Lieber Herr Mösch
Meine Frage bezieht sich auf die Koordination von Krankentaggeld im Zusammenhang mit einer Rentensprechung. Meiner Klientin wurde ab 01.08.20 eine halbe IV-Rente gesprochen. Bis dahin hat sie über den Arbeitgeber Krankentaggeld bezogen in der Höhe ihrer Arbeitsunfähigkeit von 50%. Sie arbeitet weiterhin 50% beim gleichen Arbeitgeber. Die Firma hat den Vertrag per 01.08. angepasst von einem 100%-Pensum auf ein 50%-Pensum, dies auf Grund der Rentensprechung.
Die Klientin hat nun Ende August die IV-Rente ausbezahlt bekommen und weiterhin das Krankentaggeld (minus die IV-Rente). Die Nachfrage bei der PK hat ergeben, dass diese erst bezahlt, wenn das Krankentaggeld eingestellt wird, also die Taggelder aufgebraucht sind (in ca. 10 Mt. der Fall).
Ich bin der Meinung, dass die PK-Rente ausbezahlt werden muss, wenn die IV-Rente gesprochen wird (Art. 26 Abs. 1 BVG). Die PK darf zwar in gewissen Fällen die Rentenauszahlung aufschieben, aber nur, wenn ein Taggeld einer Krankenversicherung bezahlt wird, welches mindestens 80% des entgangenen Lohnes deckt und die Krankentaggeld-Versicherung mindestens zur Hälfte durch den Arbeitgeber finanziert wurde (Artikel 26 BVV).
Aus meiner Sicht ist dies bei meiner Klientin nicht der Fall, weil sie ja schon seit vielen Monaten wieder 50% arbeitet (somit nur 50% Taggeld erhält) und nun gar kein Taggeld mehr zu Gute haben sollte, weil meine Klientin ab August gar nicht mehr krankgeschrieben ist im Sinne der Taggeldversicherung, weil sie die verlangte Arbeitstätigkeit gemäss Vertrag (50%) erfüllt und somit keinen Taggeldanspruch mehr zu Gute haben sollte. Aus meiner Sicht müssten die rentenberechtigten % über die IV und PK-Rente gedeckt sein.
Mein Interesse ist natürlich auch, dass so die noch vorhandenen Taggelder «aufgespart» werden können, fall die Klientin erneut krankgeschrieben werden müsste.
Gibt es Argumente, die für den Entscheid der Pensionskasse sprechen? Welches Vorgehen würden Sie mir empfehlen? Und gibt es einen Nachteil für meine Klientin, dass sie den Vertrag nun sozusagen frühzeitig (vor der Auszahlung der PK-Rente) angepasst hat?
Herzlichen Dank für die Rückmeldung
Katrin Schenker
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Liebe Frau Schenker
Der Aufschub der PK-Invaliditätsleistungen richtet sich nach Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2. Koordinationsbestimmungen, welche das Ziel haben eine Überentschädigung zu vermeiden, wenn jemand noch Lohn oder Krankentaggeld zu Gute hat bei Beginn des Anspruchs auf Leistungen nach BVG.
Ein Aufschub verlangt zunächst, wenn dies im Vorsorgereglement vorgesehen ist (BGE 129 V 15). Es lohnt sich also, dieses einzuverlangen und genau zu studieren.
Als weitere Voraussetzung besagt Art. 26 BVV 2 klar, dass BVG-IV-Ansprüche aufgeschoben werden können, wenn die/der Versicherte Taggelder erhält von mind. 80% des entgangenen Lohnes UND wenn diese Taggeldversicherung zudem vom Arbeitgeber zumindest zu 50% finanziert wird. Also ist z.B. kein Aufschub möglich bei Taggeldern aus Einzeltaggeldversicherungen, in die man nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses übergetreten war und aus denen Leistungen erfolgen (BGE 142 V 466).
Was genau unter «entgangenem Lohn» zu verstehen ist im Sinne von Art. 26 BVV 2 ist bislang vom Bundesgericht noch nicht geklärt worden. Es lässt sich unter Verweis auf Vetter-Schreiber (2013), Berufliche Vorsorge, S. 397 durchaus argumentieren, dass es um den Lohn gehen müsse, der vor der Arbeitsunfähigkeit gewährt wurde.
In einer Situation wie hier, wo danach die Arbeitstätigkeit von 100% auf 50% beim selben Arbeitgeber reduziert wird dürfte wohl entscheidend sein, ob belegbar ist, dass diese Reduktion in einem eindeutigen Zusammenhang steht mit der gesundheitlichen Einschränkung, also gerade Folge ist der Einschränkung, welche durch die BVG-IV-Rente abgedeckt werden soll. Dazu sollten entsprechende medizinische Berichte (welche eine solche Reduktion medizinisch gebieten) oder auch Bestätigungen des Arbeitgebers (zum Motiv der Reduktion der Arbeitsstelle) bei der PK eingereicht werden und nochmals darauf verwiesen werden, dass im Sinne von Art. 26 BVV 2 hier der durch die Gesundheitseinschränkung entgangene Lohn gerade nicht zu 80% über ein (paritätisch finanziertes)Taggeld abgedeckt ist. Und deswegen ein Aufschub nicht in Frage kommt. Damit ist die Bestätigung des Anspruchs und die Auszahlung des entsprechenden BVG-IV-Rente einzuverlangen und darauf hinzuweisen, dass ansonsten eine Klage geprüft werden muss.
Bein einer allfälligen negativen Stellungnahme sollten Sie dann mit juristischer Unterstützung eine solche Klage prüfen.
Dabei ist allerdings noch Folgendes zu beachten mit Blick auf die Frage, ob sich dieser mögliche «Rechtsstreit» lohnt: Wenn kein Aufschub erfolgen kann gemäss Reglement ist bei VVG-Krankentaggeldversicherungen weiter in deren Reglement zu prüfen, ob bei einem BVG-Anspruch eine Anrechnung dieser Leistungen an das Krankentaggeld erfolgt UND welche Auswirkung dies auf den Gesamtanspruch hat. Ob sich dieser also, wie Sie hoffen, tatsächlich verlängert.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot