Guten Tag
Eine Klientin wurde am 10.08.2020 100% angestellt. Am 29.11.2020 verunfallte sie unverschuldet. Am 21.07.2021 kündigte ihr AG das Arbeitsverhältnis. Die Sperrfristen wurden somit eingehalten.
Die Klientin ist weiterhin 100% AUF und aktuell hospitalisiert. Mit der Kündigung ist sie einverstanden.
Nun stellt sich die Frage bezüglich Anspruch auf die Auszahlung der restlichen Ferientage und des 13. Monatslohns. Sie erhielt während der AUF 80% Lohn durch den AG ausbezahlt. Sie ist kollektiv-KTG versichert über den AG.
Besten Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Sehr geehrter Herr Hensel
Gerne beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Ihre Klientin befand sich am 29.11.2020 im ersten Dienstjahr und hatte somit Anspruch auf einen Montat Sperrfrist. Wie Sie richtig schreiben, ist die Kündigung vom 21.7.2021 somit gültig. Sie schreiben nicht, auf welchen Zeitpunkt die Kündigung ausgesprochen wurde, ich nehme für meine folgenden Ausführungen an, das Arbeitsverhältnis würde am 31.08.2021 enden. In diesem Fall hätte ihre Klientin Anspruch auf vier Wochen Ferien pro Dienstjahr, also vorliegend 4 Wochen plus ca 1 Tag (weil das Arbeitsverhältnis knapp mehr als ein Jahr gedauert hat).
In rechtlicher Hinsicht einschlägig ist hierzu Art. 329b OR, nach dessen Abs. 2 darf die Arbeitgeberin den Ferienanspruch bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit von mehr als einem Monat kürzen (um einen Zwöltel pro Monat). Das bedeutet: Ihre Klientin war vom 29.11. 10.8.2021 (Ende des ersten Dienstjahres) während gut neun Monaten an der Arbeit verhindert, der Ferienanspruch darf deshalb um 8/12tel (1 Monat ist "geschenkt", siehe Art. 329b Abs. 1 OR) gekürzt werden. Statt vier Wochen Ferienanspruch hat ihre Klientin somit nur einen Anspruch auf eine Woche und einen Drittelwoche Ferien. (Für das zweite Dienstjahr käme noch ein Ferienanspruch für die Zeit vom 11.8.bis 30.8., ungekürzt, weil hier ein neues Dienstjahr begann).
Zwischenergebnis: Der Ferienanspruch ihrer Klientin für die Dauer der Anstellung betrug eine Woche und gerundet zwei Tage (siehe obige Berechnungsgrundlagen). Falls Ihre Klientin zwischen 10.8. und 29.11. keine Ferien bezogen hat, muss die Arbeitgeberin ihr den genannten Anteil ausrichten bzw. den Anteil der noch nicht bezogenen Ferientage. Falls die Arbeitnehmerin mehr als eine Woche und 2 Tage bezogen hat, muss sie keine Rückerstattung leisten, da die Arbeitgeberin den Zeitpunkt der Ferien bestimmt.
Während der Arbeitsunfähigkeitsphase hat ihre Klientin Taggelder der Unfallversicherung erhalten (sie schreiben, ein Unfall sei die Ursache der Arbeitsunfähigkeit gewesen, insoweit ist die obligatorische Unfallversicherung und nicht die Kollektivkrankentaggeldversicherung zuständig). Die während der Arbeitsunfähigkeit ausgerichteten Unfallversicherungstaggelder haben keinen Einfluss auf den Ferienanspruch.
Zur Frage des 13 Monatslohnes: Dieser gehört zum im Rahmen der UV versicherten Lohn und dies müsste sich im Taggeld auswirken. Fraglich ist, ob ihre Klientin Ende 2020 den pro rata-Anteil 13. Monatslohn für die "gearbeitete" Zeit vom 10.8. bis 29.11.2020 erhalten hat. Dies müssten Sie überprüfen.
Da ich davon ausgehe, dass es sich um einen Unfall handelt, ist weiter wichtig: Sofern und soweit die Arbeitsunfähigkeit noch andauert und die medizinische Behandlung des Unfalles noch nicht abgeschlossen ist, hat ihre Klientin weiterhin Anspruch auf die UVG-Taggelder und zwar bis zu dem Zeitpunkt, indem sie entweder wieder arbeitsfähig oder invalid wird.
Soweit meine Ausführungen, lassen Sie mich wissen, wenn Sie noch mehr Auskünfte brauchen.
mit freundlichen Grüssen
Kurt Pärli