Guten Tag
Ich führe eine Beistandschaft für ein Kind mit dem Auftrag Einkommen/Vermögen zu verwalten (Beschränkung der elterlichen Sorge in diesem Teilbereich).
Die Einkommens- und Vermögensverwaltung wurde angeordnet, da der obhutsberechtigte Elternteil Ausgaben des Kindes wie z.B. KK-Prämien, Selbstbehalte oder Elternbeiträge der Fremdplatzierung nicht bezahlt hat.
Was heisst das nun konkret in der Umsetzung betr. des Einkommens, wenn das Kind Anspruch auf eine IV/AHV-Kinderrente des obhutsberechtigten Elternteils oder des alimentenpflichtigen Elternteils hat.
Beim obhutsberechtigten Elternteil mit Rentenanspruch ist diese Kinderrente in der EL-Berechnung mitberücksichtigt und dient dem gewöhnlichen Lebensunterhalt.
Beim obhutsberechtigten Elternteil ohne Rentenanspruch ist diese Kinderrente (Ersatz Alimente) Bestandteil des Familienbudgets für den gewöhnlichen Lebesunterhalt.
Wenn nun die spezifischen Auslagen des Kindes durch die Beiständin bezahlt wurden, wem steht der Restbetrag zu? Wie verhält es sich mit einer Rentennachzahlung (Rentenerhöhung) und/oder der EL, wem steht dieser Betrag zu?
Dem minderjährigen Kind (als Kindsvermögen) oder dem obhutsberechtigten Elternteil zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten der gesamten Familie?
Mit freundlichen Grüssen
Regula Wyss, Beiständin, KESD Region Lenzburg
Frage beantwortet am
Urs Vogel
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Erwägungen
Das Zivilgesetzbuch regelt die Zuordnung und die Verwendung von Kindesvermögen in den Artikel 318 ff. ZGB. So dürfen Erträge des Kindesvermögens (z.B. Kapitalzinsen und andere periodische Leistungen wie Zinsen aus Miet- und Pachtverträgen, gesellschaftsrechtliche Gewinnanteile wie Dividenden, Gewinnausschüttung etc.) gemäss Art. 319 Abs. 1 ZGB für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung sowie die Bedürfnisse des gesamten Haushaltes verwendet werden. In der Praxis spielen die Erträgnisse nur bei grossen Vermögen eine Rolle, was im vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall ist.
Demgegenüber regelt Art. 320 ZGB die Verwendung der Substanz des Kindesvermögens. Dabei sind zwei Vermögenskategorien zu unterscheiden. Gemäss Art. 320 Abs. 1 ZGB dürfen Abfindungen, Schadenersatz oder ähnliche Leistungen von den Eltern in Teilbeträgen für den Unterhalt des Kindes verbraucht werden. Als ähnliche Leistungen kommen nur Leistungen in Betracht, die Unterhaltsersatzcharakter haben, welche also anstelle von oder zusätzlich zu Unterhaltsleistungen gestützt auf Art. 276 ff. ZGB ausgerichtet werden. Alle anderen Vermögenswerte stellen Kindesvermögen nach Art. 320 Abs. 2 ZGB dar und dürfen nur mit Zustimmung der KESB angezehrt werden.
Kinder- und Ausbildungszulagen (Art. 3 Abs. 1 lit. a und b FamZG), periodische (z.B. Art. 35 IVG; Art. 22terAHVG; Art. 17 BVG) wie auch zeitlich befristete Kinderrenten sind für den Unterhalt des Kindes bestimmt und sind zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag der pflichtigen Person zu zahlen (Art. 285a Abs. 1 und 2 ZGB; BK Affolter/Vogel, Art. 320 N 14). Diese Leistungen haben klaren Unterhaltsersatzcharakter und können somit gemäss Art. 320 Abs. 1 ZGB in Teilbeträgen für den Unterhalt und die Lebenshaltungskosten des Kindes, nicht aber für die Lebenshaltungskosten der übrigen Familie verwendet werden (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 320 N 1; CR CC I-Papaux van Delden, Art. 320 N 1; Hegnauer, Grundriss Kindesrecht, Rz. 28.07; Meier/Stettler, DCS, Rz. 964). Werden Teile der Unterhaltszahlungen nicht sofort verwendet und für spätere Aufwendungen zurückgelegt, so sind diese Rückstellungen als ähnliche Leistungen zu qualifizieren und können zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls in Teilbeträgen für das Kind verwendet werden, ohne das dazu eine Zustimmung der KESB notwednig wäre.
Findet auf Grund einer rückwirkend angeordneten Berentung oder auf Grund von Veränderungen im Bedarf eine Nachzahlung von Versicherungsleistungen statt, so handelt es sich ebenso um Unterhaltsersatz. Auch diese Beträge stehen dem Kind zu, dürfen in Teilbeträgen nur für das Kind und nicht für die Lebenshaltungskosten der Familie verwendet werden.
Fazit
Kinderrenten sind Leistungen mit Unterhaltsersatzcharakter und dürfen für die konkreten Lebenshaltungskosten und Bedürfnisse des Kindes (z.B. KK-Prämie, Selbstbehalte, Elternbeiträge, Heimnebenkosten, Anteil an Mietkosten, Ernährung etc.) nicht aber für die Lebenshaltungskosten der übrigen Familie verwendet werden. Ein Überschuss oder eine Nachzahlung stellen weiterhin Kindesvermögen nach Art. 320 Abs. 1 ZGB dar und dürfen, wenn notwendig, für die Bedürfnisse des Kindes verwendet werden. Als Konsequenz ist für das Kind allenfalls ein eigenes Budget zu berechnen, in welchem die entsprechenden Kosten, die auf das Kind entfallen, aufgeführt werden. Entsteht dadurch ein Überschuss, so ist dieser von der Beiständin im Rahmen der Beistandschaft nach Art. 325 ZGB zu verwalten und für weitergehende Bedürfnisse des Kindes zu verwenden, ohne dass dazu eine Zustimmung der KRESB notwendig wäre.
Kulmerau, 20. Januar 2020/Urs Vogel