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Krankheit in Probezeit - Frist für Kündigung?

Veröffentlicht:
24.09.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Guten Tag 

Es geht um einen Fall im Kanton Bern. Eine Frau hat in einer Institution als Praktikantin, dann aus Auszubildende FaGe gearbeitet (insgesamt 4 Jahre). Nach Abschluss der Lehre ist sie innerhalb der gleichen Institution auf eine andere Gruppe gewechselt mit neuem Arbeitsvertrag und Probezeit. 

Nach einer für die Frau schwierigen Situation auf der Wohngruppe ist sie seit einem Monat krankgeschrieben. Sie hat bis zur Krankschreibung einen Monat gearbeitet. 

Der Arbeitgeber spricht davon, die Probezeit zu verlängern, was nach meinem Wissen um die Dauer der Krankheit möglich ist, oder?

Sollte die Arbeitgeberin der Klientin kündigen, welche Frist aufgrund der Krankheit gilt? Respektive, von welchem Eintrittsdatum in die Institution geht man aus? Vom Eintritt vor vier Jahren oder vom Wechsel auf eine andere Wohngruppe?

Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung und mit freundlichen Grüssen

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Berthold

Gerne beantwort ich Ihre Frage wie folgt (ich gehe davon aus, dass es sich um eine privatrechtliche Anstellung handelt, falls die Anstellung beim Kanton ist und das einschlägige öffentliche Kantonalrecht gilt, müsste die Antwort neu geschrieben werden, lassen Sie mich bitte wissen, wenn dies der Fall ist):

 

Die Probezeit beträgt nach OR maximal drei Monate. In einem Fall wie dem vorliegenden darf nach Abschluss der Lehre keine neue Probzeit vereinbart werden, daran ändert auch nichts, wenn die Arbeitnehmerin einen neuen Arbeitsvertrag erhielt. Sofern und soweit es sicher weiterhin um die gleiche Arbeitgeberin handelt und sofern und soweit die Arbeitnehmerin nicht eine gänzlich andere Arbeit verrichtet (was aufgrund ihrer Sachverhaltsschilderung nicht der Fall zu sein scheint) ist eine erneute Vereinbarung einer Probezeit unzulässig. Daran änderts auch nicht, dass Ihre Klientin für den neuen Arbeitsvertrag mit Probezeit eingewilligt, denn die gesetzliche Bestimmung zur Beschränkung der Probezeit darf nicht vertraglich abgeändert werden (zu Ungunsten der Arbeitnehmer).

Sie fragen weiter nach dem Kündigungsschutz bei Krankheit: Richtig ist Ihr Hinweis, dass eine während der Probezeit auftretende Krankheit die Probezeit verlängern würde (um die Dauer der Krankheit). Vorliegend ist indes eine weitere Probezeit gar nicht zulässig (unter den gegeannten Bedingungen, gleicher Arbeitgeberin, gleiches Beschäftigungsfeld).

Wenn Ihre Klientin gar nicht mehr in der Probezeit ist, gelten die Schutzbestimmungen bei Krankheit in Art. 336c. Ihre Klientin befindet sich im fünften Dienstjahr. Damit geniesst sie während drei Monaten Kündigungsschutz, d.h., eine Kündigung im fraglichen Zeitpunkt wäre nichtig.

Zu bemerken ist aber; ob ihre Klientin während der ganzen Dauer der Krankheit auch einen Lohnananspruch hat, ist abhängig von der Regelung in ihrem Arbeitsvertrag bzw. dem Personalreglement hinsichtlich lohnfortzahlung bei Krankheit. Falls eine Krankentaggeldversicherung vorgesehen ist, besteht der Lohnanspruch fraglos. Falls nicht, schuldet die Arbeitgeberin den Lohn bei Krankheit bei fünft Dienstjahren für eine beschränkte Zeit (Basler-, Berner- und Zürcherskalen, siehe : https://www.arbeitsverhinderung.ch/rechtsfolge/lohnfortzahlungsskalen

Genügen Ihnen diese Auskünfte?

Mit freundlichen Grüssen

 Kurt Pärli

Sehr geehrter Herr Pärli

Danke vielmals für Ihre Rückmeldung.

Es ist eine privatrechtliche Anstellung (gehe ich zumindest davon aus, sie ist bei einer Stiftung angestellt). 

Sie schreiben, dass die Probezeit nach OR maximal drei Jahre beträgt. Ich gehe davon aus, sie meinten drei Monate? Gründet sich die Aussage, dass nach Abschluss der Lehre keine neue Probezeit vereinbart werden kann auf das OR oder auf Gerichtsentscheide?

Wie ist nun das Vorgehen? Die Klientin sucht das Gespräch mit der Arbeitgeberin und teilt ihr mit, dass die Vereinbarung einer Probezeit unzulässig ist? Was ist, wenn die Arbeitgeberin darauf nicht eingeht, wie wäre dann das weitere Vorgehen?

Herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung und mit freundlichen Grüssen

Mara Berthold 

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geeherete Frau Berthold

ja, es gibt Rechtsprechung dazu, auch ist sich die juristische Lehre in dieser Frage weitgehend einig. Hier ein auszug aus dem Zürcher Kommentar von A.Staehelin zu Art ..335b OR:

"Bleibt der Arbeitnehmer nach Abschluss der Lehre oder eines (u.U. unbezahlten) Praktikums in den Diensten des gleichen Arbeitgebers, so wird das Arbeitsverhältnis fortgesetzt und ist die Vereinbarung einer neuen Probezeit unzulässig (BGE 129 III 124, 127; BGer JAR 1998, S. 282 ff.), ebenso wenn der Arbeitsvertrag gekündigt wird und die Parteien sogleich während der
Kündigungszeit einen neuen Vertrag abschliessen (JAR 2004, S. 537; JAR 2000, S. 120; JAR 1998, S. 176; BSK-Portmann, Art. 335b N 5; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Art. 335b N 3; Wyler, S. 330). In all diesen Fällen lernten sich die Parteien schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kennen und stand ihnen zur Erprobung der Verhältnisse genügend Zeit zur Verfügung."

Der Grund ist einfach: Zweck der Probezeit ist das sich gegenseitige Kennenlernen, dieser Zweck wurde mit der Lehre längstens erfüllt.

Was heisst dies nun? Es gibt 2 Handlungsmöglichkeiten:

a) abwarten, falls die Arbeitgeberin kündigt, ist îhr mitzuteilen, dass die Kündigung nichtig ist, da gar keine Probezeit mehr besteht.

b) der Arbeitgeberin die Rechtslage darlegen. Das ist mit Risiken verbunden und kann je nach Umständen erst recht eine Kündigung (die nach Ablauf  der Sperrfrist zulässig ist) bewirken.

Ob a oder b sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen, das kommt auf die Person und auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb an. Ihre Klientin verschenkt sich indes nichts, wenn sie erstmal abwartet, sie kann noch immer im Kündigungsfall reagieren und ihre Rechte werden dadurch nicht geschmälert.

Genügen Ihnen diese zusätzlichen Auskünfte?

Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen

Kurt Pärli

Es hat sich erledigt. Ich danke Ihnen vielmals, Herr Pärli und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. 

Freundliche Grüsse

Mara Berthold