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Krankentaggeld exportierbar nach Deutschland

Veröffentlicht:
28.01.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht

Patient aus Deutschland mit L Bewilligung in der Schweiz, insgesamt 1 1/2J. temporär bei versch. AG gearbeitet, wegen Krankheit hospitalisiert. Austritt März. Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr, jedoch konnte für ihn rückwirkend KTG geltend gemacht werden. Meiner Meinung nach fällt das KTG weg, wenn er nach Deutschland ausreist oder liege ich falsch.

Das AMIGRA hat die Bewilligung bis zum Ende der Hospitalisation verlängert. Danach bezweifle eine Verlängerung, denn er wird wohl nicht mehr erwerbsfähig werden und ein Rentenanspruch ist aktuell offen. WSH kann er nicht beantragen.

Freundlicher Gruss

Frage beantwortet am

Kurt Pärli

Expert*in Arbeitsrecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a OR endet zusammen mit dem Arbeitsverhältnis, soweit die weitere Ausrichtung der Lohnfortzahlung nicht durch die Parteien vereinbart worden ist.

Besteht jedoch eine Taggeldversicherung (heute in der Regel nach VVG),  dann wird das Taggeld grundsätzlich unabhängig vom Bestand eines Arbeitsverhältnisses geleistet. Zu beachten sind aber immer die Bestimmungen  im Versicherungsvertrag und in den  Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB). Häufig wird der Leistungsanspruch über die Dauer des Versicherungsschutzes hinaus einschränkt oder aufgehoben.

In den AVG sind häufig Einschränkungen bei Auslandsbezug vorgesehen Es kommt vor, dass der Versicherungsschutz auf Personen beschränkt ist, die in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein wohnen. Auch gibt es AVB die vorsehen, dass bei Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland automatisch oder nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne kein Leistungsanspruch mehr besteht. 

Ob solche Bestimmungen zulässig sind, ist umstritten.  Soweit, wie bei Ihrem Fall, Staatsangehörige eines EU-Staates betroffen sind,  sind solche Einschränkungen wegen Auslandbezugs in den AVB  problematisch in Bezug auf das Diskriminierungsverbot des Freizügigkeitsabkommens. Da die AVB üblicherweise an den ausländischen Wohnsitz – und nicht an die Staatsangehörigkeit – anknüpfen, ist von einer indirekten Diskriminierung auszugehen. Somit ist das Diskriminierungsverbot von Art. 9 Anhang I zum Freizügigkeitsabkommen FZA anwendbar, das einerseits eine Gleichbehandlung in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (Abs. 1) und andererseits einen Anspruch auf die gleichen sozialen Vergünstigungen (Abs. 2) vorsieht.  

Mit anderen Worten: Bestimmungen in AVB, die vorsehen, dass ein Leistungsanspruch bei Wohnsitzvorlegung nach Deutschland endet, sind im Lichte des FZA unzulässig. Es gibt allerdings zu diesen Fragen keine Gerichtspraxis. Ihr Klient müsste deshalb einen wohl auch mit finanziellen Risiken einhergehenden Prozess gegen die Versicherungsgesellschaft anstreben. Es müsste sich dafür auf jeden Fall anwaltschaftlich vertreten lassen.

Genügen Ihnen diese Auskünfte? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlchen Grüssen

Kurt Pärli