Guten Tag
Ich habe für eine Betroffene eine BS gemäss Art. 394 Abs. 1 und 2 ZGB, teilweise i.V.m. Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB. Insbesondere Vertretung für die gesamte Einkommens- und Vermögensverwaltung. Sowie Vertretung in administrativen Angelegenheiten.
Die Klientin ist verheiratet, der Ehemann steht ebenfalls unter BS und lebt im Heim. Das Ehepaar hat Alters-Renteneinkünfte und besitzt zwei Liegenschaften (beide Errungenschaft). Meine Klientin lebt in der einen Liegenschaft und die zweite Liegenschaft ist an den Sohn vermietet, jedoch ohne Vertrag, die Miete wurde nur mündlich vereinbart und wird nicht bezahlt.
Aufgrund der Vermögensverhältnisse hat meine Klientin keinen Anspruch auf EL. Der Ehemann hat Anspruch, jedoch werden die nicht selbstbewohnten Liegenschaften beim Vermögen eingerechnet und es fehlt grundsätzlich an der Liquidität.
Meine Klientin ist nicht kooperativ. Eine Kontaktaufnahme verweigert sie, sei dies telefonisch (Anruf beenden) oder kein Einlass bei persönlichen Besuchen. Dieses Verhalten zeigt sie auch gegenüber meiner Arbeitskollegin und es war auch schon bei der früheren Beistandschaft gleich.
Aufgrund fehlender Identifikation kann ich kein Bankkonto eröffnen für allfällige Geldflüsse. Die Renten des Ehemannes inkassiert meine Kollegin. Die AHV-Rente erhält meine Klientin direkt auf ihr Konto und kommt gemäss meinem bisherigen Kenntnisstand ihren Verpflichtungen nach.
Im Rahmen der Vermögensverwaltung kann ich zusammen mit meiner Kollegin versuchen die Liquidität zu verbessern indem der Verkauf der vermieteten Liegenschaft in Angriff genommen wird.
Wie kann/muss ich nun meinen Auftrag der Einkommensverwaltung erfüllen?
Aufgabenbereiche gemäss Entscheid:
die Betroffene bei der Erledigung der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, ihr gesamtes Einkommen und ihr gesamtes Vermögen sorgfältig zu verwalten (mit Ausnahme eines allfälligen angemessenen Taschengeldes/Lebensunterhalts; unter anderem Zahlung der monatlichen Rechnungen, Erstellen eines Budgetes, allenfalls Schuldensanierung);
die Betroffene bei der Erledigung der administrativen Angelegenheiten zu vertreten, insbesondere im Verkehr mit Behörden, Aemtern, Banken, Post, Sozialversicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen;
einen allfälligen notwendigen Verkauf der Liegenschaft der Betroffenen und/oder ihres Ehemannes in die Wege zu leiten und dem FamGer zur Zustimmung einzureichen;
zu prüfen, ob eine Gütertrennung beantragt werden muss un dem FamGer bis spätestens 15.02.2021 einen begründeten Zwischenbericht einzureichen, ob eine Gütertrennung beantragt wird oder nicht.
Gestützt auf Art. 394 Abs. 2 ZGB soll die Handlungsfähigkeit der Betroffenen bezüglich der folgenden Rechtsgeschäfte eingeschränkt werden:
Verkauf und Verwaltung der vorhandenen Liegenschaften, welche in ihrem und/oder im Eigentum ihres Ehemannes stehen.
Der Beiständin wird die Befugnis erteilt, im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ohne Zustimmung der Betroffenen deren Post zu öffnen sowie - wenn für den Verkauf und/oder die Verwaltung notwendig - deren Wohnräume zu betreten.
(wobei hier zu beachten ist, dass eine Postumleitung nicht möglich ist, da die Beistände nicht über die entsprechenden liquiden Mittel verfügt noch ein Bankkonto einrichten kann aufgrund der fehlenden Indentifikation der Klientin)
Mit freundlichen Grüssen
Regula Wyss
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Grüezi Frau Wyss
Können Sie mir die im Dispositiv genannten Aufgabenbereiche nennen und insbesondere, in welchen Bereichen die Handlungsfähigkeit eingeschränkt wurde?
Freundliche Grüsse
Karin Anderer
Guten Tag Frau Anderer
ich habe die gewünschten Angaben in die Anfrage implementiert.
Mit freundlichen Grüssen
Regula Wyss
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Wyss
Laut Ziffer 32 der Empfehlungen der SBVg (Schweizerischen Bankiervereinigung) und der KOKES (Konferenz der Kantone für Kindes-und Erwachsenenschutz) zur Vermögensverwaltung gemäss Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom Juli 2013 (abrufbar auf https://www.kokes.ch/assets/pdf/de/dokumentationen/empfehlungen/13_20130725-3300-VEB-Empfehlungen_Erwachsenenschutz_SBVg_KOKES_online_d-AKN.pdf) sollten Sie problemlos ein Bankkonto eröffnen können. Ziffer 32 lautet: Die Kundenidentifikation erfolgt nach den Bestimmungen der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (Sorgfaltspflichtvereinbarung, VSB). Die KESB wird mit der VSB14 als öffentliche Stelle gemäss Art. 2 Ziff. 11 c) VSB14 gelten, die solche Echtheitsbestätigungen ausstellen kann. Das bedeutet, dass der KESB-Entscheid für die Bank eine genügende Identifikationsgrundlage darstellt. Es ist äusserst ungewöhnlich, dass Sie so ein Problem mit der Bank haben. Wenn die Bank nun, nach Vorlage der Empfehlungen und ggf. nach Kontakt mit der Filial/Bankleitung weiterhin kein Konto eröffnet, empfehle ich Ihnen den Gang zum „Schweizerischen Bankenombudsman“, siehe http://www.bankingombudsman.ch.
Zum Mietverhältnis: Gemäss den Angaben besteht ein mündlicher Mietvertrag, das ist auch ein Vertrag. Sie werden hier genauere Abklärungen treffen müssen (Anhörung des Sohnes, Bankbelege, bisherige Zahlungen, wer hat die Nebenkosten beglichen usw.) damit Sie wissen, wie hoch der vereinbarte Mietzins ist und wie hoch die Mietzinsausstände. Im Rahmen der Abklärungen hätte die KESB hier eine treuhänderische Analyse vornehmen bzw. das an ein Treuhandbüro delegieren müssen. Im laufenden Mandat sollten Sie „zuschaffen“ können und sich nicht auch noch um solche Basisabklärungen kümmern müssen.
Dass das Ehepaar unter dem Güterstand der Errungenschaft steht, sagt nichts darüber aus, wer Eigentümer der Liegenschaft ist. Dazu benötigt es den Grundbuchauszug, auch hier hätte die finanzielle Ausgangslage gründlich abgeklärt werden müssen. Bei Gesamt- oder Miteigentum müssen die beiden Beiständinnen des Ehepaars gemeinsam handeln (sofern der Ehemann hier auch vertreten wird), bei Alleineigentum die jeweilige Beiständin.
Es erstaunt, dass ein Familiengericht Ihnen die Aufgabe erteilt, die Gütertrennung zu prüfen und ggf. zu beantragen. Warum wurde das nicht anlässlich der Abklärungen getan, zumal die KESB über das juristische Know-how verfügt? Für solch eine Aufgabe sind Sozialarbeitende nicht ausgebildet und man sollte sie damit auch nicht unnötig belasten.
Zum Dispositiv: Ich weiss nicht, ob Sie es wörtlich abgeschrieben haben, wenn ja, folgende Bemerkungen:
1. „die Betroffene bei der Erledigung der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, ihr gesamtes Einkommen und ihr gesamtes Vermögen sorgfältig zu verwalten (mit Ausnahme eines allfälligen angemessenen Taschengeldes/Lebensunterhalts; unter anderem Zahlung der monatlichen Rechnungen, Erstellen eines Budgets, allenfalls Schuldensanierung)“
Taschengeld und Lebensunterhalt sind zwei verschiedene Dinge, mit dem Taschengeld muss man nicht den Lebensunterhalt finanzieren.
Der zweite Teilsatz in der Klammer „unter anderem …..“ ist wohl ein redaktionelles Versehen, es handelt sich nicht mehr um die Ausnahme, sondern um die Aufgaben der Einkommens- und Vermögensverwaltung. Diese Unklarheit sollte berichtigt werden.
2. Gestützt auf Art. 394 Abs. 2 ZGB soll die Handlungsfähigkeit der Betroffenen bezüglich der folgenden Rechtsgeschäfte eingeschränkt werden:
Es muss heissen: Gestützt auf Art. 394 Abs. 2 ZGB ist die Handlungsfähigkeit …. Auch hier dürfte es sich um ein redaktionelles Versehen handeln, das zu berichtigen ist.
Vielleicht dient dieser Fall dazu, dass sich KESB und Sozial/Mandatsdienst, im Rahmen eines Qualitätszirkel mit dem Thema Abklärungen beschäftigen.
Ich hoffe, die Angaben helfen Ihnen weiter und ich grüsse Sie freundlich.
Luzern, 9.1.2021
Karin Anderer
Guten Tag Frau Anderer
Danke für Ihre Ausführungen. Bezüglich Bank ist es so, dass die Bank eine Kopie der ID will zur Eröffnung des Bankkontos. Nach einiges Hin und Her könnte ich dann ein Konto eröffnen. Jedoch habe ich dann immer noch kein Geld um evt. eine Postumleitung bezahlen zu können. Ich müsste also die Rente der Betroffenen auf das BS Konto auszahlen lassen.
Bezüglich der anderen Ausführung teile ich Ihre Meinung. Ich habe alles gemäss Entscheid abgeschrieben. Der Wortlaut stimmt somit überein. Dass wir mehr denn nicht solche "Klärungen" und Grundlagenbeschaffungen durchführen müssen, ist unser Alltag.
Eine Umleitung der Rente ohne Info an die Klientin finde nicht förderlich für eine Zusammenarbeit. Eine Kontaktaufnahme via Kinder ist ebenfalls chancenlos. Es wurde von unserer Seite schon sämtliche möglichen Kontaktaufnahmen versucht.
Im Wissen um die fehlende Kooperation wäre wohl eine punktuelle Einschränkung der Handlungsfähigkeit mit entsprechender Vertretung die bessere Lösung, damit zusammen mit meiner Arbeitskollegin z.B. die im Gesamteigentum stehende vermietete Liegenschaft veräussert werden könnte.
Für stellt sich immer noch die Frage, wie ich dieses Mandat handhaben soll, da die Klientin jeglichen Kontakt verweigert. Was muss ich für die Mandatsführung unbedingt tun ?
Mit freundlichen Grüssen
Regula Wyss
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Sehr geehrte Frau Wyss
Was die Eröffnung des Bankkontos betrifft, verweise ich auf meine Ausführungen. Sie müssen keine Kopie der ID beschaffen, der KESB-Entscheid stellt für die Bank eine genügende Identifikationsgrundlage dar.
Mit dem Auftrag, die Betroffene bei der Erledigung der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten und ihr gesamtes Einkommen und ihr gesamtes Vermögen sorgfältig zu verwalten, haben Sie die Rechtsgrundlage, um die Rente auf das entsprechende Bankkonto überweisen zu lassen. Nach Art. 394 Abs. 3 ZGB muss sich die Klientin, auch wenn die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist, die Handlungen der Beiständin anrechnen oder gefallen lassen. Sie können der AHV-Stelle, mit Ihrem Legitimationsnachweis, das Konto angeben, eine Postumleitung benötigen Sie dazu nicht.
Sie haben bereits die Kompetenz für die Rentenverwaltung und wenn die Klientin Ihnen nicht „dazwischenfunkt“, wäre eine Einschränkung der Handlungsfähigkeit unverhältnismässig. Sie können die Klientin auch schriftlich über das Vorgehen informieren. Ob eine punktuelle Einschränkung der Handlungsfähigkeit, die mit einem Verfahren und einer Anhörung einhergeht, die fehlende Kooperation nicht noch mehr zementiert, das gilt es zu bedenken.
Was den Hauskauf betriff, da haben Sie das Vertretungsrecht und die Handlungsfähigkeit ist, gemäss Dispositiv, für den Verkauf und die Verwaltung der vorhandenen Liegenschaften eingeschränkt. Eine punktuelle Einschränkung der Handlungsfähigkeit liegt hier bereits vor.
Ob hier der Auftrag umzusetzen ist, auch wenn sich die Klientin entzieht und nicht kooperiert oder ob die Massnahme aufzuheben wäre, weil sie untauglich oder wirkungslos ist, das ist zu evaluieren. Sie schreiben, dass die Klientin „gemäss meinem bisherigen Kenntnisstand ihren Verpflichtungen“ nachkommt. Da stellt sich die Frage, ob die Massnahme notwendig ist. Interessant wäre in Erfahrung zu bringen, was Ihre Vorgängerin/ihr Vorgänger bewirken konnte und warum die KESB an der Massnahme festhält oder diese ggf. erweitert hat.
Ich kann Ihnen für die Evaluation das Schema „Qualitätspfad im Kindes- und Erwachsenenschutz“ und die entsprechende Abhandlung dazu von Kurt Affolter empfehlen (Kurt Affolter, Eckpfeiler einer Qualitätsentwicklung zum neuen Erwachsenenschutzrecht, Kapitel II. Ziffer 9 und Schema 2, in FamPra.ch 4/2012, 841, abrufbar auf http://www.affolter-lexproject.ch/Downloads/Eckpfeiler_einer_Qualitaetsentwicklung.pdf.).
Ich hoffe, die Angaben helfen Ihnen weiter.
Freundliche Grüsse
Luzern, 15.1.2021
Karin Anderer