Guten Tag
Ich arbeite als Sozialarbeiterin in einem sozialpsychiatrischen Zentrum und hatte einen Patienten in der Beratung. Er ist schon lange an zwei Musikschulen angestellt und arbeitet zu 42%. Der Beschäftigungsgrad von 42% ist für ihn gut machbar. Er und seine Frau haben zwei Kinder. Seine Frau arbeitet zu 60% . Der Patient ist zu mir gekommen, da er gern mehr arbeiten möchte aber es aus gesundheitlichen Gründen aufgrund seiner psychischen Verfassung nicht schafft (ADHS, Suchterkrankung). Er möchte sich gern bei der IV anmelden für die Arbeitsleistung, die er gern leisten möchte aber aus gesundheitlichen Gründen nicht leisten kann.
Mir stellt sich die Frage, ob eine Anmeldung sinnvoll ist? Wenn ja, worauf wäre von medizinischer Seite aus zu achten?
Vielen Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Nadja D'Amico
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Abend
Ich empfehle Ihnen zunächst, den Patienten über die Unterstützungsmöglichkeiten der IV aufzuklären und diese mit seinen Erwartungen in Einklang zu bringen. Zentral ist für mich die Frage, was er braucht (verfügt die IV überhaupt über geeignete Massnahmen?) und was er bereits unternommen hat, um seine Arbeitsleistung zu erhöhen (Pflicht zur Selbsteingliederung, ist die Unterstützung der IV gesundheitsbedingt notwendig?). Daran bemisst sich, ob die IV die richtige Ansprechpartnerin ist.
Anhand der wenigen Eckdaten ist schwierig zur beurteilen, ob eine Anmeldung Sinn macht. Unter den beschriebenen Umständen ausgeschlossen werden kann jedenfalls ein Anspruch auf IV-Rente (Diagnosen begründen nicht automatisch eine invalidiserende Gesundheitsbeeinträchtigung, Eingliederung vor Rente, IV-Grad von mind. 40 % bei Anwendung der gemischten Methode). Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen haben jedoch auch ("nur") von einer Invalidität bedrohte Versicherte (siehe Art. 8 Abs. 1 IVG). Aber auch da müssen die Massnahmen notwendig und geeignet sein, um die Erwerbsfähigkeit zu verbessern. Für einzelne Massnahmen bestehen weitere Hürden. Geklärt werden muss daher, wie die Behandler die Arbeitsfähigkeit (angestammt und angepasst) einschätzen und den Status Ihres Patienten (aktuelle Aufteilung freiwillig oder gesundheitsbedingt und Bereitschaft Erwerbsteil zu erhöhen). Sind die Voraussetzungen für einen IV-Beizug offensichtlich nicht erfüllt, empfiehlt sich, den Patienten in der Selbsteingliederung medizinisch zu begleiten (naheliegend ist eine versuchsweise Erhöhung der Pensen bei den bestehenden Arbeitgebern), damit allenfalls die Grundlage für eine spätere Anmeldung geschaffen wird.
Ich hoffe, die Antwort hilft Ihnen weiter.
Freundliche Grüsse
Nadja D'Amico