Guten Tag
Ich bin im beratungsgespräch mit folgender Problemstellung konfrontiert worden:
Der Patient, der zu mir gekommen ist bekommt Zusatzleistungen für sich und seine Frau . Er bekommt eine IV - Rente. Seiner Ehefrau ist nicht berufstätig, ihr wird neu (ab Juni 22) ein hypothetisches Einkommen angerechnet. Bis im Mai 2022 war sie noch beim RAV im Kanton Zürich gemeldet und hat 10 - 12 Bewerbungen im Monat geschrieben. Nun hat die Gemeinde aufgrund der Abmeldung beim RAV und der fehlenden Bewerbungen die EL- Leistungen neu berechnet. Sie bekommen aufgrund des hypothetischen Einkommens der Ehefrau erheblich weniger EL. Die Ehefrau hat nun bei der Gemeinde Arbeitsunfähigkeitszeugnisse (100% August/September) eingereicht, da sie nicht arbeitsfähig ist und somit Bewerbungen für sie nicht sinnvoll sind. Der Pat. hatte die Hoffnung, dass ihnen aufgrund der Arbeitsunfähigkeit das hypothtische Einkommen wieder rausgerechnet wird, was aber nicht der Fall ist. Der Patient meint nun, dass man mit einer IV - Anmeldung der Ehefrau etwas bewirken könnte. Die Gemeinde hat ihm mitgeteilt, dass eine Anmeldung bei der IV auch nichts an der EL-Berechnung ändern würde.
Er und seine Frau leben mit der Tochter und dem Enkelkind in einem Haushalt. Seine Ehefrau hütet das Enkelkind.
Soweit ich weiss, gibt es kaum eine Möglichkeit, dass man das hypothetische Einkommen in der Berechnung wieder streicht ausser, dass sie sich bewirbt. Oder gibt es noch andere Möglichkeiten?
Vielen Dank und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Nadja D'Amico
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Guten Abend
Haben Sie die Wegleitung über Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (WEL, abrufbar auf https://sozialversicherungen.admin.ch/de/f/5638) konsultiert? In den Randziffern 3521.01 ff. finden Sie die Praxis zur Anrechnung des Einkommens eines nicht invaliden Ehegatten. In Randziffer 3521.03 werden die Tatbestände aufgezählt, bei welchen kein hypothetisches Einkommen angerechnet wird:
- Die nicht invalide Ehegattin findet trotz ausreichender Arbeitsbemühungen keine Stelle. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die Person beim RAV zur Arbeitsvermittlung angemeldet ist, wenn sie die Anzahl der vom RAV vorgegebenen Bewerbungen nachweist und die Bewerbungen qualitativ ausreichend sind;
- Die versicherte Person bezieht Taggelder der Arbeitslosenversicherung;
- Die EL-beziehende Person müsste ohne den Beistand und die Pflege der nicht invaliden Ehegattin in einem Heim platziert werden .
Die Haushaltführung für den Ehegatten oder Kinder erlaubt es dagegen nicht, auf die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zu verzichten.
Für die Festsetzung des hypothetischen Einkommens ist auf die persönlichen Umstände wie das Alter, der Gesundheitszustand, die Sprachkenntnisse, die Berufsausbildung, die bisher ausgeübten Tätigkeiten, die Dauer der Erwerbslosigkeit oder Familienpflichten (z.B. die Betreuung von Kleinkindern) abzustellen (Rz. 3521.04).
Ihre Klientschaft beruft sich auf eine vollständige Arbeitsunfähigkeit der Ehegattin. Der Gesundheitszustand ist - wie oben erwähnt - bei der Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zu berücksichtigen. Da (noch) keine Invaliditätsbemessung durch die IV vorliegt, prüfen die EL-Organe den Gesundheitszustand und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit selbständig (viele Hinweise in BGer-Urteil 8C_172/2007 vom 6. Februar 2008 und Urteil des Sozialversicherungsgerichts ZH ZL.2021.00007 vom 7. Dezember 2021). Wenn eine dauerhafte und vollständige Arbeitsunfähigkeit jedweder Tätigkeit behauptet wird, muss dies mit fachärztlichen Berichten hinreichend belegt werden. Eine IV-Anmeldung und ein rudimentäres Arbeitsunfähigkeitszeugnis genügt nicht.
Ist die Arbeitsunfähigkeit medizinisch gut und nachvollziehbar belegt, macht sowohl die IV-Anmeldung als auch eine Einsprache gegen die EL-Verfügung Sinn. Andernfalls bleibt der Weg über die Stellenbemühungen.
Hilft das?
Freundliche Grüsse
Nadja D'Amico