Sehr geehrte Herren
Aktuell beraten wir einen 1981 in Sri Lanka geborenen Mann, der 2009 geflüchtet und in die Schweiz immigriert ist. Sein Flüchtlingsstatus ist in der Schweiz anerkannt. Während (oder kurz vor) der Flucht erlitt unser Klient einen Hörsturz, aufgrund dessen er auf dem rechten Ohr ertaubt ist.
Die IV-Stelle akzeptierte zunächst den 2018 gestellten Hilfsmittelantrag unseres Klienten betreffend Höregräte-Versorgung. Mit Vorbescheid vom 24.07.2019 kam die IV-Stelle nun aber auf diesen Entscheid zurück und hob diesen wiedererwägungsweise wieder auf. Dies mit der Begründung, dass eine Hörgeräteversorgung bereits vor Unterstellung in die Invalidenversicherung objektiv erstmals angezeigt. Die Voraussetzungen auf Hilfmittel in diesem Zusammenhang seien daher nicht erfüllt. Auf eine Rückforderung wurde verzichtet.
Uns ist bewusst, dass unser Klient bereits mit der Hörbehinderung in die Schweiz eingereist ist. Nichtsdestotrotz stellt sich uns die Frage, ob nicht dennoch die Schweizer Invalidenversicherung zuständig ist, da er als anerkannter Flüchtling keine Möglichkeit hat, entsprechende Leistungen in seinem Heimatland zu beantragen.
Für Ihre juristische Einschätzung danken wir Ihnen ganz herzlich.
Freundliche Grüsse
Anna Citkovic-Derendinger
Frage beantwortet am
Daniel Schilliger
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau Citkovic-Derendinger
Die versicherungsmässigen Voraussetzungen für IV-Leistungen an Ausländer sind unter anderem in Art. 6 und 9 IVG geregelt. Ausländische Staatsangehörige sind, vorbehältlich Artikel 9 Absatz 3, nur anspruchsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben.
Diese Regelung wird für Flüchtlinge und Staatenlose durch den Bundesbeschluss über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung abgeschwächt (SR 831.131.11, vgl. hierzu auch die Mitteilung Nr. 327 an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen). Auch hier ist aber grundsätzlich erforderlich, dass vor Eintritt der Invalidität Beiträge geleistet werden.
Massgebend ist also der Eintritt der Invalidität. Das Bundesgericht hat hierzu verschiedentlich ausgeführt, dass es nicht einen einheitlichen Zeitpunkt gibt in dem die Invalidität eingetreten ist, sondern dass der Eintritt der Invalidität für jede Leistungsart separat bestimmt werden muss (Vgl. auch Art. 4 Abs. 2 IVG). Wenn also vor Einreise in die Schweiz eine Hörgeräteversorgung notwendig gewesen ist, wird es kaum möglich sein, dafür Leistungen der IV zu erhalten.
Ich empfehle Ihnen für die nächste Versorgung ein Unterstützungsgesuch an den FLB-Fonds zu richten, der von der Pro Infirmis verwaltet wird.
freundlicher Gruss
Daniel Schilliger