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Kinderzulagen und ALV

Veröffentlicht:
24.11.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Unsere Klientin erhält die Kinderzulagen von Kindsvater weitergeleitet. Er bezieht Arbeitslosentaggeld. Nun hat er immer wieder Einstelltage, womit der Zuschlag für Familienzulagen nicht ausbezahlt wird. Daher hat unsere Klientin mehrmals keine Kinderzulagen erhalten. Nach Anfrage bei der Ausgleichkasse Bern sei es nicht möglich für diese Monate Kinderzulagen als NE anzumelden. Die Kinderzulagen für diese Monate könne man nicht mehr einfordern, ausser beim Kindsvater. Dieser kann die Zulagen aber nicht nachzahlen - aufgrund seiner finanziellen Situation.

Wie kann nun vorgegangen werden? Stimmt die Aussage der Ausgleichskasse Bern? Es besteht wohl kaum Chancen auf Direktauszahlung der KiZu an die Mutter (via NE oder ALV)?

Vielen Dank für Ihre Hilfe.

Freundliche Grüsse

S. Matter, Kanton Bern

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Sina

Zum Anspruch auf Familienzulagen berechtigen Kinder, zu denen ein Kindsverhältnis im Sinne des ZGB besteht. Dazu gehören auc Stiefkinder, Pflegekinder, Geschwister und Enkelkinder der bezugsberechtigten Person, wenn diese für deren Unterhalt in überwiegendem Mass aufkommt (Art. 4 FamZG, Art. 6 FamZV).

Der Anspruch auf die Kinderzulage entsteht ab dem ersten Tag des Geburtsmonats des Kindes. Er erlischt spätestens am Ende des Monats, in dem das Kind das 16. Altersjahr vollendet. Ist das Kind erwerbsunfähig (Art. 7 ATSG), so wird die Zulage bis zum vollendeten 20. Altersjahr ausgerichtet (Art. 3 Abs. 1 Bst. a FamZG). Der Anspruch auf Ausbildungszulage entsteht ab dem Beginn des Monats, in dem das Kind eine nachobligatorische Ausbildung beginnt, jedoch frühestens ab dem Beginn des Monats, in dem es das 15. Altersjahr vollendet. Besucht das Kind nach Vollendung des 16. Altersjahrs noch die obligatorische Schule, so wird die Ausbildungszulage ab dem Beginn des darauffolgenden Monats ausgerichtet.

Die Ausbildungszulage wird bis zum Abschluss der Ausbildung des Kindes gewährt, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in dem es das 25. Altersjahr vollendet (Art. 3 Abs. 1 Bst. b FamZG). Unabhängig davon, ob es eine Erst- oder Zweitausbildung ist etc.

Entspricht das monatliche Einkommen mindestens einem Zwölftel des halben jährlichen Betrages der minimalen vollen AHV-Rente,  so hat eine erwerbstätige Person Anspruch auf Familienzulagen (Art. 13 Abs. 3 FamZG; Art. 34 AHVG).

Gemäss Art. 22 AVIG leistet die ALV subsidiär mit einem Zuschlag zu einer Arbeitslosenentschädigung. Besteht aber für ein Kind Anspruch auf Familienzulage einer erwerbstätigen Person für den gleichen Zeitraum, richtet die ALV keinen Zuschlag aus. 

Dieser Zuschlag gemäss Art. 22 Abs. 1 AVIG wird aber prioritär (und nicht subsidiär) gewährt, wenn die andere anspruchsberechtigte Person nur Anrecht auf Familienzulagen für Nichterwerbstätige hat. 

Beim Zuschlag gemäss Art. 22 AVIG handelt es sich um ein vom Taggeldanspruch abhängiges Nebenrecht. Der Anspruch auf Zuschlag besteht nur, solange der Anspruch auf ein (auch reduziertes) Taggeld gegeben ist. Die versicherte Person erhält einen auf den Tag umgerechneten Zuschlag, der den auf den Tag umgerechneten gesetzlichen Familien- und Ausbildungszulagen entspricht, auf die sie Anspruch hätte, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis stünde.

Bei Anmeldung zum Bezug von ALE muss die Arbeitslosenkasse abklären, ob ein Anspruch gegenüber einem Arbeitgeber bzw. einer Familienausgleichskasse auf Familienzulage besteht. Entspricht das monatliche Einkommen mindestens CHF 592/Monat, so hat die erwerbstätige Person die Zulage bei ihrem Arbeitgeber oder ihrer Familienausgleichskasse geltend zu machen. Allerdings bestehen bei einer Erwerbstätigkeit im EU-/EFTA-Ausland gelten andere Voraussetzungen (vgl. KS ALE 883).

Übt die versicherte Person einen unselbstständigen/selbstständigen Zwischenverdienst gemäss Art. 24 AVIG aus, der ein Einkommen von mindestens CHF 592 monatlich erreicht, so hat die versicherte Person den Anspruch auf Familienzulagen beim Arbeitgeber oder bei der Familienausgleichskasse geltend zu machen. Einkommen aus mehreren Erwerbstätigkeiten werden zusammengezählt.

Schwankt das Einkommen aus Zwischenverdienst(en) um die Grenze von CHF 592 , ist die Zulage (ALV-Zuschlag) für Monate mit einem Verdienst unter dem Grenzbetrag grundsätzlich durch die ALV auszurichten. Um Doppelzahlungen zu vermeiden, muss in solchen Fällen beim zuständigen Arbeitgeber oder der Familienausgleichskasse abgeklärt werden, ob auch in Monaten mit einem Verdienst von unter CHF 592 ein Anspruch auf Familienzulagen gegeben ist oder Zahlungen erfolgen. Bei Aufgabe oder Aufnahme eines Zwischenverdienstes im Laufe eines Monats erhält die versicherte Person den Zuschlag für die Familienzulage, die nicht beim Arbeitgeber oder der Familienausgleichskasse geltend gemacht werden können.

(vgl. dazu C 81 ff. AVIG-Praxis ALE, vgl. arbeit.swiss)

Wichtig ist nun, dass während der Tilgung von Warte- und Einstelltagen der Zuschlag für Familienzulagen auszubezahlen ist (vgl. ALE Praxis C87a).

Vor diesem Hintergrund bleibt der Anspruch auf den Zuschlag, auch bei der Tilgung von Warte- und Einstelltagen. Der entsprechende Betrag muss für das berechtigte Kind beim Arbeitslosen einverlangt werden.

Gemäss Bundesgericht (Urteil 8C_910/2012 vom 03.06.2013) kann der Zuschlag zum Taggeld der Arbeitslosenversicherung nicht über die Regelung bezüglich Drittauszahlung (Art. 9 FamZG) einverlangt werden. 

Die Klientin kann also nur über den Kindesvater den Anspruch einfordern.

Die Auskunft der Ausgleichskasse erscheint vorliegend korrekt.

Ich hoffe, das dient Dir.

Prof. Peter Mösch Payot