Guten Tag
Eine Klientin von mir leidet unter einer starken Hormonstörung mit grossen körperlichen Auswirkungen/Einschränkungen. Die Gynäkologin verschrieb nun die Antibabypille (Cerazette), da diese die einzige Lösung darstellt, alle Symptome und Auswirkungen dieser Hormonstörung erfolgreich zu behandeln. Die Antibabypille wird ausdrücklich nicht gebraucht zu Verhütungszwecken. Eine Zusatzversicherung besteht nicht.
Nun lehnt die KVG die Kostenübernahme aus der Grundversicherung ab. Ich kenne jedoch einen Fall, bei dem dies die KVG übernommen hatte.
Wie müssen wir nun vorgehen, wenn wir trotzdem erreichen möchten, dass die Grundversicherung die Pille aus med. Gründen bezahlt?
Besten Dank für Ihre Antwort und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Imboden
Entscheidend ist, ob das verwendete Präparat für die genannte Anwendung auf der Medikamentenliste steht (vgl. dazu Art. 52 KVG).
Man unterscheide folgende Listen:
SL - die Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit BAG: Diese beinhaltet Medikamente, die im Normalfall von der Grundversicherung nach KVG übernommen werden. Dann weiter die ALT, also die Arzneimittelliste mit Tarif. Hier geht es um Medikamente, die direkt einer Apotheke nach einem ärztlichen Rezept hergestellt werden. Auch sie werden im Normalfall von der Grundversicherung nach KVG übernommen werden.
Dann gibt es die LPPV, also die Liste der pharmazeutischen Präparate mit spezieller Verwendung. Das sind Medikamente, die im Allgemeinen nicht von der Versicherung übernommen werden (Negativliste). Beispiele: Nahrungsergänzungsmittel, Multivitaminpräparate, Schwangerschaftstests. Siehe https://www.lppv.ch.
Zur Information: In weiteren Fällen ist die Übernahme nur im Bereich der Zusatzversicherungen denkbar: So gibt es die Liste der Komplementärmedizin mit Medikamenten, die zur Komplementärmedizin gehören und die NLP, also nichtlistenpflichtige Produkte mit weiteren zugelassenen Medikamenten, die grundsätzlich nicht übernommen werden.
Das von Ihnen genannte Präparat findet sich auf der Liste LPPV. Die Krankenversicherungen müssen also normalerweise die Kosten für diese Produkte nicht übernehmen. Davon bestehen nur ganz wenige Ausnahmen, etwa bei sehr seltenen Krankheiten (vgl. BGE 136 V 395). Im Prinzip ist aber die Spezialitätenliste für die Übernahme durch die KVG-Grundversicherung abschliessend (vgl. BGE 134 V 83).
Eine gewisse Chance, dass die Krankenversicherung die Kosten doch übernehmen könnte wäre wohl nur gegeben, wenn die Ärztin die Notwendigkeit, einen hohen, nicht anders möglichen therapeutischen Nutzen im konkreten Fall zeigen kann, wenn darüber hinaus auch allgemeinen Studien insoweit bestehen und wenn die Anwendung auch wirtschaftlich erscheint.
Allzu gut stehen die Chancen also nicht. Aber ich rate dazu, die Frage hier mit der behandelnden Ärztin zu besprechen, sie zu bitten die konkrete und generelle Eignung und Notwendigkeit des Einsatzes dieses Medikamentes berichtlich zu belegen und dann mit der Krankenkasse in Verbindung zu treten. Möglich ist also hier primär ein Appell an die Kulanz der Krankenversicherung.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Peter Mösch Payot