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Kann die KTGV die Taggelder wegen Aussteuerung bei der ALV einstellen?

Veröffentlicht:
08.04.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Eine Klientin hat kürzlich ein Schreiben ihrer KTGV erhalten, in welchem ihr mitgeteilt wird, dass die Taggeldversicherung per 30.06.2020 aufgehoben wird. Dies, weil sie per 18.06.2020 bei der ALV ausgesteuert ist. Infolge dessen bestehe aufgrund der Bedingungen in den AVB kein "nachgewiesener Lohn- und Erwerbsausfall" mehr. Die Klientin befindet sich in einem IV-Verfahren und wird demnächst in ein Eingliederungsprogramm einsteigen. Der "nachgewiesene Erwerbsausfall" wäre daher weiterhin gegeben. Denn die Klientin würde ja arbeiten, wenn sie aktuell nicht krank wäre.

Freundliche Grüsse
Sarina Britt

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Liebe Frau B.

Das Problem ist hier der Beweis des Versicherungsfalls. Also die Frage, ob die versicherte  Arbeitsunfähigkeit den Lohn- und Erwerbsausfall zur Folge hat.

Zwar ist es gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung tatsächlich so, dass auch eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Arbeitslosentaggeld (mehr) hat, einen durch die Arbeitsunfähigkeit begründeten Erwerbausfall erleiden kann. Der dann bei VVG-Taggeldversicherungen bei Formulierungen in der AGB wie in casu einen grundsätzlichen Anspruch auf Krankentaggelder zur Folge hätte, wenn die Leistungspflicht noch nicht ausgeschöpft ist.

Die von der Lehre kritisierte Praxis verlangt aber, dass beweismässig mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt ist, dass die versicherte Person eine konkret bezeichenbare (!) Stelle angetreten hätte, wäre sie noch gesund (siehe BGE 141 III 241 m.w.H.; vgl. zur Kritik mit eingehender Begründung: Häberli/Husmann (2015). Krankentaggeld, versicherungs- und arbeitsrechtliche Aspekte, Rz. 246ff.)

Dieser Beweis dürfte bei langen Krankheitsfällen und langer Arbeitslosigkeit je länger je schwieriger, ja fast unmöglich, zu erbringen sein. Möglich wäre er nur, wenn ein Arbeitgeber schriftlich bestätigen würde, dass er die Person anstellen oder wiederanstellen würde, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht wäre (wobei dies wiederum keine Scheinbestätigung sein darf, das wäre eine strafbare Falschbeurkundung). Eine gewisse Chance könnte auch bestehen, wenn während der Arbeitslosigkeit immer wieder Zwischenverdienste generiert wurden (z.B. im Rahmen von Teilarbeitsfähigkeiten).

Ohne dass solche speziellen Belege gegenüber der Versicherung vorgebracht werden können,  dürften aber die Chancen einer Anfechtung im Lichte der geltenden Rechtsprechung sehr gering sein.

Bitte beachten Sie, dass das Bundesgericht im Weiteren entschieden hat, dass der Versicherte trotz der fehlenden Leistungspflicht der Versicherung nicht von der Prämienzahlung befreit ist, solange er den Vertrag nicht kündigt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_7/2011 vom 1.6.2011 E.3) , oder soweit nicht in den AGB etwas anderes steht (was nicht zu erwarten ist). Falls also in casu eine Leistungspflicht ausgeschlossen ist sollte eine Vertragskündigung in Betracht gezogen werden, um nicht Prämien ohne jede Gegenleistungsmöglichkeit bezahlen zu müssen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Peter Mösch Payot

Lieber Herr Mösch Payot

Vielen Dank für Ihre Antwort. Sie hat mich im Schreiben, welches ich im Namen der Klientin an die KTGV geschrieben habe, unterstützt. Als Nachweis, dass die Klientin ohne Krankheit  mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwerbstätig wäre, habe ich einerseits damit argumentiert, dass sie bei Eintritt der Erkrankung noch nicht arbeitslos war, was gem. BGE 141 III 241 ein Vorteil für sie ist. Andererseits habe ich auf das geplante Gespräch mit dem Eingliederungsberater hingewiesen, in welchem es um die Planung der Eingliederungsmassnahmen geht. 

Da die Klientin in den letzten Jahren selbständig erwerbend war, war es leider nicht möglich der KTGV Belege dafür zu liefern, dass sie erwerbstätig wäre, wenn sie nicht krank wäre. 

Freundliche Grüsse
Sarina Britt

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Besten Dank für die Rückmeldung, liebe Frau Britt. Informieren Sie mich über den weiteren Verlauf? Gerne können Sie auch Nachfragen stellen bei Bedarf. Beste Grüsse Peter Mösch Payot

Kann ich gerne machen. Soll ich Sie via Mail informieren?

Freundliche Grüsse
Sarina Britt

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Ja, gerne: moeschpeter@bluewin.ch