihre Klientin nur bis Ende April 20 arbeitsunfähig, dann erst wieder ab 4.8.).

Welche Folgen hat die Krankheit während der noch dauernden Kündigungsfrist? Gemäss Art .336c Abs. 2 OR ruht der Ablauf der Kündigungsfrist und zwar solange wie die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dauert bis zur maximalen Sperrfrist. Im vorliegenden Fall würde dies bedeuten (Variante Arbeitsunfähigkeit ab 14.8. ist auf eine neue Krankheit zurückzuführen): Kündigung z.B. am 18. Mai, Beginn der 2monatigen Kündigunsfrist am 1. Juni, Ablauf der Kündigungsfrist am 31. August, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ab 14.8., ab diesen Zeitpunkt ruht der Ablauf der Kündigungsfrist während längstens 90ig Tagen, danach werden die restlichen Tage der ordentlichen Kündigungfrist, also 15.8. bis 31.8. noch hinzugezäht, das Arbeitsverhältnis endet erst dann. Wenn Ihre Klientin vor diesen 90 Tagen wieder gesund wird, beginnt der Ablauf der restlichen Kündigungsfrist ab diesem Zeitpunkt.

Wenn die ARbeitsunfähigkeit auf den gleichen Grund zurückzuführen ist, kommt es wegen der Krankheit ab 14.8. zu keiner neuen Sperrfrist und das Arbeitsverhältnis endet am 31.8.2020.

Nun noch zu ihrer  Frage hinsichtlich Arbeitslosenversicherung:

Auch eine Änderungskündigung als Folge des Nichtakzeptierens einer Vertragsanpassung erfüllt den Tatbestand der selbstverschuldeten Arbeitslosigkeît, siehe dazu D 19 der AVIG-Praxis ALE: 

Verliert  eine  versicherte  Person  ihre  Stelle,  weil  sie  den  vom  Arbeitgeber  vorgelegten
Arbeitsvertragsänderungen  (Änderungskündigung)  nicht  zustimmen  will,  ist  sie  in  der
Anspruchsberechtigung  infolge  selbstverschuldeter  Arbeitslosigkeit  einzustellen,  sofern die
Arbeit im Sinne von Art. 16 AVIG weiterhin zumutbar gewesen wäre.

Hätte  die  Vertragsänderung  zu  einem  unter  Berücksichtigung  von  Art.  41a  AVIV  aus-
gleichsberechtigenden ZV geführt, berechnet sich das Einstelltaggeld aus der Differenz zwischen  
dem  ordentlichen  Taggeld  und  dem  ZV-Ausgleichstaggeld,  da  die  Arbeitslosigkeit lediglich im Umfang dieser Differenz selbstverschuldet ist (vgl. D66 ff.)

*** (Sie finden das Dokument im Anhang).

Genügen IHnen diese Informationen?

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

Dokument anschauen

Guten Tag Herr Pärli

Vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort.

Die Klientin ist seit 4.8. bis auf Weiteres krank geschrieben (nicht 14.8., ich nehme an, das war ein Verschreiber), immer wegen dem gleichen Grund.

Ich habe sie bzw. den Facharzt nicht explizit gefragt, ich nehme aber an, dass es sich um einen Rückfall handelt von der Krankheit, die bis Ende April 20 gedauert hatte.

Heisst das, dass das Arbeitsverhältnis Ende August 20 hätte beendet werden müssen? Wenn ja, hätte sie die Arbeitgeberin also "fälschlicherweise" im Glauben gelassen, dass sie immer noch angestellt sei. Ich muss abklären, wie die Lohnfortzahlung geregelt ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn sie eine Krankentaggeldversicherung hat, wäre es nicht so schlimm, weil sie ja dann das Krankentaggeld erhält. Aber ihr wäre zum Beispiel die Möglichkeit verwehrt, eine Abredeversicherung bei der Unfallversicherung noch abzuschliessen.

Wenn es sich um eine neu ab 4.8. aufgetretene Krankheit handelt, würde ich das Ende des ARbeitsverhältnisses wie folgt berechnen:

Arbeit in Kündigungsfrist 30 Tage im Juni, 31 Tage im Juli, 3 Tage im August = 64 Tage

90 Tage Sperrfrist ab 4. August, bis 2.11.

Restliche Kündigungsfrist 27 Tage, 3.11. bis 29.11., somit würde das Arbeitsverhältnis Ende November 2020 enden

Ist das richtig so?

Vielen Dank für Ihre erneute Rückmeldung und Ihre grosse Unterstützung.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Büchel

 

Genau, die Krankschreibung betrifft den 4.8., nicht der 14.8.. 

Ja, wenn es sich um ein- und dieselber Krankheit handelt, ist die Sperrfrist an sich bereits vor August abgelaufen und das Arbeitsverhältnis würde Ende August enden. Ich gehe davon aus, dass  der ARbeitgeberin nicht bewusst war, dass die Sperrfrist an sich schon vorbei wäre.

Ihre Sperrfristenberechnung (für den Fall, dass diese nicht ohnehin schon abgelaufen ist) trifft zu.

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

kurt Pärli