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Ist davon auszugehen, dass Sozialhilfeklientin U. einen Anspruch auf Krankentaggelder der Axa geltend machen kann?

Veröffentlicht:
04.10.2023
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sozialhilfeklientin U. hat ihr Arbeitsverhältnis per 9.8.2023 aufgelöst, dies in gegenseitigem Einvernehmen. Sie war vom 8.5.2023 beim enstprechenden Arbeitgeber tätig. 

Den Arbeitgeber hat Frau U. vor Arbeitsantritt darüber informiert, dass sie im Dezember 2022 wegen Depressionen krankgeschrieben und in der Klinik war. In den Monaten vor Arbeitsantritt war Frau U. nicht mehr krankgeschrieben, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ebenfalls nicht. 

Unser Sozialdienst hatte bereits vor Stellenantritt von Frau U. Kontakt mit Frau U. Gesundheitliche Probleme waren schon damals Thema. Frau U. kommunizierte, dass sie versuchen möchte, wieder zu arbeiten und ihre Psychiaterin dies auch unterstützt. Frau U. kommunizierte damals, dass sie nicht weiss, ob sie es gesundheitlich prästieren wird.

Die Situation am Arbeitsplatz war gemäss Rückmeldung von Frau U. ausserordenlich. Die Abteilung in welcher sie tätig war, musste mit Hilfe von aussenstehenden Fachpersonen reanimiert werden. Die Zustände überforderten Frau U. Sie ist derzeit in wesentlich schlechterer Verfasssung als vor ein paar Monaten. Sie ist seit dem 10.8.2023 zu 100 % krankgeschrieben.

Sie hätte nun die Möglichkeit in die Einzelkrankentaggeldversicherung AXA ihres Arbeitgebers überzutreten. Die Sozialhilfe müsste die Prämien für die Versicherung finanzieren, macht dies nur, wenn es Sinn macht.

Frage: Gehen Sie davon aus, dass Frau U. bei weiterer Krankschreibung Krankentaggelder erhält oder denken Sie, dass der Anspruch abgelehnt werden kann, weil Frau U. schon vor der Arbeitstätigkeit wahrscheinlich nicht vollumfänglich gesund war (auch wenn sie nicht krankgeschrieben war)?

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag!

 

Ihre Frage kann nur beantwortet werden, wenn wir das Reglement der Krankentaggeldversicherung (und ev. Sondervereinbarungen für den Kollektivvertrag) analysieren können. Ich rate Ihnen also, dieses Reglement über den Arbeitgeber, ev. direkt bei der KTV einzufordern. Sie können mir dann gerne das Reglement für das Weitere über diese Plattform oder direkt an meine Emailadresse zukommen lassen.

Ebenso wäre hier vom Sachverahlt ev. relevant, in welchem Umfang sie im Mai 2023 die Arbeitsstelle begann, und ob für die Aufnahme in die Krankentaggeldversicherung besondere Vorbehalte gemacht wurden. Und, ob vor dem Stellenantritt eine andere Arbeitsstelle bestand, und ob sie dort bei einer KTV versichert war.

 

Unabhängig davon kann ich Ihnen bereits folgende Informationen mitteilen:

  • Um die Frist für einen allfällig vorteilhaften Übertritt in die Einzelversicherung nicht zu verpassen, sollte diesbezüglich mal fristgerecht der Übertritt erklärt werden und eine diesbezügliche Offerte eingeholt werden.
  • Der vorliegende Fall ist so geschildert, dass die Betroffene genau einen Tag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankgeschrieben wurde. Es ist hier, z.B. mit der behandelnden Arztperson zu prüfen, ob dies so korrekt ist, oder ob eventuell die Arbeitsunfähigkeit schon während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.

Wäre dies der Fall, so könnte hier eventuell eine Leistungspflicht der Krankentaggeldversicherung unabhängig vom Übertritt in die Einzelversicherung bestehen.

  • Soweit sich die gesundheitliche Beeinträchtigung während des Arbeitsverhältnisses nicht in Form der Arbeitsunfähigkeit und Krankschreibung gezeigt hat, so würde hier immerhin eine Frist von ca. drei Monaten liegen, wo eine vollständige Arbeitsfähigkeit besteht. Ob dies aber genügt, dass bei einer allfälligen neuen Versicherung (Einzeltaggeldversicherung) eine Leistungspflicht besteht, oder ob wegen Rückfall die Leistungspflicht abgelehnt werden könnte, kann nur mit einer Überprüfung des Reglementes des KTV beantwortet werden. Dabei ist immerhin zu beachten, dass mit der Offerte zum Übertritt in die Einzelversicherung im Vergleich zur Kollektivversicherung des Arbeitgebers keine neuen Vorbehalte gemacht werden dürfen.

 

Ich hoffe, das dient Ihnen.

 

Prof. Peter Mösch Payot

Guten Tag Herr Mösch

Den Antrag und die allgemeinen Vertragsbedingungen der Krankentaggeldversicherung habe ich hnen per Mail geschickt, da ich nicht herausgefunden habe, wie man auf dieser Seite Dokumente hochladen kann.

Ihre Fragen kann ich wie folgt beantworten:

  • Arbeitspensum ab Mai 2023: 80 %
  • Vorbehalte für Aufnahme in die Krankentaggeldversicherung bei Stellenantritt: Keine. Im Arbeitsvertrag ist folgendes vermerkt: "Die Bestimmungen über die Unfall- und Krankenversicherung sowie über die Krankentaggeldversicherung richten sich nach dem Personalreglement der Insel Gruppe".
  • Die Klientin war vor Stellenantritt im Mai 2023 arbeitslos. Am 4.4.2023 endete ihr Anspruch auf Arbeitslosentaggelder, dies nach dem Bezug von 448.8 Taggeldern.
  • Die Klientin liess sich erst nach Abschluss des Arbeitsverhältnisses von ihrer psych. Fachperson krankschreiben. Sie war allerdings während dem Arbeitsverhältnis im Notfall, weil es ihr gesundheitlich sehr schlecht ging und sie starke Schmerzen im Bauch/Unterbauch hatte. [Konkrete Diagnose] Die Klientin konnte aber ein Arztzeugnis zu 100 % ab dem 18.8.2023 organisieren. 

Wie beurteilen Sie die Situation? Braucht es einen Übertritt der Klientin in die Einzelkrankentaggeldversicherung oder könnte die Klientin aufgrund des vorliegenden Notfallberichts vom 21.7.2023 und den aktuellen Krankschreibungen ohne Übertritt Krankentaggelder der Axa beziehen?

Ich habe Ihre Fragen beantwortet und Unterlagen per Mail verschickt. Ich danke Ihnen für die Bearbeitung.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Gerber

Danke für die ergänzenden Informationen und die Zustellung der konkreten Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Daraus ergibt sich folgende Antwort. Sie basiert auf den mir von Ihnen zugestellten Unterlagen und Informationen. 

Aus den AGB sollte die frühere Erkrankung hier einem Leistungsanspruch nicht entgegenstehen, weil die Klientin wegen der früheren Erkrankung soweit ersichtlich keine Krankentaggelder bezog, und weil sie bei Aufnahme in die neue KTV nicht arbeitsunfähig war aufgrund der früheren Erkrankung (vgl. dazu B.2.1 und B 7.1. der AVB der AXA (Stand 7.2021).

Entscheidend ist weiter, ob die Krankheit UND die daraus folgende Arbeits- unfähigkeit während der Anstellung entstanden sind. Zumal aus den AGB keine Leistungspflicht vorgesehen ist für die Arbeitsunfähigkeit bewirkende Erkrankungen, welche nach der Anstellung erfolgt sind. (vgl. dazu B.5.2 der AVB).

Im vorliegenden Fall ist die ärztlich ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit erst NACH Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Die Tatsache, dass die Klientin zuvor ÄrztInnen aufgesucht hat und Beeinträchtigungen hatte, ändert daran nichts, soweit nicht ärztlich ausgewiesen ist, dass daraus auch eine Arbeitsunfähigkeit schon während der Anstellung begonnen hatte.

Eine nachträgliche "Umdeutung" des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit während der Anstellung dürfte heikel sein. Nicht nur wäre dafür wiederum ein entsprechendes ärztliches Zeugnis nötig, was schwierig ist, da der entsprechende Zeitraum jetzt mehrer Monate in der Vergangenheit liegt. Auch wäre der Beweis schwierig, weil ja die Klientin im entsprechenden Zeitraum noch arbeitstätig war (wenn auch unter Mithilfe von Medikamenten etc.) und somit ihre Funktionen ausübte.

Es scheint also so, dass die relevante Arbeitsunfähigkeit im vorliegenden Fall am 18.8.2023 begonnen hat. Sollen Leistungen daraus geltend gemacht werden, ist eine Erklärung des Übertritts in die Einzelversicherung notwendig. 

Zu beachten ist, dass insoweit zur Frage der Opportunität zu prüfen ist, welche konkreten Leistungen gewährt werden können. 

Die in der mir zugestellten Offerte genannte Prämie dürfte aber deutlich tiefer sein als die Leistungen, die für AUF, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen, zu gewähren sind. 

Zu beachten ist, dass im Rahmen des Bezuges der KTV grundsätzlich strenge Minderungspflichten bestehen.

Im Regelfall sind in solchen Fällen auch Leistungen der ALV wmöglich.  So ist ratsam, dass sich die Betroffene bei der ALV anmeldet, soweit ihre Arbeitsunfähigkeit medizinisch gesehen als vorübergehend erscheint (Art. 28 AVIG). Bzw. bei einer Arbeitsfähigkeit von 20% und einer gleichzeitigen Anmeldung bei der IV sind Vorleistungen möglich (Art. 15  Abs. 3 AVIG, Art. 15 AVIV). Im vorliegenden Fall ergeben sich aber aus der Fallschilderung Hinweise, dass ev. die Arbeitslosentaggelder ausgeschöpft sind, und ev. noch keine neue Rahmenfrist eröffnet werden kann, bzw. hierfür die Voraussetzung der Beitragszeit nicht erfüllt ist. Dies könnte hier zur Sicherheit bei der Arbeitslosenkasse geprüft werden. 

Ich hoffe, das dient Ihnen. 

Prof. Peter Mösch Payot