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Kein Abschluss Haftpflicht- und Hausratversicherung in der WSH

Veröffentlicht:
15.02.2022
Kanton:
Luzern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Klientinnen und Klienten, welche wirtschaftliche Sozialhilfe beziehen, sind vereinzelt unter Umständen nicht bereit, eine Hausrat- und Haftpflichversicherung abzuschliessen. Dies obwohl die Sozialbehörde die Kosten für den Abschluss einer Haftpflicht- und Hausratversicherung in die Bedarfsberechnung miteinbeziehen würde. 

Wir haben schon Gemeinden gehabt, die sich durch die Klientel einen Haftungsausschluss unterzeichnen lassen haben, so dass sie bei Schäden nicht subsidiär Leistungen erbringen müssen.

Wie sieht diesbezüglich die Haftung der Sozialbehörde aus, wenn die Klientel einen Schaden verursachen und keine Hausrat- oder Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben? Würde allenfalls einen solchen, oben erwähnten und von der Klientel unterzeichneten Haftungsausschluss von Seite der Sozialbehörde rechtlich verheben? Und wie sieht es mit der Haftung der Sozialbehörde aus, wenn die Klientel einen solchen Haftungsauschluss nicht unterzeichnen wollen?

Besten Dank im Voraus für Ihre Rückmeldung.

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Morgen

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwiefern die Sozialbehörde grundsätzlich eine Leistungspflicht treffen würde, wenn in einem konkreten Fall weder eine Hausrat- noch Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden wäre. Bei der Hausratversicherung ist der eigene Haushalt (Möbel, Schmuck, Kleider usw.) gegen Feuer, Leitungswasser, Einbruch, Naturereignisse (Hochwasser usw.) und ggf. weitere Ereignisse versichert. Gegenstand der Haftpflichtversicherung sind Schäden, die der Versicherte gegenüber Dritten verursacht und er deswegen belangt wird. Inwieweit die Sozialhilfe eine Leistungspflicht trifft, ist für die beiden Versicherungsgegenstände unterschiedlich zu beantworten:

  • Schäden am eigenen Hausrat: 

Ist die Wohnungseinrichtung beschädigt, so gehört dies nach SKOS-RL C.6.6 Abs. 1 (wegleitend für den Kanton Luzern gemäss § 31 SHG/LU) zur wirtschaftlichen Hilfe, soweit es die minimale Wohnungseinrichtung betrifft. Wird beispielsweise das Bett durch einen Brand zerstört, würde dies meiner Meinung nach zur minimalen Ausstattung gehören und die Sozialhilfe müsste diese finanzieren, wenn keine Versicherung dafür aufkommt. Über die minimale Wohnungseinrichtung (ein unbestimmter Rechtsbegriff, der den Sozialbehörden einen Ermessensspielraum einräumt) hinaus trifft die Sozialhilfe im Regelfall keine Leistungspflicht, ausser es handelt sich um Gegenstände (z.B. Kinderwagen), die die Sozialhilfe normalerweise als weitere situationsbedingte Leistungen (SKOS-RL C.6.8) finanziert. Soweit die Sozialhilfe im Rahmen der wirtschaftlichen Hilfe keine Leistungspflicht trifft, muss die betroffene Person auf die Wiederanschaffung verzichten, wenn sie diese nicht aus dem Grundbedarf finanzieren kann.

  • Schäden gegenüber Dritten:

Die Haftpflichtversicherung deckt Schäden, die die unterstützte Person einer anderen Person zufügt, vergleiche dazu https://www.ch.ch/de/versicherungen/privathaftpflichtversicherung/. Der Abschluss  der Versicherung ist jedoch nicht obligatorisch – ausser im Bereich der Motorfahrzeuge und vielfach auch bei Hundehaltung. Solche Schäden gegenüber Dritten, wofür die unterstützte Person haftpflichtig wird, sind aber nicht Leistungsgegenstand der wirtschaftlichen Hilfe. Diese umfasst die materielle Grundsicherung gemäss SKOS-RL C.1., welche der bedürftigen Person eine bescheidene und menschenwürdige Lebensführung mit sozialer Teilhabe ermöglichen soll. Auch die darin eingeschlossenen situationsbedingten Leistungen umfassen keine solche Hilfeleistungen. Forderungen von geschädigten Dritten bleiben vielmehr ungedeckt und werden zu Schulden der unterstützten Person (dazu SKOS-RL C.1. Erl. b). Die geschädigte Person hat unter Umständen die Möglichkeit, ihren Schaden zumindest teilweise über eigene Sozial- und Privatversicherungen, ggf. auch der Opferhilfe, zu decken, bei Bedürftigkeit selber wirtschaftliche Hilfe zu beantragen.

  • Eingesparte Prämien? Minimaler Selbstbehalt (SKOS-RL C.6.8)

Wäre es möglich, dass die Sozialhilfe im Umfang der eingesparten Prämien und/oder des minimalen Selbstbehaltes aufkommen müsste? Da die Sozialhilfe den gegenwärtigen und konkreten Bedarf deckt (Bedarfsdeckungsprinzip, SKOS-RL A.3 sowie Erläuterungen dazu), kann meiner Meinung nach kein Anspruch auf die eingesparten Prämien erhoben werden. Beim minimalen Selbstbehalt könnte jedoch die Sozialhilfe entgegenkommen.

  • Zwischenfazit

Die Sozialhilfe trifft bei Haftpflichtfällen keine Leistungspflicht weder gegenüber der unterstützten Person noch gegenüber Dritten. Bei Schäden am Hausrat müsste die Sozialhilfe im Rahmen der wirtschaftlichen Hilfe bzw. nach diesen Grundsätzen Leistungen erbringen.

  • Haftung wegen unterlassener Information?

Die Sozialhilfe könnte aber bei Haftpflichtfällen oder weitergehenden Hausratsschäden leistungspflichtig werden, wenn die unterstützte Person ihr eine unterlassene Aufklärung (vgl. zur Aufklärungspflicht der Organe der Sozialhilfe § 6 SHG / LU) vorwerfen könnte in dem Sinne, dass sie - die unterstützte Person - nicht darüber informiert wurde, dass die Sozialhilfe Hausrat- und Haftpflichtversicherungen finanzieren würde und sie auf den Abschluss solcher Versicherungen verzichtet hatte, weil sie diese nicht finanzieren konnte. Wäre ein solcher Vorwurf an die Adresse der Sozialhilfe gerechtfertigt, wäre es nicht auszuschliessen, dass die Sozialhilfe nach Grundsätzen der Staatshaftung (Haftungsgesetz / LU) für den aus der unterlassenen Versicherung entstandenen Schaden aufkommen müsste.

Insoweit rate ich Ihnen, die Information der unterstützten Person, dass die Sozialhilfe Hausrat- und Haftpflichtversicherungen finanzieren würde, schriftlich zu dokumentieren. Auch wäre eine Information sinnvoll, dass die Sozialhilfe bei Haftpflichtfällen keine Leistungen erbringt und bei Hausratsschäden nur sehr beschränkt und insoweit zum Abschluss solcher Versicherungen geraten wird. Diese Information sollte in verständlicher Weise erfolgen und sollte ebenfalls dokumentiert werden. Dass die unterstützte Person unterschriftlich bestätigt, diese Information erhalten zu haben, ist aus meiner Sicht angezeigt. Verweigert sie die Unterschrift, wäre dies als Aktennotiz festzuhalten. Aus meiner Sicht ist es ausreichend, wenn die Sozialhilfe diese Informationen zusammen mit weiteren Informationen im Sinne eines Merkblatts der unterstützten Person abgibt. Zudem sollte die Sozialhilfe im Einzelfall stets nach dem Vorhandensein dieser Versicherungen fragen (Teil des Untersuchungsgrundsatzes). Falls keine abgeschlossen sind, sollte sie nochmals in der persönlichen Beratung aufklären (Tragweite bei Unterlassen des Versicherungsabschlusses) und zum Abschluss raten, ggf. dabei unterstützen (Teil der persönlichen Hilfe § 24 SHG / LU). Diese Vorgänge sollten als Aktennotiz festgehalten werden.

Gewährleistet die Sozialhilfe diese Aspekte der Aufklärung, Sachverhaltsabklärung und persönlichen Hilfe und sind diese dokumentiert (auch ohne Unterschrift), dann halte ich eine Staatshaftung für eher unwahrscheinlich.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen Ihre Fragen beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse

Ruth Schnyder