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Hilflosenentschädigidung infolge hochgradiger Sehschwäche IV und IV Anmeldung

Veröffentlicht:
24.08.2017
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Herr Mösch
EIn 56 jähriger stark sehbehinderter Mann erfüllt die medizinischen Anforderungen welche im KSIH (1.1.2011) über Invaldität und Hilflsoigkeit unter Rubrik 4.2.2. Pflege gesellschaftlicher Kontakte, Artikel 37 Absatz 3 Buchstabe d IVV beschrieben sind.
Der Augenarzt bestätigt in seinem Bericht ein Rest-Gesichtsfeld, dass einer EInschränkung der Sehkraft (Visus) von unter 0.2 entspricht.
Ebenfalls ist das Wartejahr bereits abgelaufen.
Soweit wären also die Bedingungen zum Bezug dieser Hilflosenentschädigung erfüllt.
Weil dieser Mann Abwart ist und verschiedene Ferienhäuser im Mandat betreut, war er auf ein Auto angewiesen. Durch seine forschreitende Augenerkrankung erhielt er vom Augenarzt ein absolutes Fahrverbot. Das hat dazu geführt, dass er sein Pensum stark reduzieren musste und auch eine entsprechende Lohneinbusse erlitt. Eine Krankentaggeldversicherung hat er als Selbständiger nicht abgeschlossen.
Vor einem halben Jahr haben wir den Mann bei der IV angemeldet. Da er leider zu erblinden droht (chronische Augenkrankheit) befürwortet der Augenarzt eine halbe IV Rente.
Die abklärende kantonale IV Stelle teilt mit, dass sie mit weiteren Abklärung der HE zuwartet, bis das IV Verfahren abgeschlossen ist.
Meine Frage an Sie:
Darf die IV Stelle die Bearbeitung des HE Gesuches unterbrechen, solange das IV Verfahren noch nicht entschieden ist?
Ich vermute, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Verfahren handelt, die nicht miteinander vermischt werden dürfen.
Falls dem so ist, was wären nun die nächsten Schritte?
Besten Dank für Ihre Antwort
Daniel Balmer

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrter Herr Balmer
Zwar sind die Hilflosigkeit (Art. 9 ATSG) und die Invalidität zwei zu unterscheidende Risiken, die je verschiedene Voraussetzungen und Leistungen zur Folge haben im Rahmen des IVG.
Bei der Hilflosigkeit geht es bekanntlicherweise um den Bedarf an Hilfe für alltägliche Lebensverrichtungen oder die persönliche Überwachung (Art. 9 ATSG). Bei der Invalidität dagegen um die bleibende Einschränkung der Fähigkeit zum Erwerb bzw. im vorherigen Aufgabenbereich.
In beiden Fällen aber ist entscheidend, ob und inwieweit die Beeinträchtigung der Gesundheit die entsprechenden Folgen hat.
Möglich ist dabei aber durchaus, dass eine Hilflosigkeit besteht bei alltäglichen Lebensverrichtungen, ohne dass eine (entsprechende) Erwerbsunfähigkeit zwingend auch die Folge sein muss (so genannte Relativität der Invalidität; vgl. auch BGE 137 V 358 E.4.3).
Werden wie im Fall zwei Anmeldungen sowohl für Leistungen wegen Hilflosigkeit (HE) als auch wegen Invalidität (IV-Rente, Eingliederungsmassnahmen etc.) gemacht, so hat und muss die IV auf jeden Fall von Amtes wegen den Gesundheitszustand abklären und den Umfang der Beeinträchtigung für Lebensverrichtungen einerseits und Erwerb andererseits bemessen. Den Betroffenen trifft dabei eine Mitwirkungspflicht.
Ob und inwieweit im vorliegenden Fall die bestehenden Abklärungen bereits genügend sind, um schlüssig eine Verfügung über die Hilflosenentschädigung zuzulassen, lässt sich aufgrund der Ausführungen nicht abschliessend beurteilen. Dafür müsste Akteneinsicht in das IV-Dossier genommen werden.
Ihre Angaben zum Fall lassen aber die Annahme zu, dass hier die Abklärungen bzgl. Gesundheitszustand, der die dauernde Hilflosigkeit zur Folge hat, schon liquid könnte. Auch wenn bezüglich einer allfälligen IV-Rente oder für Eingliederungsmassnahmen noch Abklärungen zu tätigen sind. Es gibt keine allgemeine Regel, dass die IV-Stelle bei gleichzeitiger Abklärung der Invalidität mit dem Entscheid insgesamt einfach zuwarten kann. Für die HE und die Frage des Masses der Hilflosigkeit ist auf jeden Fall noch die Abklärung vor Ort notwendig (vgl. Art. 69 Abs. 2 IVV).
Ich rate Ihnen, dass der Klient Einsicht in die Akten der IV nimmt. Sollte sich aus diesen ergeben, dass der Gesundheitszustand und dessen Auswirkungen auf die alltäglichen Lebensverrichtungen genügend abgeklärt sind, so ist bezüglich der HE gegenüber der IV ein Vorbescheid zu verlangen. Ansonsten kann geprüft werden, Beweis- und Abklärungsanträge zu stellen, um das Verfahren in der einen oder anderen Weise zu beschleunigen.
Verzögerungen im Verfahren und den Abklärungen ohne vernünftigen Grund könnten mit einer Rechtsverzögerungs- oder Rechtsverweigerungsbeschwerde gerügt werden.
Ich rate Ihnen im Zweifel, für diese verfahrensmässigen Anträge juristischen Rat einzuholen, z.B. beim Rechtsdienst eines der Behindertenverbände.
Ich hoffe, das genügt Ihnen.
Prof. Peter Mösch Payot