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Kranken- und Arbeitslosentaggelder während laufendem IV-Verfahren

Veröffentlicht:
03.11.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Eine Person arbeitete mehrere Jahre mit einem Vollzeitpensum und hat die Beitragszeit bei der ALV erfüllt. Sie wird krank und bezieht 720 Krankentag-gelder welche nun bald auslaufen. Eine IV-Anmeldung wurde gemacht und das Verfahren ist bei der IV pendent. Die Person ist zwischenzeitlich zu 20 % arbeitsfähig.

Besteht noch ein Anspruch auf Arbeitslosentaggelder obwohl die zweijährige Rahmenfrist abgelaufen ist? Ist die Arbeitslosenversicherung gegenüber der IV nicht vorleistungspflichtig?

Danke für eine kurze Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr F. 

Ich gehe davon aus, dass in Ihrem Fall schon seit längerem eine Anmeldung bei der ALV erfolgte. 

1. Soweit eine 20%-Restarbeitsfähigkeit besteht und jemand neben der Anmeldung zur ALV auch bei der IV angemeldet ist, besteht in Anwendung von Art. 70 Abs. 1 lit. b ATSG, Art. 15 AVIG und Art. 15 AVIV eine Pflicht seitens der ALV vorläufig die Vermittlungsfähigkeit anzunehmen und in diesem Sinne eine Vorleistung zu erbringen, soweit die anderen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. 

2. In Ihrem Fall wurde die Pflicht zur Taggeldleistung der ALE ersetzt durch die Krankentaggeldversicherung. 

Taggelder von Krankenversicherungen werden von der ALE (Art. 28 Abs. 2 AVIG) abgezogen. Ein Abzug erfolgt dabei nur dann, wenn die Leistungen den gleichen Zeitraum decken. Als anrechenbare Taggelder von Krankenversicherungen gelten sämtliche Erwerbsersatzleistungen der sozialen und privaten Krankenversicherungen nach KVG und VVG. (vgl. C 174 ALE-Praxis, zu finden unter https://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/service/publikationen/kreisschreiben---avig-praxis.html)

3. Gemäss Art. 73 Abs. 2 KVG (auch gültig für Krankentaggeldversicherungen nach VVG: Vgl. Art. 100 Abs. 2 VVG) gilt, dass arbeitslose Versicherte gegen angemessene Prämienanpassung Anspruch auf Änderung ihrer bisherigen Versicherung in eine Versicherung mit Leistungs­beginn ab dem 31. Tag unter Beibehaltung der bisherigen Taggeldhöhe und ohne Be­rücksichtigung des Gesundheitszustandes im Zeitpunkt der Änderung haben. 

Vor diesem Hintergrund gehe ich davon aus, dass in Ihrem Fall während der letzten Jahre bereits 30 Taggelder der ALV geflossen sind, und die Taggeldversicherung diese einbezogen hat mit einem Aufschub und bei der Prämiengestaltung  

4. Unabhängig davon ist mit Blick auf den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nach Ablauf der Rahmenfrist, wie im vorliegenden Fall, zu prüfen, ob für die neue Eröffnung einer Rahmenfrist die Voraussetzungen gegeben sind.

Dafür wäre zwar die Frage der Vermittlungsfähigkeit in Ihrem Fall wegen der Vorleistung möglich. Allerdings kann die Frage der genügenden Vermittlungsfähigkeit und des entsprechenden versicherten Verdienstes mit dem Vorbescheid der IV überprüft werden (BGE 142 V 380)

Zusätzlich müsste zusätzlich zum Zeitpunkt der Eröffnung einer neuen Rahmenfrist die Voraussetzung der Beitragszeit gegeben sein oder ein Grund für die Beitragszeitbefreiung vorliegen. Letzteres könnte der Fall sein, wenn gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG die Beitragszeit nicht erfüllt werden konnte wegen Krankheit. 

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot