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Konkubinat - Anspruch auf Sozialhilfe

Veröffentlicht:
14.04.2021
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ein junges Paar (Herr K. und Frau F.) sind im März 2021 in ihre erste gemeinsame Wohnung gezogen. Sie leben zu zweit in einer Wohnung. Im September 2020 haben sie ein gemeinsames Kind bekommen, welches in einer Pflegefamilie fremdplatziert ist.

Herr K. lebt von Sozialhilfe. Er wurde durch die Vorgemeinde unterstützt, dort führte er einen eigenen Haushalt.  
Frau F. lebt von einer IV Rente (der Anspruch auf EL ist in Prüfung). Sie verfügt über ein Vermögen von rund CHF 55'000.-.

Herr K. kümmert sich um Frau F., welche infolge ihrer gesundheitlichen Situation viel Begleitung benötigt. Auch erledigt er sämtliche Aufgaben im Haushalt.

Infolge des gemeinsamen Kindes gehen wir von einer eheähnlichen Beziehung (stabiles Konkubinat) aus (vgl. § 12 Abs. 2 lit. b SPV).
Aus diesem Grund ist ein Konkubinatsbeitrag zu prüfen. Mit dem Einkommen von Frau F. ist es ihr aktuell nicht möglich einen Konkubinatsbeitrag zu zahlen. (Anmerkung: sobald eine EL ausgerichtet wird, wird sich die Berechnung ändern und ein Konkubinatsbeitrag infolge Einkommen kann vermutlich angerechnet werden.)

Das Vermögen von Frau F. ist ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. Handbuch Soziales 10.9).
Beim Vermögen wird auf die Freibeträge gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG verwiesen. SKOS (vgl. F.3 und Praxishilfe erweitertes SKOS-Budget) sowie der Kanton Aargau (vgl. Handbuch Soziales 10.9) kommen zum Schluss, dass wenn eine Konkubinatspartnerin diese Vermögensfreibeträge übersteigt, keine Sozialhilfe ausgerichtet wird.

Folgende Fragen stellen sich uns:
A) Ist die Annahme von einem stabilen Konkubinat (eheähnliche Beziehung) korrekt?
B) Welcher Vermögensfreibetrag wird gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG gewährt?
C) Wie ist konkret vorzugehen, wenn das Vermögen den Freibetrag übersteigt?

Besten Dank für Ihre Bemühungen.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag Frau Woodtli

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage.

Zu A) Annahme stabiles Konkubinat

Wann von einem stabilen Konkubinat bzw. einer eheähnlichen Beziehung im kantonalen Sozialhilferecht auszugehen ist, definiert, wie Sie richtig schreiben, § 12 Abs. 2 lit. b SPV AG. Abweichende, vorrangige Regelungen sind mir dazu nicht bekannt. Danach ist für die Annahme eines stabilen Konkubinats bzw. einer eheähnlichen Beziehung ein gemeinsames Kind ausreichend. Nach § 12 Abs. 1 SPV AG darf eine eheähnliche Gemeinschaft jedoch dann nicht angenommen werden, wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass die Beziehung keinen eheähnlichen Charakter aufweist. Sie schreiben nichts von Einwendungen gegen diese Annahme. Im Gegenteil die Fürsorge durch den unterstützten Partner spricht noch mehr dafür. Insofern scheint mir die Annahme eines stabilen Konkubinats korrekt zu sein.

Zu B) Vermögensfreibetrag beim stabilen Konkubinat

Beim Umfang der anzurechnenden finanziellen Mittel ist den konkreten Umständen, insbesondere bestehenden Verpflichtungen, angemessen Rechnung zu tragen, so § 12 Abs. 1 SPV AG. Nach § 10 SPV AG sind für die Bemessung der materiellen Hilfe die SKOS-RL massgebend, jedoch nicht die aktuellen, sondern jene Stand Januar 2017 (Anhang zur SPV AG). In der Praxishilfe H.10 der SKOS-RL (2017) wird zur Vorrangigkeit des Vermögens Folgendes festgehalten:

«Sofern die leistungspflichtige Person über Vermögen verfügt, welches insgesamt den Vermögensfreibetrag für Leistungen aus Genugtuung und Integritätsentschädigung (vgl. Kapitel E.2.1) übersteigt, ist dieses für den Lebensunterhalt des gesamten Haushalts zu verwenden. Es wird (vorläufig) keine Sozialhilfe ausgerichtet.» Für die Frage des Vermögensfreibetrages für Genugtuung und Integritätsentschädigung verweist die SPV AG in § 11 Abs. 2 hingegen auf das ELG vom 6. Oktober 2006, so dass für diese Frage nicht Kapitel E.2.1, sondern Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG massgebend ist. Die SPV erwähnt nicht, welcher Stand des ELG massgebend ist, so dass aus meiner Sicht vom ELG 6. Oktober 2006 aktueller Stand (2021) auszugehen ist. Danach beträgt bei einer Einzelperson der Vermögensfreibetrag Fr. 30'000 zuzüglich Fr. 15'000 pro minderjähriges Kind mit einer Kinderrente der AHV oder IV oder Waisenrente der AHV (die Rentenberechtigung des Kindes kann im Kontext des Konkubinatsbeitrages jedoch keine Rolle spielen).

Aus meiner Sicht ist in Ihrem Fall für die Konkubinatspartnerin mit dem minderjährigen Kind der Freibetrag von Fr. 45'000 massgebend. Nach den Weisungen zu den Ergänzungsleistungen (WEL) Rz. 3143.13 ist zwar bei Kindern, die in einer anderen Gemeinschaft oder alleine leben, der Vermögensfreibetrag für Alleinstehende zu berücksichtigen, jedoch erscheint es sachgerecht, dieser bei Pflegefamilienaufenthalt beim Elternteil (hier bei der Konkubinatspartnerin) einzubeziehen, damit er für besondere Wünsche des Kindes noch einen finanziellen Spielraum besitzt. Denn die Pflegefamilie würde dafür wohl nicht aufkommen wollen. Diesbezüglich könnte man aber auch eine andere Meinung vertreten, wobei mir keine Rechtsprechung bekannt ist.

Zu C) Übersteigen des Vermögensfreibetrages

Nach der Praxishilfe H.10 (Stand 2017) muss der den Vermögensfreibetrag übersteigende Betrag für den Lebensunterhalt des gesamten Haushalts verwendet werden. D.h. mit dem Überschuss müssen die gesamten Haushaltsausgaben (von ihr und dem unterstützten Konkubinatspartner) inklusive allfällige Besuchskosten des Kindes finanziert werden. Der Überschuss ist insoweit vorrangig zur Sozialhilfe, ist aber nicht nur für den Bedarf der unterstützten Person einzusetzen.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder