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Ist die Sozialhilfe verpflichtet, für die außerordentlichen Kosten gemäss Scheidungsvereinbarungen aufzukommen oder werden Personen, welche Sozialhilfe beziehen davon freigesprochen?

Veröffentlicht:
15.02.2023
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ich habe zurzeit einen Klienten in der Sozialhilfe, welcher seit dem Jahr 2018 mit einer gerichtlichen Scheidungsvereinbarung getrennt von seiner Exfrau und seinen Kindern lebt. Die Kinder kommen sporadisch in Besuchswochenenden, in welchen der Klient jeweils eine Entschädigung gemäss den BKSE-Richtlinien erhält. 

Die älteste Tochter ist im Jahr 2022 in eine Ausbildung übergetreten. Damit ist eine Rechnung für Schulmaterial einhergegegangen. Die Mutter der Tochter (folglich die Exfrau des Klienten) beantragt nun, dass die Sozialhilfe für die Hälfte des Schulmaterialgeldes aufkommen müsste, da der Klient vollumfänglich von dieser unterstützt werde. Gemäss dem Scheidungsurteil aus dem Jahr 2018 wurden einerseits Unterhaltszahlungen sowie die Regelung für ausserordentliche Kosten vereinbart. Die ausserordentlichen Kosten müssten die Eltern gemäss Vereinbarung hälftig übernehmen. Zum Zeitpunkt des Urteils wurde beim Klienten von einem Einkommen von monatlich rund CHF 4'500.- ausgegangen. Dies ist jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben. 

Können Sie mir sagen, ob wir im Rahmen der Sozialhilfe nun tatsächlich für die Hälfte der Schulmaterialienkosten aufkommen müssen? Gibt es eine rechtliche Grundlage, auf die wir uns beziehen können? 

In der Absprache mit meinem Team konnte ich leider keine konkreten Hinweise finden. 

Bereits im Voraus bedanke ich mich herzlich für Ihre Unterstützung und eine Rückmeldung. 

Mit freundlichen Grüssen

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Die Schulmaterialkosten gehören zu den Ausbildungskosten der Tochter. Die Tochter lebt bei der Mutter, während der von Ihrem Sozialdienst unterstützte Vater sporadisch das Besuchsrecht ausübt. Insofern steht fest, dass der sozialhilferechtliche Unterstützungswohnsitz der Kinder sich bei der Mutter befindet (interkantonal Art. 7 Abs. 2 ZUG und innerkantonal Art. 46 SHG/BE mit Verweis auf das ZUG). Die Ausbildungskosten gehören zum Kindesunterhalt nach Art. 276 ZGB, wofür die Eltern aufkommen müssen, sei dies als ordentliche oder ausserordentliche Kosten. In der BKSE unter dem Stichwort «Kindesunterhalt (inkl. Volljährige in Ausbildung)» werden die wesentlichen Aspekte zum Kindesunterhalt dargelegt. Bei Ihrem Fall kommt der letzte Absatz unter Ziff. 7 zum Tragen:

Schuldet eine unterstützte Person einer anderen (nicht unterstützten) Person Unterhaltsbeiträge, übernimmt die Sozialhilfe diese nicht. Unterhaltsbeitragsschulden werden somit im Budget der unterstützten Person nicht als Ausgabe berücksichtigt. Für ein Kind kann sich der gesetzliche Vertreter, wenn ein Elternteil die Unterhaltsbeiträge nicht leistet, die Unterhaltsbeiträge in der Regel vom Gemeinwesen bevorschussen lassen.

Diese Erläuterung stützt sich auf C.1 der SKOS-RL , welche für den Kanton Bern verbindlich sind, soweit Gesetz und Verordnung keine Abweichungen enthalten. Nach der Erläuterung b) zu SKOS-RL C.1 zählen unter anderem die Unterhaltsbeiträge nicht zu den Sozialhilfeleistungen. Der Grund ist, dass Alimentenverpflichtungen nicht der Existenzsicherung der unterstützten Person dienen, sondern jener Kinder (oder Ehegatten), die nicht im gleichen Haushalt leben.

Wie bereits eingangs erwähnt, gehören die Schulmaterialkosten zu den Unterhaltskosten des Kindes, das sich nicht in der Unterstützungseinheit (dazu SKOS-RL C.2 Abs. 2) mit dem Vater befindet. Es sind keine Kosten, welche zur Existenzsicherung des Vaters gehören. Insofern ist Ihr Sozialdienst nicht verpflichtet, die Hälfte dieser Kosten zu finanzieren.  

Abschliessend noch folgende Nebenbemerkung: Aus unterhaltsrechtlicher Sicht müsste geprüft werden, ob es sich bei Schulmaterialkosten tatsächlich um ausserordentliche Kosten handelt, oder ob diese nicht im ordentlichen, vom Gericht festgelegten regelmässigen Unterhalt gehören, welcher im vorliegenden Fall womöglich von der Alimentenhilfe bevorschusst wird.

Ich hoffe, Ihnen damit ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder