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Konkubinatsbeitrag in der Sozialhilfe

Veröffentlicht:
08.07.2025
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Es geht um eine Familie mit vier Kindern im Kanton Aargau, die teilweise von der Sozialhilfe unterstützt wird. Die Eltern sind in ihrem Herkunftsland verheiratet. Hier in der Schweiz ist die Heirat nicht anerkannt, weswegen die Beziehung vom Sozialdienst als stabiles Konkubinat definiert wird. Der Mann ist im Stundenlohn angestellt. Sein Einkommen kann stark variieren, da es Monate gibt, in welchen weniger Arbeit vorhanden ist. In Monaten, in welchen er voll Arbeiten kann, sollte sein Einkommen ausreichen, um die Ausgaben von sich und der vier Kinder decken zu können. Gemäss Sozialdienst werde aus diesem Grund nur die Frau von der Sozialhilfe unterstützt. Für den Mann inkl. den Kindern wird monatlich eine Berechnung für den Konkubinatsbeitrag erstellt.

Beispielsweise im Juni ergab die Beitragsberechnung einen Fehlbetrag von fast CHF 1'300. Der Beitrag der Sozialhilfe für die Frau war ca. CHF 555. Das ergibt immer noch einen Fehlbetrag von CHF 745 der ganzen Familie. Dies sei schon mehrere Monate vorgekommen, was der Sozialdienst bestätigte. Der Sozialdienst könne hier nicht flexibel agieren, da der Mann mit den vier Kindern nicht der Sozialhilfe anhängig sei. Eine Vorkehrung des Sozialdienstes ist es nun, ab Juli eines der vier Kinder in die Unterstützungseinheit der Mutter einzuschliessen und die Kosten für dieses Kind zukünftig zu übernehmen. Es ist noch unklar, ob diese Massnahme bereits ausreicht, um ein Defizit im Familienbudget zu verhindern.

Uns stellen sich in der Beratung mehrere Fragen:

Ist das Vorgehen des Sozialdienstes korrekt? Gibt es keine Möglichkeit flexibel auf den Fehlbetrag der Familie reagieren und diesen ausgleichen zu können? Könnten z. B. nicht alle Kinder mit in die Sozialhilfe eingeschlossen werden? Der Sozialhilfebeitrag würde sich dann jeweils um den Konkubinatsbeitrag des Mannes reduzieren.

Sollte die Frau und der Mann anstreben, dass ihre Heirat auch in der Schweiz anerkannt ist? Wären sie dadurch in Bezug auf die Sozialhilfe bessergestellt? Gäbe es in anderen Bereichen dadurch Nachteile für sie?

Vielen Dank bereits im Voraus.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Frage. Wenn ich Sie richtig verstehe, muss die Familie durch die Handhabung des Sozialdienstes eine Unterdeckung in der Höhe des Fehlbetrages hinnehmen, wenn das Einkommen des Vaters nicht bedarfsdeckend ausfällt. Das dünkt mich aus folgenden Gründen nicht richtig, wobei ich für die Rechtslage etwas ausholen muss.

Gemäss § 12 SPV AG in Verbindung mit § 11 SPG AG handelt es sich beim Elternpaar um eine eheähnliche Gemeinschaft, da es gemäss Ihren Angaben nach Schweizer Recht als nicht verheiratet gilt. Es handelt sich aufgrund der gemeinsamen Kindern genau genommen um eine stabile eheähnliche Beziehung im Sinne von § 11 Abs. 2 SPV AG. Danach ist beim Umfang der anzurechnenden finanziellen Mittel des nicht unterstützten Partners den konkreten Umständen, insbesondere bestehenden Verpflichtungen, angemessen Rechnung zu tragen. Wie diese konkret im Rahmen der Bemessung der materiellen Hilfe umgesetzt werden soll, führt die SPV AG nicht weiter aus. Diese enthält lediglich noch Ausführungen zum Haushaltsführungsbeitrag. Massgebend für diese Frage sind daher die SKOS-Richtlinien (SKOS-RL), welche in der Fassung vom 1. Januar 2025 für den Kanton Aargau verbindlich sind (§ 2a SPV AG). Dies ergibt sich auch aus dem Handbuch Soziales des Kantons Aargau (nachfolgend: Handbuch), welches in den relevanten Kapiteln 6.3 und 10.9. auf die SKOS-RL verweist und wie die SKOS-RL in D.4.4 vom stabilen Konkubinat spricht.

In Kapitel 6.3 führt das Handbuch zunächst zu stabilen Konkubinaten mit Kindern aus, dass diese keine Unterstützungseinheit bilden, d.h. getrennt unterstützt werden. Weiter führt das Handbuch aus: «Ist nur ein Elternteil bedürftig, so ist der Lebensunterhalt des gemeinsamen Kindes vorderhand durch den finanziell selbstständigen Elternteil zu finanzieren. Nur wenn dieser nicht für sich und den Lebensunterhalt des Kindes aufkommen kann, wird das Kind in den Sozialhilfefall des unterstützten Elternteils aufgenommen. Der unterstützte Elternteil bildet sodann mit dem Kind eine Unterstützungseinheit.» Daraus folgt, dass der nicht unterstützte Partner nur für sich und die gemeinsamen Kinder aufkommen muss, wenn er entsprechend finanziell leistungsfähig ist. Ist dies nicht der Fall, dann erhalten die Kinder zusammen mit dem unterstützten Elternteil materielle Hilfe. Dasselbe ergibt sich aus den SKOS-RL Erläuterung d) zu D.4.4: «Es wird erwartet, dass eine nicht unterstützte Person im stabilen Konkubinat zuerst für ihre eigenen Kosten und bei gegebener Leistungsfähigkeit für die vollen Kosten der gemeinsamen, im gleichen Haushalt lebenden Kinder aufkommt.»

Insoweit ist die Handhabung des Sozialdienstes nicht korrekt, wenn dieser die Kinder beim nicht unterstützten Partner belässt, auch wenn seine Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist, um seinen eigenen Bedarf und den Bedarf der Kinder zu decken. In diesem Fall müssen die Kinder in das Budget der Mutter aufgenommen werden. Der Vater muss sodann einen Konkubinatsbeitrag leisten.

Der Konkubinatsbeitrag bemisst sich nach dem Kap. 10.9 des Handbuchs, das die Regeln der SKOS-RL mit dem erweiterte Budget übernimmt. Das Vorgehen bei Konkubinatspaaren wird in der Praxishilfe zum erweiterten SKOS-Budget erläutert S. 2 unter 1. Konkubinatsbeitrag:

"Gemeinsame Kinder:

Wenn die Konkubinatspartner gemeinsame Kinder haben und diese im gemeinsamen Haushalt leben, hat die nicht unterstützte Person bei gegebener Leistungsfähigkeit für deren Bedarf aufzukommen. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit basiert auf einem SKOS-Budget ohne Erweiterungen. Kann der Bedarf durch die nicht unterstützte Person nicht vollständig gedeckt werden, sind die Kinder im Budget der unterstützten Person anzurechnen. In diesem Fall wird der Konkubinatsbeitrag auf Basis des SKOS-Budgets ebenfalls ohne Erweiterungen berechnet."

Insoweit muss der Sozialdienst zunächst ein reguläres Budget (ohne Erweiterungen, S. 1 der Praxishilfe) für den nicht unterstützen Partner mit Kinder erstellen und falls dieses einen Ausgabenüberschuss ergibt, dann müssen die Kinder zusammen mit der Mutter durch den Sozialdienst unterstützt werden. In diesem Fall wird dann der Konkubinatsbeitrag des nicht unterstützten Partners ebenfalls auf Grundlage des regulären SKOS-Budgets berechnet. Dies führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Unterdeckung Konkubinate mit verheirateten Paaren mit Kindern gleichgestellt werden. Insoweit würde eine Heirat zu keiner Verschlechterung mit Blick auf die materielle Hilfe führen, eher zu einer Verbesserung im Sinne der administrativen Vereinfachung. Anders würde es sich verhalten, wenn der Partner über genügend finanzielle Mittel verfügen würde, um die Kinder und sich zu finanzieren, dann würde der Konkubinatsbeitrag an die Partnerin auf Grundlage des erweiterten SKOS-Budgets berechnet werden. Die Besserstellung erschöpft sich in der Berücksichtigung der Erweiterungen auf Seite 1 der Praxishilfe, jedoch ohne Schuldentilgung  (siehe Kasten oben, Praxishilfe S. 2 / 1. Konkubinatsbeitrag).

Nach dem Gesagten erweist sich die bisherige Handhabung als unzulässig, indem der Sozialdienst die Unterdeckung dem nicht unterstützten Partner überliess. Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage einer Nachforderung, hätte doch der Sozialdienst die in der Vergangenheit entstandenen Unterdeckungen finanzieren müssen wie oben dargelegt.

Vor dem Hintergrund der massgebenden Regelungen und dem schwankenden Einkommen des Partners ist es meiner Meinung nach die einfachste Lösung, wenn der Sozialdienst fortan die Mutter zusammen mit den Kindern unterstützt und den anzurechnenden Konkubinatsbeitrag monatlich ermittelt.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder