Guten Tag
Die Kündigung würde per 31.07.2022 ausgesprochen. Als Kündigungsgrund werden die Fehlzeiten wegen der Betreuung des kranken Kindes angegegeben.
Das Kind (Jg 2021) ist immer wieder einmal krank und meine Klientin muss während der Krankheit 1-2 Tage zuhause bleiben. Sie ist als Physiotherapeutin in einer Arztpraxis angestellt mit einem Pensum von 50% angestellt. In Folge der Abwesenheiten würde sie Patienten verlieren. Meine Klientin holt jeweils die Arbeitstage an ihren Frei-Tagen oder an Samstagen nach.
Ist die Kündigung rechtens?
Besten Dank für die Antwort.
Frage beantwortet am
Kurt Pärli
Expert*in Arbeitsrecht
Guten Tag
Gerne benatworte ich Ihre Frage wie folgt:
Ich gehe davon aus, dass es sich um ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis handelt und folglich die Bestimmungen des OR anwendbar sind.
Wenn es wie vorliegend um Arbeitnehmende geht die Betreuungspflichten gegenüber minderjährigen Kindern wahrzunehmen haben, ist vorab daran zu erinnen, dass der Gesetzgeber per 1.1.2021 eine neue Regelung eingeführt hat (Art. 36 Arbeitsgesetz und Art. 329h OR). Demnach besteht für Arbeitnehmende ein Rechtanspruch darauf, für die notwendige Betreuung von erkrankten Familienangehörigen, also auch Kindern, bis zu drei Tagen bezahlten Urlaub zu beziehen. Pro Jahr ist der gesamte Anspruch auf - immerhin -10 Tage beschränkt. Mit anderen Worten; ihre Klientin hatte seit dem 1.1.2021 einen gesetzlichen Anspruche auf bezahlten Betreuungsurlaub. Sie hätte die verpasste Zeit also auch nicht nachholen müssen.
Nun erwähnen Sie, dass die Arztpraxis ihrer Klientin wegen des häufigen Fehlens im Zusammenhang mit der notwendigen Kinderbetreuung gekündigt wurde.
Diese Kündigung ist wie folgt zu beurteilen: Grundsätzlich geht auch das schweizerische Arbeitsrecht von der Kündigungsfreiheit aus. Eine Kündigung ist auch ohne sachlichen Gründ möglich. Das Gesetz sieht allerdings gewisse Sperrzeiten vor, während derer eine Kündigung nichtig ist. Diese Konstellationen sind in Art. 336c OR geregelt (krankheits- oder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit, Schwangerschaft +16 Wochen nach Niederkunft, Militärdienst usw.). Die Betreuung des kranken Kindes im Rahmen des Betreuungsurlaubes nach Art. 329h OR ist nicht erfasst, d.h. eine Kündigung während oder nach des (kurzzeitigen) Betreuungsurlaubes fällt nicht unter Art. 336c OR und ist deshalb gültig. (Anders verhält es sich bei einem Betreuungsurlaub für die Betreuung eines schwerkranken oder behinderten Kindes, Art. 329i OR in Verbindung mit den Bestimmungen im EOG, diese Regelung ist aber soweit ersichtlich hier vorliegend nicht einschlägig).
Auch eine gültige Kündigung kann missbräuchlich sein, die Regelungen dafür finden sich in Art. 336 , 336a und 336b OR. Missbräuchlich ist eine Kündigung u.a., Eine Kündigung ist u.a. dann missbräuchlich, wenn sie erfolgt, weil der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmer eine gesetzliche Pflicht wahrgenommen hat. Die Betreuung der eigenen Kinder ist eine solche gesetzliche Pflicht. Es liegt also der Verdacht nahe, dass die Kündigung missbräuchlich ist. Die Rechtsfolge besteht nun wie erwähnt nicht etwa darin, dass die Kündigung ungültig wäre. Auch eine missbräuchliche Kündigung ist eine gültige Kündigung. Aber, die Missbräuchlichkeit einer Kündigung hat eine Pönalentscheidung von bis zu sechs Monatslöhnen zur Folge (die Gerichte sind sehr zurückhaltend, in einem Fall wie dem vorliegenden wird kaum mehr als 1-2 Monatslöhne ausgerichtet werden.
Wichtig sind die Verfahrensvorschriften. Wer die Missbräuchlichkeit einer Kündigung einklagen will, muss noch vor Ablauf der Kündigungsfrist bei der Arbeitgeberin schriftlich Einsprache erheben. Wenn die Arbeitgeberin die Kündigung nicht zurücknimmt oder es sonst zu einer Einigung kommt, kann während 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Arbeitsgericht Klage wegen missbräuchlicher Kündigung eingereicht werden.
Genügen Ihnen diese Angaben? Mit Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Kurt Pärli