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Heirat ja oder nein?

Veröffentlicht:
08.04.2021
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Eine Patientin gelang mit folgender Frage an uns:

Sie hat sich gefragt, welche Konsequenzen es hat, wenn sie ihren Partner heiratet. Sie selber ist krank, kann aber noch 80% arbeiten als Büroangestelle. Das sollte noch länger möglich sein ohne die IV zu involvieren ausser für die Hilflosenentschädigung, welche sie im Dezember 2020 beantragt hat.

Er ist Paraplegiker und hat eine Teilrente, arbeitet 30%. Keine Ergänzungsleistungen. Er hat eine Eigentumswohnung.

Sie sind seit Januar 2018 ein Paar. Beide haben keine Kinder, aber Geschwister. Es haben sich Fragen bezüglich Erbe und Rentenleistungen gestellt (IV, AHV,PK und ihr Partner ist der Meinung, dass sie seine Eigentumswohnung verkaufen müsste, wenn er stirbt.

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Sehr geehrte Frau Rösli

Für eine präzise Abklärung wären eine genauere Abklärung nötig mit genauer Abklärung der Einnahmen, der Vermögen der Beteiligten, der Haushaltssituation (Zusammenleben), der Reglemente der Pensionskasse, bzgl. der kantonalen Steuernormen etc. Ich rate also vor diesem Hintergrund, eine umfassende Abklärung bei Procap oder Inclusion Handicap, eventuell auch bei einer spezialisierten Anwältin/einem spezialisierten Anwalt in Erwägung zu ziehen.

Generell aber mal so viel:

a) Bezüglich der Hilflosenentschädigung oder einer IV-Rente ändert sich durch die formale Heirat nichts. Hier kann das tatsächliche Zusammenleben oder die Möglicheit dazu (unabhängig vom Trauschein) aber einen Einfluss auf den Hilfebedarf haben bzgl. Hilflosenentschädigung oder einer IV-Rente, die wegen Beeinträchtigungen im Aufgabenbereich gesprochen wird  (vgl. für die Berücksichtigung bei Einschränkungen im Aufgabenbereich Rz. 3087 KSIH; bei der Hilflosigkeit Rz. 8050.2 und 8085 KSIH (Stand 1.1.2021))

b) Bezüglich der Koordination der Rente und der Hilflosenentschädigung gilt, dass Renten und Hilflosenentschädigungen im Prinzip kumulativ gewährt werden.

c) Allerdings würden allfällige zwei IV-Renten im Prinzip koordiniert gemäss Art. 37 Abs. 1bis IVG in Verbindung mit Art. 35 AHVG: Es erfolgt eine Plafonierung bei 150% des Höchstbetrages der AHV-Rente, also aktuell bei CHF 3585. Die Plafonierung gilt analog und anteilmässig, wenn die Ehegatten denselben Anspruch haben (z.B. zwei Mal eine halbe Rente).

Keine Plafonierung erfolgt praxisgemäss auch dann, wenn die Ehegatten Bezüger von Renten mit unterschiedlichen Bruchteilen (ganze/halbe, halbe/Viertel, ganze/Viertel oder Dreiviertel/Viertel) sind. Keine Plafonierung erfolgt auch, wenn der eine Ehegatte eine Altersrente bezieht und der andere Ehegatte zu weniger als 60 Prozent invalid ist. Vgl. Wegleitung über die Renten in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (RWL) 5229 und 5230 (Stand 1.1.2021); siehe auch Art. 32 Abs. 2 IVV).

d) Im Todesfall hat die Eheschliessung eher Vorteile:

Bzgl. Hinterlassenenleistungen in der ersten Säule gehen Konkubinatspartner in jedem Fall leer aus. Bei Verheirateten wird eine Witwen- bzw. Witwerrente ausbezahlt, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben (Art. 23 Abs. 1 AHVG). Nach geltendem Recht werden jedoch auch Witwen ohne Kinder unter Umständen AHV-Witwenrenten ausbezahlt in folgenden Konstellationen:

Witwen ohne Kinder, die das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind (Art. 24 Abs. 1 AHVG). Geschiedene Frauen (ohne Kinder), wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat und die Scheidung nach Vollendung des 45. Altersjahrs erfolgte (Art. 25 Abs. 1 Ziff. b AHVG).

e) Bzgl. Ergänzungsleistungen führt die Eheschliessung dazu, dass beim Zusammenleben Einkommen und Vermögen zusammen berücksichtigt werden. Auf der anderen Seite bestehen insb. bzgl. selbstbewohnten Liegenschaften besondere Freibeträge bei selbstbewohnten Liegenschaften. Insb. in Fällen, wo ein Ehegatte das Wohnhaus im Eigentum des anderen Ehegatten noch bewohnt und eine Hilflosenentschädigung hat, oder wenn einer der Ehegatten im Heim lebt und der andere im Eigenheim. Da besteht dann aber die Regel, dass vom Vermögen der Ehegatten für die Berechnung der EL ¾ dem Heimbewohner angerechnet werden.

f) Bezüglich BVG-Leistungen ist für ein eine Antwort unumgänglich die jeweiligen PK-Reglemente zu analysieren. Die relevanten Koordinationregeln bei Invalidenleistungen beider Ehegatten (Überentschädigungsverbot) sind mit Blick auf überobligatorische Leistungen nur dort zu finden.

Soweit eine PK nur obligatorische Leistungen kennt gilt aber insoweit Art. 34a Abs. 5 BVG und Art. 24ff BVV 2: Invalidenleistungen von verschiedenen Personen werden nicht koordiniert, weil es an der persönlichen KOngruenz fehlt. Hingegen würde eine gemeinsame Überentschädigungsrechnung gemacht von Renten für Wittwen/Wittwer und Waisen (Art. 24 Abs.3 BVV 2).

 

g) Steuerrechtlich werden die Einnahmen und das Vermögen zusammengerechnet für die Besteuerung, wenn die beiden verheiratet sind und zusammen leben, aber dafür zum Ehegattentarif. Ob und inwieweit hier das Heiraten Vorteile hat ist auch abhängig vom kantonalen Steuerrecht und von der Höhe von Einkommen und Vermögen.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot