Sehr geehrte Damen und Herren
Ein Klient, welcher von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert und während rund zwei Jahren vorwiegend familiär unterstützt wurde, begann im November 2016 einen neue Arbeit bei einem Arbeitsvermittler (Adecoo). Die beiden Einsatzverträge dauerten jeweils 4 bzw. 6 Tage. Die Einsatzverträge hatten eine maximale Einsatzdauer.
Am zweitletzten Arbeitstag (29. November) erlitt der Klient einen Bandscheibenvorfall. Gemäss seinen Angaben wurden 300kg- Schiebetüren zu sechst getragen. Seit dem ist er arbeitsunfähig. Der Arbeitgeber lehnt eine Lohnfortzahlung ab, da diese erst ab dem 3. Tag vorgesehen ist, ab da hatte er jedoch schon keinen Vertrag mehr.
Insgesamt erhielt der Klient einen Bruttolohn von Fr. 1517.45.
Eine Kündigung aufgrund der Probezeit liegt gemäss unseren Informationen nicht vor. Wir gehen davon aus, dass Adecco für jede vergebene Arbeit einen separaten Einsatzvertrag ausstellt.
Der Klient hat daraufhin Anspruch auf wirtschaftliche Sozialhilfe per 1. Januar 2017 angemeldet.
Der Klient hat Privat eine Krankentaggeldversicherung (VVG) von Fr. 133.00 Wartefrist 31 Tage. Die Taggeldversicherung lehnt jedoch den Anspruch auf Taggeldleistungen ab, da kein Erwerbseinkommen vorliegt. In den AVB ist folgendes festgehalten: "Die Versicherungsgesellschaft gewährt Versicherungsschutz gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit und Geburt im Rahmen der vereinbarten Leistungen. Sie bezahlt den Versicherten den entstandenen und nachgewiesenen Lohn- und Erwerbsausfall bis maximal zur Höhe des versicherten Taggelds."
Der Klient kann jetzt seinen entstandenen Lohnausfall nicht belegen. Er wird beim ehemaligen Arbeitsvermittler nachfragen, ob er wieder angestellt worden wäre. Die Aussichten sind jedoch aufgrund seiner momentanen Arbeitsunfähigkeit gering. Zudem ist er bereits 57 Jahre alt und hat weitere gesundheitliche Beschwerden. Es ist von einer längeren Arbeitsunfähigkeit auszugehen.
Wir sehen die einzige Möglichkeit den Klienten in ein lohnwirksames Beschäftigungsprogramm anzumelden. Mit diesem würde ein Erwerbsfähigkeit entstehen.
Sehen Sie ein anderes Vorgehen? Vielen Dank für Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Philipp Schaller
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Lieber Herr Schaller
In diesem Fall wären die genauen Vertragsrahmenbedingungen bei Adecco noch zu überprüfen. Unter Umständen handelt es sich um einen Personalverleih, womit bei Adecco die Regelung des allgemeinverbindlich erklärten Personalverleih-GAV anwendbar wäre.
Vgl. http://angestellte.ch/assets/Rechtsberatung/GAV-Personalverleih-Mai-2016-2018.pdf.
Dieser sieht eine Lohnfortzahlung bei einer Karenzfrist von zwei Tagen vor. Da beim Personalverleih die Anstellung über den Verleiher erfolgt wäre ab dem dritten Tag, unabhängig vom Ort und Betrieb des Einsatzes, eine Pflicht zur Lohnfortzahlung bzw. zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung bestehend.
Ich rate dazu, in diesem Fall die genauen vertraglichen Bestimmungen beim und mit dem Klienten zu verlangen (Vertrag mit Adecco etc.), um dies überprüfen zu können.
Im Zweifel rate ich Ihnen dazu, die vertraglichen Grundlagen von Seiten einer Rechtsberatung (Gewerkschaft etc.) auf Ansprüche hin überprüfen zu lassen.
Im Weiteren wäre hier zu prüfen, ob der Vorfall nicht eher als Unfall zu werten ist. Das ist vom konkreten Vorgang beim Vorfall abhängig. Im Zweifel ist in Absprache mit dem Arzt eine Unfallmeldung nachzureichen, mit einer genauen Beschreibung des Vorfalls. Vgl. dazu Art. 4 ATSG:
Unfall
Unfall ist die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper, die eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit oder den Tod zur Folge hat.
Hinsichtlich der privaten Einzeltaggeldversicherung handelt es sich hier wohl um eine Schadenversicherung, welche also die Leistungen von einem Lohnausfall durch die Erkrankung abhängig macht.
Tatsächlich wäre hier der Leistungsanspruch gegeben, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass der Klient im Falle seiner ARBEITSFAEHIGKEIT Einsätze und Lohn hätte. Das er wegen der Erkrankung keine aktuellen Möglichkeiten hat spielt keine Rolle. Es genügt, wenn z.B. die Adecco bestätigen würde, dass mit grösster Wahrscheinlichkeit Einsätze und Lohn im Umfang von Y möglich wären, wenn der Klient gesund wäre.
Diese Ansprüche könnten also noch abgeklärt werden. Bezüglich die weitere Möglichkeit eines lohnwirksamen Beschäftigungsprogramms wäre zu prüfen, ob er zu einer solchen Leistung überhaupt in der Lage ist. Je nach Art der Arbeitsunfähigkeit betrifft diese auch die Tätigkeit im geplanten Programm. In einem solchen Fall wäre eine solche Auflage in der Sozialhilfe unzulässig.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot