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Krankentaggeldversicherung Probezeit

Veröffentlicht:
10.07.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich habe ein Klient der seit dem 1. Mai im Holzbau als Staplerfahrer tätig ist. Seine Probezeit dauer bis Ende Juli. Seit dem 29. Juni ist er zu 100% krank geschreiben. Ab dem 13. Juli wird er für drei Wochen stationär behandelt, wie es danach genau weiter geht ist noch unklar. 

Gemäss dem GAV Holzbau ist folgendes bzgl Krankentaggeldversicherung geregelt:

b) Versicherungsleistungen: Die Versicherung beinhaltet folgende minimale Leistungen: 80% des Bruttolohnes, 730 Taggelder. Diese Leistungen sind auch zu erbringen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Krankheitsende aufgelöst wird. Die Taggeldleistungen des Kollektivversicherers treten an die Stelle der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Artikel 324a OR. 13.2 Die Nettoprämie der Krankentaggeldversicherung wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden hälftig aufgeteilt. 13.3 Aufschub von Versicherungsleistungen bis max. 30 Tage: Der Arbeitgeber kann einen Aufschub der Versicherungsleistungen von höchstens 30 Tagen vereinbaren (Wartefrist). In diesem Fall entrichtet der Arbeitgeber nach den zwei Karenztagen während der Aufschubzeit 80% des Bruttolohnes. Die üblichen Sozialversicherungsabzüge werden in dieser Zeit dem Mitarbeitenden vom Lohn abgezogen.

Nun meine Frage ist mein Klient bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit schon über die Krankentaggeldversicherung des jetzigen Arbeitgebers versichert? Auch wenn die Kündigung erfolgt, bevor die 30 tägige Karenzfrist verstrichen ist? Sprich ist er bei einer Kündigung während der Probezeit gegen Lohnausfall bei Krankheit  versichert?

Vielen Dank für ihre Antwort.

Frage beantwortet am

Andreas Petrik

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Ineichen

Aufgrund ihrer Ausführungen gehe ich davon aus, dass Ihrerseits keine Zweifel über die Awendbarkeit des GAV bestehen. Der GAV findet Anwendung auf Holzbaubetriebe, ausgenommen sind  Betriebe und Betriebsteile, die ausschliesslich folgenden Leistungen erbringen: Herstellung und/oder Verkauf von Sägereiprodukten; Herstellung und/oder Montage von Doppel- und Hohlraum-böden; Herstellung und/oder Verlegung von Parkettböden. Ebenfalls ausgenommen sind Betriebe, die reine Handelsprodukte, wie Sägereiprodukte, Hobelwaren, verleimtes Konstruktionsholz, verleimte Holzwerkstoffplatten, Boden-, Wand- und Dachbauteile herstellen und verkaufen. Je nach Art des Betriebes wäre die Anwendbarkeit zu prüfen.

Gemäss Art. 37h des GAV beginnt der Verischerungsschutz am ersten vereinbarten Arbeitstag. Dies deckt sich mit den allgemeinenen Versicherungsbedingungen (AVB), wonach der Schutz ab Arbeitsantritt besteht. Nach Ablauf der Aufschubzeit hat ihr Klient damit grundsätzlich Anspruch auf Krankentaggelder.

Der Versicherungsschutz endet zwar grundsätzlich bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Im GAV ist jedoch festgehalten, dass die Versicherungsleistungen auch zu erbringen sind, wenn das Arbeitsverhältnis vor Krankheitsende aufgelöst wird. Auch dies deckt sich in der Regel mit den AVB, wonach die Taggeldleistungen im Falle einer Beendigung des Versicherungsschutzes infolge Auflösung des Arbeitsverhältnisses dennoch erbracht werden, falls im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Um ganz sicher zu gehen, können Sie vom Arbeitgeber verlangen, dass er Sie über die einschlägigen AVB informiert.

Eine andere Frage ist, was während der Aufschubzeit gilt. Gemäss OR endet die Lohnfortzahlung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Im ersten Dienstjahr muss der Lohn bei Arbeitsunfähigkeit auserdem bloss während 3 Wochen weiterbezahlt werden.

IM GAV Holzbau ist diese Frage nicht ausdrücklich geregelt. Klarer ist die Regelung in anderen GAV. Im GAV des schweizerischen Gastgewerbes ist bespielsweise festgehalten, dass der Lohn während der Aufschubzeit auch dann zu bezahlen ist, wenn das Arbeitsverhältnis vor Krankheitsende aufgelöst wird. Für mich ist klar, dass im GAV Holzbau die Absicht bestand, die gleiche Regelung zu treffen. Da es jedoch etwas missverständlich formuliert ist, könnte auch die gegenteilige Auffassung vertreten werden.

Zusammenfassend kann folgendes festgehalten werden: Der Versicherungsschutz besteht ab dem ersten Arbeitstag, womit auch Anspruch auf Krankentaggelder besteht, wenn das Arbeitsverhältnis während der Aufschubzeit aufgelöst wird. Mit Auflösung des Arbeitverhältnisses endet zwar der Verischerungsschutz, die Taggeldleistungen müssen aber dennoch erbracht werden. Schliesslich steht ausser Zweifel, dass die Sozialpartner sicherstellen wollten, dass der Lohn trotz Auflösung des Arbeitsvertrages während der gesamten Aufschubzeit bezahlt werden muss. Wenn ausschliesslich auf den Wortlaut abgestellt wird, könnte auch eine andere Auffassung vertreten werden, wobei diese einer gerichtlichen Überprüfung wohl kaum standhalten würde.

Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen.

Freundliche Grüsse

Andreas Petrik

Sehr geehrter Herr Petrik

Vielen Dank für ihre Erläuterungen. Es handelt sich um den GAV der Holzindustrie, da mein Klient in einer Sägerei arbeitet.  Ändert sich dadurch etwas an der Situation? Der GAV der Holzindustrie äussert sich nicht explizit dazu ab wann der Versicherungsschutz beginnt.

Frage beantwortet am

Andreas Petrik

Expert*in Arbeitsrecht

Sehr geehrte Frau Ineichen

Die Rechtslage ist auch bei Anwendbarkeit des GAV Holzindusitrie dieselbe:

Ab dem 31. Tag der Arbeitsunfähigkeit besteht Anspruch auf Krankentaggelder, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits vorher endet.

Ob zwischen dem Ende des Arbeitverhältnisses und dem Beginn des Anspruchs auf Krankentaggelder Lohn geschuldet ist, ist im GAV nicht ausdrücklich geregelt. Es liesse sich daher auch der Standpunkt vertreten, dass nach Ende des Arbeitsverhältnisses kein Lohnanspruch besteht. Mit Blick auf andere GAV gehe ich jedoch davon aus, dass auch während dieser Zeit Anspruch auf Lohn besteht.

Freundliche Grüsse

Andreas Petrik