Guten Tag,
ich habe folgende Schwierigkeit:
Seit Juni 2017 wird meine Klientin Frau Z. mit wirtschaftlicher Sozialhilfe unterstützt. Frau Z. erlitt im Februar 2017 zwei Hirnschläge und ist seit Mitte Mai 2017 in einem Pflegeheim. Ihre Anstellung bei einem privaten Spitex hat Frau Z. per 31. Mai 2017 verloren. Der eingesetzte Privatbeistand wurde über die Möglichkeit des Übertritts in die Einzeltaggeldversicherung informiert und hat sich mit der Versicherung in Verbindung gesetzt und alles nötige in die Wege geleitet. Schliesslich kam dann die Police und die Rechnung zu mir und ich sollte die Kosten bei der unterstützenden Gemeinde geltend machen.
Ich habe dann Abklärungen vorgenommen, welche bisher nicht sehr zufriedenstellen verlaufen sind:
In einem ersten Telefonat wurde mir klar mitgeteilt, dass auf Grund des zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Krankheitsfalls die Taggeldleistungen bis zum Ablauf der Höchstdauer der Taggeldleistungen weiter bezahlt werden, insofern die Klientin weiterhin arbeitsunfähig ist, ausser es komme zu einem IV-Anspruch. Daraufhin teilte ich mit, dass die Situation der Klientin sehr schlecht aussehe und von einer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit nicht ausgegangen werden kann und die Sozialhilfe unter diesen Umständen die Prämie für die Einzeltaggeldversicherung nicht übernehmen wird, sondern nur, wenn die weitere Zahlung der Taggelder von dem Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung abhänge.
Nun wurde ich kürzlich von der Versicherung wieder kontaktiert und man teilte mir mit, dass die Weitergehende Zahlung der Taggelder nicht so eindeutig sei. Man sprach davon, dass für so genannte Freizügigkeitsfälle keine Nachdeckung bestehe. Im Fall von Frau Z. handle es sich nun um einen solchen Freizügigkeitsfall. Leider konnte man mir nicht sagen, welche Faktoren zu der Einschätzung führen, dass es sich um einen Freizügigkeitsfall handelt. Auch habe ich in den Unterlagen dazu nichts gefunden.
in den Versicherungsbedingungen heisst es: "Nach Erlöschen des Versicherungsschutzes erbringt die Gesellschaft ihre Taggeldleistungen für die innerhalb der Vertragsdauer, längstens jedoch bis zum Beginn einer Rente gemäss BVG. Keine Nachdeckung besteht für Freizügigkeitsfälle oder wenn der Versicherte sein Übertrittsrecht in die Einzelversicherung beansprucht…"
Nun weiss ich nicht, wie ich weiter verfahren soll. Können Sie mir sagen, was in diesem Zusammenhang unter Freizügigkeitsfall zu verstehen ist und ob unter diesen Umständen der Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung notwendig ist, damit das bisherige Taggeld für den seit Februar 2017 bestehenden Krankheitsfall weiterhin fliesst?
Vielen Dank
Franziska Müller
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Tag Frau Müller
Bevor ich konkreter antworte, finden Sie nachfolgend ein paar allgemeine Informationen zum Thema.
Da Krankentaggeldversicherungen mehrheitlich nicht zu den Sozialversicherungen gehören, also zum Privatversicherungsrecht zählen, gibt es grosse Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbietern. Es kommt also immer darauf an, was in der Police und den AVB’s steht. Dementsprechend ist eine konkrete Antwort nicht möglich ohne genaueres zu kennen.
Viele Krankentaggeldversicherer haben sich dem sogenannten Freizügigkeitsabkommen angeschlossen. Es regelt unter anderem den Übertritt einer versicherten Person von einer Kollektivkrankentaggeldversicherung in die andere. Mit diesem Abkommen sollen administrative Aufwendungen für die Versicherer und unzumutbare Härten für die versicherten Personen durch Risikoselektion vermieden werden. So verpflichten sich die Versicherer, welche dem Abkommen angeschlossen sind, beispielsweise keine neuen Vorbehalte anzubringen, wenn eine Person von einer Kollektivversicherung zur anderen wechselt, soweit nicht ein höheres Taggeld oder eine längere Leistungsdauer oder eine kürzere Wartefrist versichert wird.
Das Abkommen regelt auch den Übertritt von der einen zur anderen Versicherung, wenn bereits ein Schadenfall vorliegt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine im Vollpensum angestellte, aber 50% arbeitsunfähige Person die Stelle und damit den Versicherer wechselt aber bereits Taggeldleistungen bezieht. Solche laufenden Schadenfälle gehen ab Datum des Versichererwechsels im Umfang der beim bisherigen Versicherer vorgesehenen Höhe des Taggeldes, der Wartefrist und der Leistungsdauer zu Lasten des neuen Versicherers, sofern der Arbeitnehmer beim neuen Arbeitgeber im gleichen Umfang wie beim bisherigen (also wieder im Vollpensum) angestellt ist. Bei einer Anstellung im Rahmen der Restarbeitsfähigkeit (also neu nur im 50%-Pensum) übernimmt hingegen der bisherige Versicherer den laufenden Schadenfall.
Hat ein Versicherter vor seinem Übertritt bei seinem bisherigen Versicherer Taggeldleistungen bezogen, so werden diese vom neuen Versicherer an die Leistungsdauer angerechnet, sofern es sich um einen Rückfall gemäss den AVB des bisherigen Versicherers oder um einen laufenden Schadenfall handelt.
Nachdeckung heisst, dass das Versicherungsverhältnis nicht mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses endet, sondern 30 Tage länger läuft. Damit sollen Lücken vermieden werden. Wenn hingegen direkt auf das Ende des Arbeitsverhältnisses hin die Versicherung gewechselt wird (z.B. bei Übertritt in die Einzelversicherung), entfällt die Nachdeckung (da ja keine Lücke entsteht).
Nachleistung bedeutet, dass die Taggelder auch nach Ende des Versicherungsschutzes weiterlaufen. Diese kommt dann zum Tragen, wenn das Arbeitsverhältnis endet und darüber hinaus Taggeldleistungen bezogen werden. Im Gegensatz zu den KVG Versicherungen ist bei den meisten VVG Versicherungen ein Übertritt in die Einzeltattaggeldversicherung in solchen Fällen gar nicht notwendig um die laufenden Taggelder weiter zu erhalten (ist aber abhängig von den AVB).
Nun zu Ihrem Fall
Die Nachdeckung ist kein Thema, da die Hirnschläge während dem Arbeitsverhältnis passiert sind. Die Kollektivversicherung der Spitex muss also Leistungen erbringen. Ob dafür ein Übertritt in die Einzeltaggeldversicherung nötig ist, muss der Kollektivversicherer beantworten (und mit AVB Bestimmungen belegen) können. Wie erwähnt ist bei KVG Versicherungen ein Übertritt nötig, bei VVG Versicherungen in der Regel nicht. Es ist gerade in diesem Fall sicher richtig, wenn Sie nur dann einen Übertritt machen, wenn er wirklich notwendig ist um die volle Leistungsdauer ausschöpfen zu können. Ich vermute, dass Sie vor allem mit dem neuen Versicherer kommunizieren. Für den wäre das dann ein Freizügigkeitsfall, also ein Wechsel einer Versicherung (mit bereits laufendem Schadenfall). Ob dieser Wechsel wirklich notwendig ist, entscheiden aber die Regeln der Kollektivversicherung der Spitex.
Freundlicher Gruss
Daniel Schilliger