Sehr geehrte Expertin
Der Klient berichtet, dass sein über längere Zeit in psychiatrischer Behandlung in der UPK Basel war, wo er ihn auch regelmässig besuchen konnte. Im November 2017 habe er erfahren, dass seine Therapie abgebrochen wurde (ohne dass ein Familienmitglied darüber informiert wurde). Seither könne er seinen ich Bruder nicht mehr erreichen und auch nicht ausfindig machen. Die einzige Information, welche er von der Klinik erhalten habe, dass nun das Strafvollzugsamt Basel für diesen Fall zuständig sei. Jedoch kein Beamter möchte ihm aus Datenschutzgründen weitere Auskunft über den Zustand und den Verbleib seines Bruders geben, da sein Bruder volljährig und noch urteilsfähig sei. Er könne sich sehr gut vorstellen, dass sein Bruder in seiner jetzigen Situation sich freiwillig nicht bei der Familie melden wird.
Hinzu komme, dass im letzten Jahr seine Grosseltern verstorben seine. Da die Mutter bereits gestorben ist, als der Klient 5 Jahre alt war, sind sein Bruder und er die Erben. Der Bruder habe bereits früher gesagt, dass er auf das Erbe verzichten möchte. Die sei jedoch schwierig, da er so auch keine Sozialhilfe mehr erhalten würde.
Meine Frage ist nun, welche Möglichkeiten bestehen, jemanden im Strafvollzug zu kontaktieren, der dies ev. nicht möchte, bzw. an wen könnte man sich wenden um Informationen zu seinem Aufenthaltsort zu erhalten, da es nicht klar ist, ob er überhaupt im Waaghof interniert ist? Der Klient ist ev. auch gefährdet, da er psychisch eher unstabil ist. Vorher hat er immer auf die SMS Nachrichten seines Bruders reagiert.
Bezüglich dem Erbe: Wie kann man vorgehen, wenn eine Person nicht auffindbar ist um das Erbe anzutreten, bzw. die entscheidenden Papiere zu unterzeichnen?
Da die gesamte Familie auf die Unterschrift wie dies in Bezug auf das Erbe aussehen würde.
Besten Dank für Ihre Antwort!
Frage beantwortet am
Urs Vogel
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Erwägungen
Es steht jeder volljährigen, urteilsfähigen Person zu, frei zu entscheiden, mit wem sie Kontakt haben möchte oder nicht. Verwandtschaftliche Beziehungen bieten keinen Anspruch auf Kontakt mit einer volljährigen Person (im Unterschied dazu bei Minderjährigen, bei welchen die Eltern ein Recht auf persönlichen Verkehr haben [Art. 273 ff ZGB]). Weigert sich die betroffene Person mit der Familie in Kontakt zu treten, so ist diese Entscheidung hinzunehmen. Dass daher die Angehörigen nicht über den Therapieabbruch orientiert wurden, ist richtig, denn das Klinikpersonal steht unter der ärztlichen Schweigepflicht, welche nur mit dem Einverständnis der behandelnden Person durchbrochen werden darf (Art. 321 StGB). Personen, welche mit dem Vollzug von strafrechtlichen Massnahmen betraut sind (Strafvollzugsamt, Gefängnispersonal etc.) stehen unter der amtlichen Schweigepflicht (Art. 320 StGB). Diese kann nur Durchbrochen werden, wenn ein entsprechender gesetzlicher Rechtfertigungsgrund (z.B. kann dies je nach Situation auch die Einwilligung der betroffenen Person sein) vorliegt. In der beschriebenen Situation will nun der Bruder aber gar keinen Kontakt, sodass keine Ermächtigung vorliegt, die Angehörigen zu informieren, ein anderer gesetzlicher Rechtfertigungsgrund geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Sollte bedingt durch eine psychische Beeinträchtigung ein zusätzlicher Schutzbedarf respektive eine Hilfsbedürftigkeit bei der betroffenen Person vorliegen, so sind die Personen in amtlicher Tätigkeit verpflichtet, in seinem Interesse die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einzuschalten (Art. 443 Abs. 2 ZGB). Das Vollzugspersonal würde sich also an die KESB wenden, wenn dies notwendig wäre, nicht aber an die Angehörigen.
Ist bedingt durch die Abwesenheit der betroffenen Person eine Erbengemeinschaft handlungsunfähig (weil alle Erben nur gemeinsam handeln können) und sind nun aktuell nicht aufschiebbare Entscheidungen zu treffen, so können sich die Erben an die KESB wenden. Diese hat zu prüfen und zu entscheiden, ob eine behördliche Intervention aufgrund der konkreten Situation notwendig ist oder nicht (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Die Behörde hat die Möglichkeit, bei Anhaltspunkten, dass sich eine Person im Strafvollzug befindet, entsprechende Abklärungen zu treffen, wo sich die Person befindet und ob die betroffene Person am Handeln verhindert ist oder die Handlung explizit nicht vornehmen will. Weigert sich ein Erbe zu einer einvernehmlichen Lösung Hand zu bieten, kann dies nicht durch eine behördliche Intervention umgangen werden, es sei denn, die betroffene Person sei bedingt durch einen Schwächezustand (z.B. psychische Störung) schutzbedürftig (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Es steht den Erben letztlich nur der gerichtliche Weg der Erbteilungsklage offen, um die Erbengemeinschaft aufzulösen.
Kulmerau, 22.1.2018
Urs Vogel
Besten Dank für Ihre ausführliche Antwort Herr Vogel!