Guten Tag
Wir haben eine Klientin, welche auf Grund ihrer Sehbehinderung bereits im IV Alter eine Lupenbrille benötigte. Unterdessen ist sie pensioniert und hat ihren Wohnsitz nach Ungarn verlegt. Die Gläser der Lupenbrille sind in der Zwischenzeit zu schwach und sie benötigt neue.
Unsere Frage: werden die Kosten für die neuen Gläser von der schweizerischen Sozialversicherung übernommen?
Wir wissen, dass eigentlich ausser der AHV Rente keine Leistungen ins Ausland exportiert werden. Allerdings haben wir eine andere Klientin, die in Spanien lebt und deren Hilfsmittel immer noch über die SAK finanziert wird.
Gibt es Ausnahmen bei der Finanzierung. Oder sind wir falsch informiert? Beide Klientinnen sind schweizer Bürgerinnen.
Vielen Dank für Ihre Bearbeitung.
Freundliche Grüsse
Bettina Prigge
Frage beantwortet am
Peter Mösch Payot
Expert*in Sozialversicherungsrecht
Sehr geehrte Frau P.
- Anspruch auf Leistungen für Hilfsmittel zu Lasten der AHV haben in der Schweiz wohnhafte Personen, welche das ordentliche AHV-Rentenalter erreicht haben, eine AHV-Rente vorbeziehen oder Ergänzungsleistungen beziehen (Art. 43ter AHVG).
Haben Versicherte aber bereits von der IV Hilfsmittel oder Ersatzleistungen gemäss Art. 21 und 21bis IVG zugesprochen erhalten, so bleibt der Anspruch auf diese Leistungen in Art und Umfang erhalten, solange die massgebenden Voraus-setzungen der IV weiterhin erfüllt sind. Bei Hörgeräten erstreckt sich der Anspruch mindestens auf die gleiche Versorgung, die von der IV zugestanden wurde. Das bezieht sich auch auf den Anspruch auf Reparaturen, teilweisen Ersatz, allfällige Betriebs- und Unterhalts- sowie Reisekosten. (siehe dazu KSAH (Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Altersversicherung, Stand 1.1.2018 ), Rz. 1003).
Solche Hilfsmittel gemäss Art. 21 IVG gelten als Eingliederungsmassnahmen. Diese werden gemäss Art. 9 IVG grundsätzlich in der Schweiz, ausnahmsweise aber auch im Ausland gewährt. - Für den Geltungsbereich der Europäischen Union und der Staaten die Teil des Freizügigkeitsabkommens EU/EFTA sind zusätzlich die spezifischen Verordnung VO 883/2004 bzw. 987/2009 zu beachten. In der Logik dieser Abkommen sind die hier interessierenden Hilfsmittel nach den Regeln der Kategorie «Krankheit und Mutterschaft» zu beurteilen.
Wenn eine Person in einem FZA-Staat Wohnsitz hat, aber als Arbeitnehmer dem schweizerischen Sozialversicherungssystem angeschlossen war, sodass für ihn die schweizerischen Rechtsvorschriften galten, so ist der persönliche Anwendungsbereich der entsprechenden Verordnungen erfüllt (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 von Anhang II des FZA).
Hilfsmittel und Ersatzleistungen (nach AHVG oder IVG ) stellt zudem eine in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 fallende Leistung der sozialen Sicherheit dar in Form einer Leistung bei Krankheit und Mutterschaft im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Bst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dar (vgl. dazu Imhof, FZA/EFTA-Übereinkommen, Jusletter 23.10.2006 und insb. BGE 132 V 46). - Die Anwendung der VO Nr. 883/2004 hat koordinationsrechtlich im Prinzip zur Folge, dass bei Sachleistungen wie Hilfsmitteln das Grundprinzip der Leistungsaushilfe am Wohnort gilt, statt eines Leistungsexports (vgl. Titel III Kapitel 1 und 2 VO 883/2004). Dabei gilt gemäss Art. 24 VO 883/2004, dass in Fällen, wo aus dem Sicherungssystem im Wohnsitzstaat keine entsprechende Sachleistung besteht, diese Träger die entsprechende Leistung erbringen, aber dann mit dem Schweizerischen Träger (schweizerische Ausgleichskasse) abrechnen können, wenn nach Schweizerischem Recht ein entsprechendes Hilfsmittel bestehen würde, wäre der Betroffene in der Schweiz wohnhaft.
Das sind nur die Grundsätze. Im Einzelnen können weitere Sonderfälle und Aspekte eine Rolle spielen, deren Beschreibung hier den Rahmen sprengen würden.
Sie sehen aber daran, dass es durchaus Fälle gibt, wo indirekt über die Leistungsabrechnung bei einem hypothetischen Hilfsmittelanspruch in der Schweiz Kostenvergütungen für Kosten, welche im EU-/EFTA-Wohnsitzland erbracht werden, durch die Schweizer Träger zu leisten sind.
Entscheidend dürfte sein, dass es um krankheits- bzw. invaliditätsbezogene Folgen geht, welche abgedeckt werden. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Hilfsmittel wegen Invalditität gewährt wurden. Für die Frage, ob dies auch weiter gilt, wenn der Besitzstand dazu führt, dass die Leistungen auch im Rentenalter weiter gewährt werden, habe ich keine bundesgerichtliche Rechtsprechung gefunden. Ich würde aber davon ausgehen, wenn die Gründe für die Notwendigkeit des Hilfsmittels weiterhin primär mit der Erkrankung/Invalidität zusammenhängen und nicht mit (blossen) Altersbeschwerden.
Ich rate Ihnen aber, allfällige weitere Informationen direkt über die IV-Stelle für Versicherte im Ausland IVSTA bzw. die Schweizerische Ausgleichskasse in Genf einzuholen.
Ich hoffe, das dient Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot
Guten Tag
Vielen Dank für die Auskunft.
Freundliche Grüsse
Bettina Prigge