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Keine Überbrückungs-Unterstützung wegen Autobesitz (Taxifahrer)

Veröffentlicht:
29.03.2018
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Schnyder
Wir haben eine Anfrage betreffend eines Klienten:
Er ist Taxifahrer. Einerseits ist er von einer Firma angestellt anderseits macht er auch Touren mit seinem Privatauto. Nun muss er den Fahrausweis für einen Monat abgeben, da er bei einer Baustelle zu schnell gefahren ist.
Er hat zur Zeit kein Anrecht auf AL-Taggelder, weil er als Taxifahrer extrem wenig verdient und lange Zeit neben der Arbeit noch AL-Gelder bezog.
Als er beim Sozialmt vorsprach, erhielt er ein Schreiben, dass sie ihm wegen dem Auto (angerechneter Wert: ca. 13000 Fr.) keine Sozialhilfe auszahlen, auch wenn er das Auto für die Arbeit brauche.
Gemäss Sozialhilfe-Handbuch haben wir folgendes erfahren:
"Für den Besitz und den Gebrauch von Motorfahrzeugen durch Sozialhilfebeziehende bestehen folgende allgemeine Schranken:
1.Das Motorfahrzeug wird als Vermögen angerechnet. Wenn der Wert des Fahrzeuges über dem Vermögensfreibetrag liegt, ist es zu verkaufen.
2.Der Betrieb und Unterhalt eines Motorfahrzeuges wird den Sozialhilfebeziehenden nicht in das Budget für die Bemessung der Sozialhilfe eingerechnet.
Eine Ausnahme zu den Buchstaben a und b besteht für den Fall, dass ein Motorfahrzeug für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder aus gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich ist oder dass wegen lediglich überbrückender Unterstützung von einer Verwertung abgesehen werden kann. In diesen Fällen ist vor Unterstützungsbeginn die Unterzeichnung einer Rückerstattungsvereinbarung erforderlich."
Die Unterstützung durch die Sozialhilfe gilt als letztes Netz. Vorgelagerte Unterstützung gibt es in diesem Fall keine. RAV Gelder sind ausgeschöpft. Erspartes ist nicht vorhanden, da schon lange in prekärer Arbeitssituation tätig.
Kann in diesem Fall nicht von einer Verpflichtung der Unterstützung durch das Sozialamt ausgegangen werden?
Wie soll der Klient die Miete bezahlen? Wie seinen Lebensunterhalt bestreiten?
Freundliche Grüsse B. Helbling / B. Fischer

Frage beantwortet am

Cathrin Habersaat-Hüsser

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Helbling und Frau Fischer
Besten Dank für Ihre Anfrage. Ihr Klient ist aufgrund der Fallschilderung unselbständig erwerbstätig und es müsste noch geprüft werden, ob die Touren mit dem Privatauto als selbständiger Erwerb eingetragen sind. Dies hat Auswirkungen auf eine längerfristige Sozialhilfeunterstützung, da Selbständigerwerbende in der Regel lediglich überbrückend mit wirtschaftlicher Hilfe unterstützt werden und diese Unterstützung auch an Rahmenbedingungen geknüpft werden kann. Dies, da Selbständigerwerbende grundsätzlich eigenverantwortlich sind und das Geschäftsrisiko selbst zu tragen haben. Auch soll es zu keinerlei Wettbewerbsverzerrungen durch die Unterstützung kommen. Dies wäre zu beachten, wenn eine längerfristige Unterstützung mit wirtschaftlicher Hilfe notwendig wäre. Ihrem Fallbeschrieb entnehme ich jedoch, dass es eher um eine Überbrückung von 1-2 Monaten geht, in denen ihr Klient auf wirtschaftliche Hilfe angewiesen ist, dies aufgrund des Fahrausweisentzuges.
Die Unterstützung durch Sozialhilfe gilt wie Sie richtig festhalten als letztes Netz. So garantiert §14 Sozialhilfegesetz Kanton Zürich (SHG ZH) denn auch, dass Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe hat, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann. Wie mir scheint, ist strittig, ob das Auto als Vermögenswert zu den eigenen Mitteln gehört, und ihr Klient somit in der Lage wäre, für sich und seine Familie ohne Unterstützungsleistungen auszukommen, indem ihm zugemutet werden kann, diesen Vermögenswert zu veräussern.
Gemäss SKOS Richtlinien E.2.1, welche im Kanton Zürich aufgrund § 17 Sozialhilfeverordnung Kanton Zürich (SHV ZH) Gültigkeit haben, zählen Privatfahrzeuge zum anrechenbaren Vermögen. Die SKOS Richtlinie hält zudem fest, dass für die Beurteilung der Bedürftigkeit die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mittel massgebend sind. Es wird ausserdem ein Vermögensfreibetrag gewährt, welcher pro Familie maximal Fr. 10'000 betragen kann. Somit wäre das Auto über diesem Vermögensfreibetrag und grundsätzlich aufgrund des in §14 SHG ZH festgehaltenen Subsidiaritätsprinzips zu verwerten, soweit dies zumutbar ist. So übrigens auch im Behördenhandbuch Kanton Zürich unter Punkt 9.2.01 festgehalten.
In Ihrem Fall stellt sich die Frage dieser Zumutbarkeit bezüglich der Verwertung des Fahrzeuges, da dieses offenkundig für die Erwerbstätigkeit benötigt wird. Im Behördenhandbuch KT ZH unter 9.2.01 sind die allgemeinen Schranken aufgeführt (Ziff. 6): Wenn ein Motorfahrzeug für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich ist, oder es sich lediglich um eine überbrückende Unterstützung handelt, so kann von einer Verwertung abgesehen werden. Auch unter 8.1.08 widmet sich das Behördenhandbuch nochmals dem Autobesitz und legt Ausnahmen fest, wo das Motorfahrzeug nicht zu veräussern ist. Es wird präzisiert, dass keine Verwertung zu verlangen sei, wenn das Motorfahrzeug für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich ist, allerdings bestehe nur Anspruch auf ein zweckmässiges, somit auch günstiges Fahrzeug. Dies bestätigte auch schon entsprechend das Verwaltungsgericht Kanton Zürich, zum Beispiel im Entscheid VB.2003.00407 vom 18.3.2004 in Erwägung E. 2.2.1. Letzteres kann jedoch nicht in Überbrückungssituationen gelten. Bei einer allfällig längerfristigen Unterstützung wäre aber zu prüfen, ob eine Veräusserung und die Beschaffung eines günstigeren Autos im Rahmen des Vermögensfreibetrages zumutbar wäre.
Beide Fälle, die Notwendigkeit zur Benützung des Fahrzeuges für die Berufsausübung als auch die Überbrückung scheint in ihrem geschilderten Falle vorzuliegen, weshalb die Auflage, das Auto zu veräussern als unverhältnismässig erscheint.
Gemäss Behördenhandbuch Kanton Zürich, 8.1.08 ist in solchen Fällen vor Unterstützungsbeginn die Unterzeichnung einer Rückerstattungsvereinbarung erforderlich, wenn das Auto wie im vorliegenden Falle über dem Vermögensfreibetrag nach SKOS liegt. Diese Regelung stützt sich auf § 20 SHG ZH. Damit wird vom Hilfesuchenden verlangt, dass die Leistungen ganz oder teilweise zurückzuerstatten sind, wenn die Vermögenswerte realisierbar werden.
Nach dem Gesagten erscheint nach den Umständen die Veräusserung des Autos als nicht zumutbar, somit liegt eine Bedürftigkeit im Sinne des Gesetzes vor.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Falls Sie noch Fragen haben, dürfen Sie sich gerne jederzeit nochmals melden.
Cathrin Habersaat