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Klärung gesundheitliche Situation

Veröffentlicht:
17.11.2021
Kanton:
Aargau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Rechtsberatung

Unser KL, geb. 1975, leidet an einem Tourette-Syndrom. Bis vor zwei Jahren konnte er seiner Arbeit gut nachgehen. Leider hat sich seine gesundheitliche Situation verschlächtert. Sein Tourette-Syndrom hat sich verstärkt. Weiter gelingt es ihm nicht mit Druck umzugehen. Aktuell ist er krankgeschrieben. Das detaillierte Arztzeugnis gibt nicht viel Auskunft über die gesundheitliche Situation. Der Arzt empfielt keine Anmeldung bei der IV, da er keine Chancen sieht. Für uns wäre sehr wichtig, zu wissen, welche Diagnose bei ihm noch vorliegt (z.B. Persönlichkeitsstörung, Burnout, etc.). Ist es möglich, eine Auflage zu setzen, damit eine Abklärung beim einem Amtsarzt oder Vertrauensarzt vorgenommen werden kann?

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Hallo

Gerne beantworte ich deine Anfrage.

Die medizinische Untersuchung wird explizit als eine der zulässigen Auflagen in § 13 Abs. 2 lit. e SPG/AG genannt mit dem Zweck, die Lage der unterstützten Person zu verbessern oder für die richtige Verwendung der materiellen Hilfe zu sorgen (§ 13 Abs. 1 SPG/AG). Die Verbesserung der Lage sollte dazu beitragen die gesetzliche Zielsetzung gemäss § 1 Abs. 1 SPG/AG zu erreichen, im konkreten Fall sollte mit der Abklärung der medizinischen Situation letztlich erreicht werden, die wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit von Personen zu erhalten oder wiederherzustellen.

Diesem Ziel verpflichtet sind auch Auflagen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips wie, sich um Arbeit zu bemühen, die Geltendmachung von Leistungen (z.B. der ALV oder IV) oder, eine Behandlung oder Therapie (z.B. Verhaltesntherapie) in Anspruch zu nehmen (vgl. § 13 Abs. 2 lit. a, c und e SPG/AG). D.h. die medizinische Untersuchung dient auch der Abklärung, ob solche Auflagen angezeigt sind.

Generell stellt die medizinische Untersuchung bzw. Abklärung aber eine Sachverhaltsabklärung dar. Aufgabe der Sozialhilfe ist es denn auch, den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären. Dabei ist die unterstützte Person verpflichtet, mitzuwirken. Diese Regeln sind verfahrensrechtlicher Natur und insbesondere im Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Aargau (VRG/AG) verankert. Nach § 24 Abs. 1 VRG/AG darf die Sozialhilfe jene Beweismittel verlangen, die sie nach pflichtgemässem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.

Die Mitwirkung des Klienten kann demnach verlangt werden, wenn im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips die geforderte medizinische Abklärung geeignet, erforderlich und zumutbar ist, um die für die Zielerreichung angezeigten Schritte, Auflagen zu evaluieren.

Zur Geeignetheit: Da eine gesundheitliche Problematik vorliegt, ist die Abklärung zweifellos geeignet, um Klarheit zu verschaffen, wie die Ziele der Sozialhilfe erreicht werden können.

Zur Notwendigkeit: Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Angaben des aktuell behandelnden Arztes nicht ausreichen. Ist er kein Facharzt? Sind die Angaben unvollständig, nicht nachvollziehbar, widersprüchlich, nicht auf umfassender Abklärung beruhend? Ist zu erwarten, dass konkrete Rückfragen nicht weiterhelfen?

Zur Zumutbarkeit: Generell sind solche Abklärungen als zumutbar einzustufen. Vorsicht ist in diesem Punkt bei Personen geboten, die aus ihrer Krankheit hinaus absolut nicht krankheitseinsichtig sind.

Falls der behandelnde Arzt kein Facharzt ist, ist die Notwendigkeit aus meiner Sicht gegeben. Handelt es sich um einen Facharzt, würde ich empfehlen, dem Arzt konkrete Fragen zu stellen. Dabei sind auch jene Fragen zu stellen, die der Sozialdienst dem Vertrauensarzt stellen würde. Zudem müsste der Arzt in die Pflicht genommen werden, wenn er dem Klienten eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestiert, jedoch von einer IV-Anmeldung abrät. Diese Auffassung muss er medizinisch erläutern.

Erweist sich nur die vertrauensärztliche Abklärung als Option, ist vorgängig sorgfältig zu klären, welche Fachdisziplin zu konsultieren ist, gegebenenfalls sind es sogar mehrere.

Ich hoffe, damit deine Frage beantwortet zu haben.

Herzliche Grüsse

Ruth