Guten Tag
Unser Klient wurde per 31.7.21 mit einer KF von 2 Monaten per 30.9.21 gekündigt. Aufgrund von Depression wurde er ab 9.8.21 zu 100% arbeitsunfähig. Er war bereits vorher deswegen in ärtzlicher Behandlung. Die Sperrfrist beträgt 90 Tage. Ab dem 4.10.21 (bis gem. Arztzeugnis 1.11.) wurde die AUF vom zuständigen Artz wie folgt deklariert "Arbeitsunfähigkeit: Arbeitsunfähigkeit ist auf den aktuellen Arbeitsplatz bezogen." Daraufhin teilte die Krankentaggeldversicherung dem Klienten telefonisch mit, dass sie die Taggelder per 1.10. einstellen würden. Die Arbeitgeberin legte dem Klienten am 30.9. ein Schreiben vor wo er unterschreiben sollte, dass auf seinen Wunsch nach Ablauf der Lohnfortzahlungspflicht per 30.9.21 das Arbeitsverhältnis aufgelöst werde. Dieses Schreiben unterzeichnete er nicht. Jedoch zeigt die Lohnabrechnung von Oktober, dass er keinen Lohn mehr erhält. Dies alles warf ihn aber so aus der Bahn, dass der behandelnde Arzt ihn per 18.10. bis 8.11.21 wieder 100% und nicht arbeitsplatzbezogen krank schrieb.
Der Klient hat per 1.1.22 eine neue Stelle gefunden. Wie sieht das alles rechtlich aus? Ist das Vorgehen der Taggeldversicherung und der Arbeitgeberin rechtens? Soll er die Vertragsauflösung unterzeichnen, damit er Anspruch auf ALV hat? Wobei er dann wiederum nicht vermittlungsfähig ist weil jetzt wieder 100% AUF.
Besten Dank im Voraus für eine baldige Rückmeldung.
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag
Tatsächlich ist das leistungsauslösende Ereignis bei Krankentaggeldversicherungen grundsätzlich die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf (analog Art. 6 ATSG).
Wie die Leistungspflicht bei einer so genannten arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit aussieht, wenn also diese sich nur auf den (früheren) Arbeitsplatz bezieht, nicht aber auf andere Stellen oder Verdienstmöglichkeiten, ist bei VVG-Krankentaggeldversicherungen unter genauer Auslegung der anwendbaren Versicherungsbedingugnen zu eruieren. Diese sind hier aber auf jeden Fall noch zu konsultieren.
Siehe dazu das Bundesgerichtsurteil 4D_7/2021 vom 12.4.2021. Dort hatte das Bundesgericht eine Leistungseinstellung der Taggeldversicherung geschützt, wo die kantonale Vorinstanz den Versicherungsvertrag ausgelegt hat und die grundsätzliche Versicherungspflicht der KTV bejaht hat für eine (rein) arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit, falls eine gesundheitliche Einschränkung der Grund für die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit ist.
Es ist im Weiteren zu beachten, dass wer in einem anderen Beruf/an einem anderen Arbeitsplatz einen Verdienst erwerben kann, gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts nach einer Übergangsfrist von ca. fünf Monaten grundsätzlich nicht mehr arbeitsunfähig ist im Sinne der Leistungspflicht der Taggeldversicherung (vgl. schon Urteil des Bundesgerichts 4A_111/20210 vom 12.7.2010)
Entscheidend ist also bei entsprechenden Versicherungsbedingungen, ob eine gesundheitliche Einschränkung besteht, welche die (ev arbeitsplatzbezogene) Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.
Ich rate dazu, dass hier zunächst die Versicherungsbedingungen der KTV gut analysiert werden und dann, dass der behandelnde Arzt im Sinne eines detaillierten Arztzeugnisses ausweist, inwieweit eine gesundheitliche Einschränkung bestand, bzw. ob sie weiterhin oder jetzt neu begründet besteht, die über die frühere Tätigkeit hinausweist.
Da im vorliegenden Fall anzunehmen ist, dass die gesundheitliche Einschränkung, die die Arbeitsunfähigkeit auslöst, eventuell erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstand (etwa aufgrund der Entlassung) ist hier ein Übertritt in die Einzelversicherung bei der Versicherung anzumelden oder zu prüfen, damit auch dieses Risiko versichert ist.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot