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Konkubinatsbeitrag - Überprüfung Einkommens- und Vermögensverhältnisse

Veröffentlicht:
03.07.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Schnyder
Wir unterstützten derzeit im Kanton NW einen Mann, der seit mehr als 2 Jahren mit einer Partnerin zusammenlebt (stabiles Konkubinat).
Die Frage, die sich nun stellt ist, auf welcher Rechtsgrundlage und mit welcher Häufigkeit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse DER NICHT UNTERSTÜTZTZTEN PARTNERIN vom Sozialdienst zu überprüfen sind.
Wir möchten unsere Praxis vereinheitlichen und dafür gerne Ihre rechtliche Einschätzung/Empfehlung einfliessen lassen.

  • Sind bei Lohnschwankungen (z. B. bei Anstellung im Stundenlohn) die Lohnabrechnungen monatlich zu verlangen? Oder ist im Sinn von Verhältnismässigkeit und Wirtschaftlichkeit auf einen Jahresdurchschnitt abzustellen?
  • Ist der Vermögensnachweis monatlich lückenlos einzufordern (= detaillierte Kontoauszüge) oder genügt das Einfordern der Kontoauszüge anlässlich der jährlichen Überprüfung des Anspruchs des Antragstellenden?
  • Wie wäre vorzugehen, falls sich die Konkubinatspartnerin während einer laufenden Unterstützung weigert, die Unterlagen vollständig einzureichen? Konkret stellt sich die Frage, ob ein detaillierter Kontoauszug, bei dem der Saldo zwar ersichtlich ist jedoch einzelne Bewegungen abgedeckt sind, akzeptiert werden soll.
    Besten Dank für Ihre Einschätzung.
    Annamaria Dell'Amore

Frage beantwortet am

Anja Loosli Brendebach

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Dell’Amore
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Sie stellen diese an Frau Schnyder. Sie ist ferienhalber abwesend, weshalb ich Ihre Fragen gerne wie folgt beantworte:

  1. Sind bei Lohnschwankungen (z. B. bei Anstellung im Stundenlohn) die Lohnabrechnungen monatlich zu verlangen? Oder ist im Sinn von Verhältnismässigkeit und Wirtschaftlichkeit auf einen Jahresdurchschnitt abzustellen?
    In der Sozialhilfe gilt das Gegenwärtigkeitsprinzip. Grundsätzlich haben somit nur gegenwärtig bedürftige Personen Anspruch auf Sozialhilfe (Art. 17 SHG NW, Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürfigkeit, 2014, S. 255ff.), wobei die Höhe der Unterstützung dem Individualisierungsprinzip (Art. 5 SHG NW) folgt, der Bedarf also je nach Sachverhalt unterschiedlich sein kann und muss. Dabei ist das Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 SHG NW, zumutbare Selbsthilfe) ebenso wie das Verhältnis von Bedarfsdeckungs- und Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten, wobei die Beurteilung des Verhältnisses von Kosten und Nutzen nicht dazu führen darf, dass der im Einzelfall notwendige Bedarf nicht gedeckt wird d.h. unangemessen tiefe Leistungen erbracht werden ((Guido Wizent, Die sozialhilferechtliche Bedürfigkeit, 2014, S. 279f).
    Daraus folgt für mich, dass die unterstützte Person grundsätzlich jeden Monat von der Sozialhilfe den Betrag erhalten soll, auf den sie Anspruch hat bzw. so hoch ihr Bedarf ist. Bei schwankendem Einkommen der Konkubinatspartnerin/des Konkubinatspartners bedeutet dies für mich, dass die Berechnung grundsätzlich erst vorgenommen werden kann, wenn der Lohnbeleg der Partnerin/des Partners des Monats vorliegt. Dies hat zur Folge, dass jeden Monat der Lohnbeleg einverlangt werden müsste, um den Bedarf für den Folgemonat korrekt zu berechnen. Meiner Ansicht nach kann in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips von dieser Regel – monatliches Einverlangen der schwankenden Lohnbelege – abgesehen werden, wenn der Klient/die Klientin mit der grösseren Periode einverstanden ist (er/sie muss dann ja die Einnahmen gut verwalten) oder es sich um kleine betragliche Schwankungen handelt. Allfällige weitere Gründe sind möglich.
  2. Ist der Vermögensnachweis monatlich lückenlos einzufordern (= detaillierte Kontoauszüge) oder genügt das Einfordern der Kontoauszüge anlässlich der jährlichen Überprüfung des Anspruchs des Antragstellenden?
    Wie unter Frage 1 hievor ausgeführt, gilt in der Sozialhilfe das Subsidiaritätsprinzip. Die Sozialhilfe hat also nur zu leisten, wenn keine sonstigen ausreichenden Mittel zur Finanzierung des Lebensunterhalts vorhanden sind, seien dies Einnahmen oder Vermögen. Im Gegensatz zum Thema „Anrechnung Konkubinatsbeitrag“ spielt hier aber das Verhältnismässigkeitsprinzip eine grössere Rolle, da es meist keinen finanziellen Nachteil für die Klienten darstellt, wenn die Kontoauszüge nicht jeden Monat verlangt werden. Je nach Fall kann es tatsächlich ausreichen, die Kontoauszüge nur einmal im Jahr einzuverlangen. Keinen Sinn macht dies dann, wenn Hinweise dafür bestehen, dass die unterstützte Person Einnahmen verschweigt bzw. ein konkreter Verdacht besteht oder die unterstützte Person informiert, dass sie eine Stelle angenommen hat und nun mit Lohneinnahmen zu rechnen ist, die anzurechnen sind.
  3. Wie wäre vorzugehen, falls sich die Konkubinatspartnerin während einer laufenden Unterstützung weigert, die Unterlagen vollständig einzureichen? Konkret stellt sich die Frage, ob ein detaillierter Kontoauszug, bei dem der Saldo zwar ersichtlich ist jedoch einzelne Bewegungen abgedeckt sind, akzeptiert werden soll.
    Nach Art. 19 Abs. 1 SHG NW ist für die Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts ist auf den objektiven Bedarf, nicht auf die persönlichen Bedürfnisansprüche de hilfeempfangenden Person abzustellen. Nach Art. 22 Abs. 1 Lit. 3 SHG NW sind Unterstützungsleistungen zu kürzen, wenn die Einsicht in die Unterlagen verweigert wird. Nach Abs. 2 kann die Sozialhilfe auf Nothilfe beschränkt werden, wenn die Widerhandlung gemäss Abs. 1 schwer ist. Allerdings haben Personen nur dann Anspruch auf Sozialhilfe, wenn ihre Bedürftigkeit feststeht (Art. 17 SHG NW). Für mich bedeutet dies, dass die Unterstützungsleistungen zu kürzen sind, wenn Unterlagen fehlen, die nicht relevant für die Bedürftigkeit sind oder die Bedürftigkeit nicht in Frage stellen, auch wenn der Partner/die Partnerin diese nicht einreicht (allenfalls lässt sich überlegen, keine Kürzung vorzunehmen, wenn die unterstützte Person belegt, dass sie alles versucht hat, damit die Unterlagen eingereicht werden). Fehlen Unterlagen, die die Bedürftigkeit in Frage stellen z.B. ob der Partner/die Partnerin mit dem Konkubinatsbeitrag den Bedarf decken könnte, dann kann der Bedarf nicht berechnet und die Unterstützungsleistungen könnten eingestellt werden. Nicht ausreichend ist meiner Ansicht nach der Saldo eines Kontos, denn in diesem Fall ist unklar, wie hoch die Einnahmen, welche allenfalls bei der Berechnung des Konkubinatsbeitrags zu berücksichtigen sind, sind. Ausreichend scheint mir zu sein, wenn aus den Kontoauszügen der Zeitraum, der Anfangs- und Endsaldo für diesen Zeitraum und die Einnahmen hervorgehen.
    Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben weiterhelfen zu können.
    Freundliche Grüsse
    Anja Loosli Brendebach