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Hypothekarzinsen bei Heimeintritt

Veröffentlicht:
17.10.2023
Kanton:
Thurgau
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

Ein Klient musste aufgrund einer Demenzerkrankung in eine Alterseinrichtung umziehen. Die Sozialhilfe übernimmt die Kosten, zur Sicherstellung der Unterbringung, bis die finanziellen Aspekte vollständig geklärt sind. Bis anhin hat der Mann in seinem Einfamilienhaus gelebt. Die Beiständin ist daran, das Haus zu veräussern. Aktuell fallen Hypothekarzinsen an. Die Beiständin möchte, dass die Zinsen beglichen werden, da sonst eine Zwangsversteigerung drohen könnte (meines Wissens hat die Bank noch keine Androhungen diesbezüglich gemacht).

Frage: Muss die Sozialhilfe die Hypothekarzinsen bezahlen oder reicht es, der Bank einen Antrag für einen Mahnstopp zukommen zu lassen? Die Veräusserung der Liegenschaft ist ja im Gange und nicht in Frage gestellt. 

Danke für die Antwort und Freundliche Grüsse

Frage beantwortet am

Ruth Schnyder

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Gerne beantworte ich Ihre Anfrage. Für die Bemessung der Unterstützung gemäss § 8 SHG / TG finden nach § 2a SHV / TG in der Regel die SKOS-Richtlinien Anwendung, wobei die SHV / TG ergänzende Konkretisierungen enthält. Bei den Wohnkosten als Teil der Unterstützung verweist die SHV / TG in § 2b ebenfalls auf die SKOS-Richtlinien, abgesehen von den Grundsätzen zur Höhe (Abs. 4) und zu den jungen Erwachsenen (§ 2k SHV / TG). Im vorliegenden Fall finanziert die Sozialhilfe die Heimunterbringung bzw. die Heimtaxe im Rahmen der Wohnkosten. Insofern ist für die Wohnkosten die Unterstützung nach § 3a SHV / TG bzw. § 8 SHG / TG von der Gemeinde gewährleistet. Die fraglichen Hypothekarzinsen können demnach nicht mehr zu den Wohnkosten und zur materiellen Existenzsicherung gezählt werden, dient doch das Wohneigentum nicht mehr als Unterkunft. Insofern besteht unter dem Titel von SKOS-RL C. 4.2 Abs. 9 kein Anspruch mehr auf Übernahme der Hypothekarzinsen. Insbesondere auch deshalb nicht, da es aus Sicht der Sozialhilfe keine erhaltenswerte Unterkunft mehr darstellt. Insoweit liegt vorliegend keine Ausnahme nach SKOS-Richtlinien C.4.2 Abs. 8 (mehr) vor, wonach das Wohneigentum nur in Ausnahmenfällen erhalten bleiben kann.  Demnach können meiner Meinung nach die Hypothekarzinsen nicht mehr im Rahmen der Wohnkosten übernommen werden.

Vielmehr stellt sich die Frage, ob die Hypothekarzinsen im Rahmen situationsbedingter Leistungen (SIL) übernommen werden können nach SKOS-Richtlinien C.6. Konkretisierend hält die SHV / TG unter § 2c fest, dass SIL in direktem Zusammenhang zu den besonderen gesundheitlichen, wirtschaftlichen oder familiären Verhältnissen der unterstützungsbedürftigen Person stehen (Abs. 1). Sie werden soweit ausgerichtet, als sie ausgewiesen und zwingend notwendig sind (Abs. 2). Der Gemeinde kommt demnach ein Ermessensspielraum zu, wann im konkreten Fall die Kosten als zwingend notwendig erscheinen. Aufgrund der Zielsetzung in der Sozialhilfe muss die Notwendigkeit in direktem Zusammenhang mit der Existenzsicherung stehen, welche die Sozialhilfe bei Bedürftigkeit gewährleisten muss. Aufgrund dessen, dass die Sozialhilfe die aktuelle Notlage abdeckt (vgl. SKOS-RL A.3 Abs. 4), d.h. weder vergangene noch künftige, stellen die Hypothekarzinsen im Grunde keine akuten Bedarfsleistungen dar, da die Heimunterbringung an Stelle des Eigenheims getreten ist.

Letztlich handelt es sich bei den Hypothekarzinsen um Schulden, welche nicht zur materiellen Grundsicherung in der Sozialhilfe gehören (SKOS-RL C.1 Erl. b). Die SKOS-RL sehen eine Ausnahme vor, wenn dadurch eine drohende Notlage verhindert wird (a.a.O). Diese Notwendigkeit für eine Finanzierung im Rahmen der SIL könnte entstehen, wenn es darum geht, durch den Verkauf der Liegenschaft die bisherige und laufende Unterstützung zu sichern sowie künftige zu vermeiden, zumal bei einem allfälligen EL-Bezug das Wohneigentum u.U. als Vermögenswert im Sinne von Art. 9a ELG  (Vermögensschwelle) und Vermögensverzehr (Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG) eingerechnet wird, wodurch nicht gesichert ist, dass die EL zu Alters- oder Invalidengeldleistungen die Existenz ausreichend sichert. Ob damit die zwingende Notwendigkeit von SIL begründet werden kann, wie § 2c Abs. 2 SHV / THG vorgibt, steht wie gesagt im Ermessen der Gemeinde. Damit dies beurteilt werden kann, muss zunächst von Seiten der Beiständin bei der Hypothekarbank darauf hingewirkt werden, dass diese bis zum Verkauf der Liegenschaften auf die Geltendmachung von Hypothekarzinsen verzichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass die Bank durchaus bereit ist, Hand zu bieten, da sie selber das grösste Interesse hat, beim Verkauf der Liegenschaft einen möglichst guten Preis zu erzielen, damit ihre Hypothekarforderung gedeckt ist. Diese Abklärung ist für im Sinne des Subsidiaritätsprinzips (SKOS-RL A.3 Abs. 2) Sozialhilfe zwingend.

Weitere Hinweise im Zusammenhang mit Liegenschaftsbesitz bei Sozialhilfe können Sie dem betreffenden Merkblatt der SKOS-RL entnehmen.

Ich hoffe, Ihnen damit Ihre Frage beantwortet zu haben.

Freundliche Grüsse, Ruth Schnyder