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Kindesschutz: Zusammenarbeit mit Anwälten im Trennungs- / Scheidungsverfahren

Veröffentlicht:
14.08.2019
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Kindes- und Erwachsenenschutz

Der Sozialdienst führt eine Beistandschaft im Rahmen des Kindesschutzes (nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB). Aufgabe der Beiständin ist u.a.:

  • die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat zu unterstützen; 
  • die Eltern bei der Regelung der Eltern-Kind-Kontakte zu unterstützen und mit den Eltern auf eine regelmässige und verbindliche Kontaktregelung hinzuarbeiten;
  • die Kommunikation zwischen den Eltern auf der Elternebene zu fördern;
  • das Wohl und die Entwicklung des Kindes zu beobachten und, falls nötig, die erforderliche Unterstützung in die Wege zu leiten;
  • eine sozialpädagogische Familienbegleitung einzurichten (solange wie nötig) und die Finanzie­rung zu regeln.

Nun läuft beim Gericht das Trennungsverfahren. Beide Elternteile werden von einem Anwalt vertreten. Das Gericht hat zudem einen Anwalt als Kindesvertreter eingesetzt.

Der Anwalt eines Elternteil möchte nun über alle Gespräch mit dem anderen Elternteil informiert werden. Zudem verlangt er, dass alle E-Mails an die Eltern ihm als CC zugestellt werden. 

Nun unsere Frage: Wie weit ist die Beiständin (rechtlich) verpflichtet, dem Anwalt Auskunft zu erteilen resp. Kopien der Mails ihm zuzustellen?

Frage beantwortet am

Karin Anderer

Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz

Sehr geehrter Herr Zahno

Die Beistandsperson ist Informationsherrin über die von ihr im Rahmen einer geführten Beistandschaft erfassten Daten und Informationen. Die Einsicht in die Akten erfolgt nach dem Gesetz über den Datenschutz (Datenschutzgesetz) vom 25.01.2008, GDB 137.1. Ihr obliegt der Entscheid, ob und wenn ja welche Akten sie Betroffenen und Dritten zugänglich macht.

Die Aktenführung ist eine notwendige Nebenaufgabe des Mandats und die Beistandsperson hat die Pflicht, die Akten ordnungsgemäss zu führen (Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 410, 411 und Art. 413 Abs. 1 ZGB). Welche Akten erstellt werden, liegt im pflichtgemässen Ermessen der Beistandsperson.

Betroffene haben nach dem Datenschutz nur ein Recht auf Einsicht in die eigenen Daten (vgl. Réne Huber, in: Fountoulakis/Affolter-Fringeli/Biderbost/Steck, Hrsg., Fachhandbuch Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, N 22.115 f.). Das informationelle Selbstbestimmungsrecht gehört zu den relativ höchstpersönlichen Rechten (Art. 19c ZGB). Ein urteilsfähiges Kind kann deshalb selbst über die Verwendung der Daten bestimmen, welche sich auf seine Person beziehen. Allerdings sind Eltern über Inhalte und Themen zu informieren, die für die Ausübung der elterlichen Sorge Relevanz haben.

Nach Art. 413 Abs. 2 ZGB müssen die Eltern und das betroffene urteilsfähige Kind darauf vertrauen können, dass die Informationen, welche sie aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses mit der Beistandsperson austauschen, auch vertraulich bleiben. Die Beistandsperson ist nicht verpflichtet, einem beteiligten Elternteil Einsicht zu geben in Aktennotizen oder Protokolle, die sie über Gespräche mit dem Kind oder dem andern Elternteil erstellt. Zwischen Transparenz, dem Schutz überwiegender privater Interessen und den Rahmenbedingungen einer vertrauensbildenden Mandatsführung ist sorgfältig abzuwägen. Die Beistandsperson entscheidet gemäss Art. 413 Abs. 2 ZGB in Eigenverantwortung, ob überwiegende Interessen der grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht entgegenstehen.

In konfliktiven Verhältnissen kommt dem Vertrauensverhältnis besondere Bedeutung zu. Auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben die programmatische Bestimmung in Art. 274 Abs. 1 ZGB in Betracht zu ziehen (alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Aufgabe der erziehenden Person erschwert). Das Akteneinsichtsrecht kann deshalb beschränkt werden, wenn es das familienrechtliche Prinzip von Art. 274 Abs. 1 ZGB und das Kindeswohl gebieten.

So ist z.B. bei hochstrittigen Kindesschutzmandaten, wo Eltern gegensätzliche Interessen haben, die Verschwiegenheitspflicht manchmal höher zu gewichten. Gesprächsinhalte mit Kind und Eltern müssen nicht bekannt gegeben werden, wenn sie nicht der Lösungsfindung dienen.

Die Beiständin ist somit nicht verpflichtet, den Anwalt über alle Gespräche mit dem anderen Elternteil zu informieren. Auch ist sie nicht verpflichtet, alle E-Mails an die Eltern ihm als CC zuzustellen. Nur in die Daten, die die Klientin des Anwalts betreffen, ist eine unbeschränkte Einsicht zu gewähren (Art. 2 Datenschutzgesetz OW).

Der Entscheid der Beistandsperson kann gestützt auf Art. 419 ZGB bei der KESB angefochten werden. Es handelt sich um eine spezialgesetzliche Grundlage, der Rechtsweg orientiert sich nicht am Datenschutzgesetz (vgl. zum Ganzen, Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich, RRB Nr. 884/2014 vom 27.4.2014).

Ich hoffe die Angaben sind nützlich und ich grüsse Sie freundlich.

 

Luzern, 16.8.2019

Karin Anderer