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Konkubinatsbeitrag/Haushaltsentschädigung oder Elternbeitrag?

Veröffentlicht:
12.01.2023
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir haben folgende Fallkonstellation und Frage:

Frau W. wohnt zusammen mit ihrem Expartner (unverheiratet) und den gemeinsamen Töchtern seit 20 Jahren im selben Haushalt. Frau W. und Herr T. führen keine Bettgemeinschaft und sind kein Liebespaar mehr.

 Frau W. und die Kinder werden vom Sozialdienst unterstützt.  Es besteht eine Unterhaltsvereinbarung. Die dort festgelegten Unterhaltsbeiträge werden erst dann rechtskräftig, wenn der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird.

 Welche der folgenden Berechnung muss im Sozialhilfebudget von Frau W. und den Kinder vorgenommen werden:

  • Konkubinatsbeitrag (weil sie zusammen mit ihren Kindern im selben Haushalt wohnen)?
  • Haushaltsentschädigung (Frau W. arbeitet nicht)?
  • Elternbeitrag für die beiden mitunterstützten Kinder?

 

Vielen Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.

Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Entschuldigen Sie die arbeits- und krankheitsbedingt verzögerte Antwort. Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich um eine Zweck-Wohngemeinschaft, eine familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft (WuLG) oder gar ein stabiles Konkubinat handelt. Massgebend für diese Frage sind im Kanton Bern die SKOS-Richtlinien vom 1.1.21 (SKOS-RL), welche verbindlich sind. Da weder das SHG/BE noch die SHV/BE eine Abweichung von den SKOS-RL vorsehen, sind die SKOS-RL in der vorliegenden Frage alleine massgebend.  Nach der Erläuterung b) zu C.3.2 handelt es sich um eine Zweck-Wohngemeinschaft, wenn folgende Konstellation anzutreffen ist:

  • Darunter fallen Personengruppen, welche mit dem Ziel zusammenwohnen, die Miet- und Nebenkosten gering zu halten. Die Ausübung und Finanzierung der Haushaltsfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) erfolgt vorwiegend nach Unterstützungseinheiten getrennt.

In der Erläuterung b) zu SKOS-RL C.3.1 Abs. 1 werden familienähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaften (WuLG) wie folgt definiert:

  • Darunter fallen Paare oder Gruppen, welche die Haushaltfunktionen (Wohnen, Essen, Waschen, Reinigen usw.) gemeinsam ausüben und/oder finanzieren, also zusammenleben, ohne eine Unterstützungseinheit zu bilden (z.B. Konkubinatspaare, Eltern mit volljährigen Kindern).

Das Konkubinat ist nicht mehr einfach eine WuLG und verändert die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe, wenn es als stabil gilt. D.h. nach 2-jährigem bzw. Kanton Bern 5-jährigem (BKSE Ziff. 2 Stichwort Konkubinat) Zusammenleben oder bei gemeinsamen Kindern (SKOS-RL D.4.4 Abs. 1). Die SKOS weisen aber in der betreffenden Bestimmung darauf hin, dass es sich um eine Vermutung handelt, die wiederlegt werden könne. Auf den vorliegenden Fall bezogen heisst dies, dass aufgrund der gemeinsamen Kinder und des gemeinsamen Haushalts ein stabiles Konkubinat angenommen werden darf. Will das Paar dies in Abrede stellen, ist es an ihm, entsprechende Hinweise beizubringen und zu belegen. Als Eigenschaften des stabilen Konkubinats führen die SKOS-RL in Erl. b) zu D.4.4. Abs. 1 an:

  • Eheähnliche Lebensgemeinschaften [Bemerkung: Gemeint ist das stabile Konkubinat] können ganz unterschiedlich starke Beziehungsgrade zwischen den Partnern aufweisen. Ein stabiles Konkubinat wird durch die Bereitschaft der Partner gekennzeichnet, sich gegenseitig zu helfen und beizustehen und sich allenfalls auch in finanzieller Hinsicht zu unterstützen.

Nicht notwendig ist eine klassische Liebesbeziehung und Bettgemeinschaft. Vielmehr zeichnet es sich über die Bereitschaft aus, sich gegenseitig beizustehen. Merkmale, die für ein stabiles Konkubinat sprechen sind u.a. gemeinsame Ferien, gemeinsame Freizeitgestaltung, gemeinsame Freunde, gemeinsame Verwandtschaftspflege, die Unterstützung bei administrativen Belangen (Behördengänge, Steuererklärung etc.), Vormerkung der Begünstigung bei Pensionskassen, Einräumung von Vollmachten, gemeinsames Konto etc. (siehe dazu auch Guido Wizent, Sozialhilferecht, alphaius, Dike 2020, Rz. 690). Dass getrennte Schlafzimmer bestehen, reicht alleine nicht aus, um die Vermutung des stabilen Konkubinats umzustossen. Vielmehr müssen vorliegend von den Partnern weitere Hinweise beigesteuert werden, die gegen ein stabiles Konkubinat sprechen. Es ist dann an der Sozialhilfe abzuwägen, ob ausreichend Hinweise bestehen, diese auch erwiesen oder überwiegend wahrscheinlich erscheinen, die die Vermutung des stabilen Konkubinats umzustossen vermögen.

Je nachdem wie das Paar vorliegend qualifiziert wird, wirkt sich dies unterschiedlich auf die Bemessung der wirtschaftlichen Hilfe (WSH) aus. Nur mit Blick auf die Einnahmenseite können folgende Unterschiede benennt werden:

  • Zweck-WG: Die nicht bedürftigen WG-Partner müssen keine Entschädigung an die bedürftige Person zahlen (so explizit in Bezug auf die Haushaltsentschädigung SKOS-RL D.4.5 Erl. a).
  • WuLG: Die nicht bedürftigen WuLG-Partner müssen eine sog. Haushaltsentschädigung (in der Höhe begrenzt) zahlen, soweit ihnen finanziell zumutbar und die Hausarbeit geleistet wird oder zumindest (zumutbarerweise) erwartet werden kann (dazu SKOS-RL Erl. a) zu D.4.5 Abs. 1).
  • Stabiles Konkubinat: Der nicht bedürftige Konkubinatspartner muss einen sog. Konkubinatsbeitrag (nicht in der Höhe begrenzt) zahlen (SKOS-RL D.4.4). Dies natürlich auch nur, wenn es die finanziellen Verhältnisse es zulassen.

Ist von einem stabilen Konkubinat auszugehen, ist ein Konkubinatsbeitrag zu prüfen und im Budget aufzunehmen. Dabei gibt es konkrete Regeln, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind (siehe Praxishilfe Ziff. 1, auch die BKSE unter Stichwort Konkubinat). Kann das Paar die Vermutung umstossen, stellt sich die Frage, ob es sich um eine WuLG oder bloss eine Zweck-WG handelt. Wie oben dargelegt, würde bei der WuLG die Haushaltsentschädigung geprüft und angerechnet werden. Die SKOS-Praxishilfe sieht unter Ziff. 3 keine besonderen Regeln vor, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind. Demgegenüber sehen die Richtlinien vor, dass die (Haushalts-)Entschädigung im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit mindestens zu verdoppeln ist, wenn eines oder mehrere Kinder der pflichtigen Person betreut werden (SKOS-RL D.4.5. Abs. 3). Ergibt sich daraus kein angemessener Beitrag an die Kinder, rückt die zivilrechtliche Unterhaltspflicht ins Zentrum. Ob die in der bestehenden Vereinbarung festgelegten Unterhaltsbeiträge angemessen sind, kann ich nicht beurteilen. Es wäre dann sinnvoll, dass das Paar über die KESB (Art. 287 Abs. 1 ZGB) den Unterhalt der Kinder neu festlegen lässt, darin eingeschlossen wäre dann auch ein Betreuungsunterhalt für die Mutter (zum Ganzen siehe die SKOS-RL D.4.2 sowie die Erläuterungen dazu). Im Anschluss daran könnte sodann erneut eine Berechnung der Haushaltsentschädigung, aber ohne Verdopplung für die Kinder, durchgeführt werden, um allenfalls zusätzlich dazu noch eine Haushaltsentschädigung alleine für die Partnerin zu berechnen. Eine Kombination wäre meiner Meinung nach also durchaus möglich, sofern die finanziellen Verhältnisse dies erlauben.

Eine Zweck-WG anzunehmen, scheint mir vorliegend eher fragwürdig. Aber führen Ihre Abklärungen zur Schlussfolgerung, dass nur eine Zweck-WG zwischen den Eltern vorliegt, dann steht die zivilrechtliche Unterhaltspflicht im Vordergrund, welche über die KESB festzulegen bzw. aktualisieren wäre.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder