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IV Leistungen in Italien

Veröffentlicht:
25.05.2020
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Der Versicherte ist wohnhaft in Italien, seit 12 Jahren Grenzgänger im Tessin. Arbeitete auf dem Bau als Zimmermann (keine Ausbildung). Bei einem Arbeitsunfall (Sturz vom Gerüst) zog er sich eine Paraplegie zu und ist nun auf den Rollstuhl angewiesen.

Er wohnt mit seine Familie (Partnerin und 2 Kindern) in einer Mietwohnung. Die Wohnung muss rollstuhlgängig umgebaut werden. In der Wohnung geht es vor allem um das Badezimmer und um den Zugang zur Terrasse. Um in die Wohnung zu gelangen braucht es einen Treppenlift, damit er die rund 30 Stufen zu bewältigen kann.

Versicherungen: IV, UV (Suva), Krankenversicherung in Italien.

Frage: Wer bezahlt die Umbaukosten der Wohnung in Italien? Wie ist das weitere Vorgehen?

Badumbau: Die IV Tessin stellt einen Zusammenhang her, dass sie nicht zuständig sind, da der Versicherte nicht in der Schweiz krankenversichert ist. Sie haben vorinformiert, dass sie für ihn nur die Hilfsmittel für die Eingliederung (*) übernehmen werden. Ein schriftlicher Entscheid der IV liegt jedoch noch nicht vor. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang mit der Krankenversicherung?

Treppenlift: Das Hilfsmittel ist zwar mit * versehen, aber da sein zukünftiger Verdienst im Moment nicht abgeschätzt werden könne, werden sie auch hier nichts übernehmen.

Bei der ZAS in Genf habe ich die Auskunft erhalten, dass die IV Tessin die Kosten für sämtliche benötigte Umbauten übernehmen müsse. Die IV Tessin scheint dies aber nicht so zu praktizieren. Die italienische Unfallversicherung INAIL hat die Auskunft gegeben, dass man mittels Formular E 123 eine Anfrage an sie stellen müsse und sie sich dann um das weitere Prozedere betreffend Wohnungsumbau kümmern würden (E123 ist jedoch ein Formular der UV und in der Schweiz die IV zuständig).

Wie weiter?

Vielen Dank!

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Rösli.

Eine komplexe Sache. Ich kann Ihnen im Rahmen des Forums erste Hinweise geben.

Mir ist aus den Ausführungen nicht ersichtlich, mit welcher Argumentation die IV die Leistungspflicht ablehnen will im Zusammenhang mit der KVG-Unterstellung.

Ich rate Ihnen aber, auf jeden Fall mit Blick auf die Überprüfung des geplanten IV-Vorbescheids bei Bedarf juristische/anwaltschaftliche Unterstützung beizuziehen, z.B. durch die Procap-Rechtsberatung, bzw. auch der Schweizerischen Hilfsmittelberatung (SAHB).

Erste Hinweise zu den Fragen:

1. Grundsätzlich besteht tatsächlich für Grenzgänger, die in Italien wohnen und in der Schweiz arbeiten, gemäss FZA eine Versicherungspflicht für die Krankenversicherung in der Schweiz (Vgl. VO 883/2004 (Art. 11 Abs. 3 Bst. a); Anhang XI Schweiz Nr. 3 lit. a Ziff. i; VO 883/2004 in der Fassung gemass FZA. Ebenso Art. 1 Abs. 2 lit. d KVV. Der betroffene Grenzganger kann aber gemäss Anhang XI Schweiz Nr. 3 lit. b VO 883/2004 in der Fassung gemass FZA auf Antrag von der Versicherungspflicht in der schweizerischen Krankenversicherung befreit werden, wenn er nachweist, dass er in seinem Wohnstaat für den Krankheitsfall gedeckt ist (siehe BGE 142 V 192). Falls dies hier nicht erfolgt ist, wäre je nach Begründung der IV zu prüfen, ob nachträglich noch eine Aufnahme in die Krankenversicherung möglich ist.

2. Aufgrund des Erwerbsortsprinzips ist in diesem Fall auf jeden Fall auch die IV zuständig: Grundsätzlich gilt gemäss Art. 21ff. IVG und Ziff. 13.05 bzw. 14.05 der Hilfsmittelverordnung sowie dem Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (KHMI), Stand 1.1.2020 für Treppenlifte Folgendes: 

Treppenlifte und Änderungen von baulichen Hindernissen können aus zweierlei Gründen finanziert werden: Einerseits zur Ermöglichung des Bewältigens des Weges zur Arbeit, Ausbildung oder Beschulung, bzw. zur Ermöglichung der Tätigkeit im Aufgabenbereich (vgl. Ziff. 13.05 HVI).

Andererseits zur Selbstsorge bei Treppenhilfen für die Ermöglichung des Verlassens der Wohnstätte als Ersatz für Treppensteighilfen oder Rampen (Ziff. 14.05 HVI). Bei baulichen Änderungen der Bade-, Dusch – und WC-Räumen und weitere Änderungen (Türen verbreitern, Haltestangen, Türschwellen entfernen etc.) (Ziff. 14.04 HVI)

3. Bzgl. Treppenlift ist zu beachten

a) Wurde der Treppenlift finanziert zur Ermöglichung des selbständigen Bewältigens des Weges zur Arbeits-, Ausbildungs- oder Schulungsstätte gilt Folgendes. Soweit es um die Ermöglichung der Erwerbstätigkeit geht, genügt praxisgemäss ein jährlicher Verdienst von 4702 im Jahr, und dass das Arbeitsverhältnis nicht bloss vorübergehend besteht. Haushaltführende haben Anspruch auf die Finanzierung von Treppenliften Allerdings muss dort gemäss der Praxis die Arbeitsfähigkeit im Bereich des Haushalts und der Kinderbetreuung durch das Hilfsmittel erheblich (in der Regel um mindestens 10%) gesteigert werden (vgl. BGer-Urteil 8C_803/2013 vom 30.7.2014; Rz. 2149 KHMI, Stand 1.1.2020)). Bzgl. der Ermöglichung der Beschulung ist notwendig, dass diese noch anhält.

Bei Reparaturen gilt gemäss Art. 7 HVI (HIlfsmittelverordnung), dass diese Kosten bei solchen Treppenliftenzu übernehmen sind, wenn die Reparatur trotz sorgfältigem Gebrauch notwendig wird und soweit nicht jemand Drittes ersatzpflichtig ist (Haftpflicht etc.). Es kann auch eine Kostenbeteiligung verlangt werden.

b) Wurde der Treppenlift aber finanziert im Rahmen von Ziff. 14.05 HVI, zur Ermöglichung der Selbständigkeit, an der Stelle von Treppensteighilfen oder Rampen, so gilt gemäss ausdrücklicher Norm in der HVI, dass für den Einbau höchstens CHF 8000 gewährt werden. Und dass kein Anspruch auf Vergütung von Reparaturkosten besteht. Die Rechtsprechung hat diese Praxis bislang geschützt.

4. Bzgl. Unfallversicherung: Wichtig ist, das genannte Formular E 123 auszufüllen und Ansprüche bei der Schweizerischen Unfallversicherung geltend zu machen, weil sich tatsächlich auch eine Finanzierung durch die Schweizerische Unfallversicherung stellen kann, für Hilfsmittel, Taggelder etc.:

Bei Hilfsmitteln und Eingliederungsmassnahmen sieht Art. 65 ATSG koordinationsrechtlich vor, dass innerstaatlich die Leistungspflicht der Unfallversicherung der IV vorgeht. Der Anspruch auf Hilfsmittel ergibt sich aus Art. 11 UVG und der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Unfallversicherung (HVUV), dazu gehören auch Fahrstühle mit oder ohne elektromotorischen Antrieb, die in casu in Frage kommen könnten. Ein Treppenlift hingegen ist in der Hilfsmittelliste des UVG nicht explizit enthalten. Insoweit gilt wohl das IVG.

Ich hoffe, diese ersten Hinweise unterstützen das weitere Vorgehen.

Prof. Peter Mösch Payot