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Grenzen für Auflagen durch die IV

Veröffentlicht:
28.01.2022
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialversicherungsrecht

Guten Tag

Mich beschäftigen im beruflichen Alltag immer wieder Fragen zu Auflagen der IV. Bei Psychiatriepatient*innen wird in der Regel die Abstinenz von illegalen Substanzen mit Urinproben sowie die Teilnahme an einer ambulanten Therapie gefordert. Diese Auflagen liegen in der Regel im Einflussbereich der versicherten Person und können zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führen. Grosse Mühe hatte ich jedoch zuletzt mit einer Auflage, die bei einem jungen Patienten die Auflösung seiner bisherigen Wohnsituation (WG) sowie den Umzug in ein betreutes Wohnen forderte. Dabei stellte die IV weder die Finanzierung noch die Organisatoin eines betreuten Wohnplatzes sicher. Sie überliess es dem Klienten. 

Meine Fragen sind folgende: Inwieweit ist die IV berechtigt, Auflagen zu machen, die in den Machtbereich anderer Leistungsträger, in diesem Fall der wirtschaftlichen Sozialhilfe eingreifen? Bzw. Inwieweit sollten Auflagen im Einflussbereich der versicherten Person liegen?

Mich würde ihre fallspezifische Beurteilung sowie aber auch die summarische Beurteilung zu Grenzen von Auflagen der IV interessieren.

Vielen Dank!

Frage beantwortet am

Peter Mösch Payot

Expert*in Sozialversicherungsrecht

Guten Tag.

Die Frage der Rahmenbedingungen für Auflagen der Invalidenversicherung ist vorab von deren Zweck abhängig.

a) Erstens kann es darum gehen, dass die Abklärung der Anspruchsvoraussetzungen Grund für die Auflage ist. Etwa die Prüfung, ob ein Gesundheitsschaden vorliegt und wie sich dieser auf die medizinisch-theoretische Arbeitsfähigkeit bzw. die Haushaltsführung (IV-Rente) oder die Alltagsbewältigung auswirkt (HE). Oder es kann dabei um die Abklärung von Eignung und Durchführbarkeit von Eingliederungsmassnahmen, was Voraussetzungen für Integrationsmassnahmen oder berufliche Massnahmen sind.

In diesem Zusammenhang trifft die versicherte Person eine Mitwirkungspflicht, welche die Untersuchungsaufgaben der IV-Stelle ergänzt.

Können die über die Auflage zu erhebenden Tatsachen nicht festgestellt werden (etwa die gesundheitliche Situation), so führt dies zu einem Nichteintreten oder einer Ablehnung der in Frage stehenden Leistung, weil die Voraussetzungen für deren Zusprache unbewiesen bleiben bzw. Art. 21 Abs. 4 ATSG und Art. 7b Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 43 Abs. 2 ATSG eine Kürzung oder Verweigerung erlauben.

b) Zweitens kann es um die Minderungspflicht gehen. In der IV ist diese insbesondere in Art. 7 IVG verankert. Sie umfasst alle zumutbaren Handlungen, das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit zu verringern und den Eintritte der Invalidität zu verhindern. Dazu gehören alle zumutbaren Bemühungen zum Arbeitsplatzerhalt, zur Eingliederung etc.

Als Sanktionierung ist gemäss Art. 21 Abs. 4 ATSG in solchen Fällen eine Kürzung oder Verweigerung möglich. Abgesehen von wenigen Ausnahmen (Art. 7b IVG) muss in solchen Fällen aber zuvor ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren eingehalten werden.

In diesem Rahmen sind alle Massnahmen zulässig, die der Eingliederung dienen. Also dafür geiegnet sind. Auch medizinische und therapeutische Behandlungen per Auflage zulässig, ausser sie sind dem Gesundheitszustand der betroffenen Person nicht angemessen (Art. 7a IVG).

Um dies zu belegen ist möglichst unmittelbar, wenn solche Auflagen in Frage stehen – spätestens aber wenn entsprechende Mahnungen erfolgen – möglichst medizinisch die Unangemessenheit zu belegen. Namentlich durch ein entsprechendes möglichst spezialärztlich ausgestelltes und begründetes Arztzeugnis.

Selbstredend kann die Frage, ob eine auferlegte Auflage mit Blick auf die Abklärung der Anspruchsvoraussetzungen (oben lit. a) oder mit Blick auf die Minderungspflicht (oben lit. b) geeignet und verhältnismässig ist, umstritten sein.

Ein allfälliger Einwand oder eine Beschwerde ist aber praxisgemäss erst gegen eine entsprechende Einstellung, Kürzung oder Leistungsverweigerung möglich.

Insoweit kann das Argument, dass Auflagen unmöglich zu erreichen sind, nicht zu finanzieren sind, oder auch nicht geeignet und notwendig sind für die Klärung des Anspruchs bzw. der Eingliederung nicht dienen, eingewendet werden.

Die gleichen Argumente können zuvor auch bereits informell eingebracht werden gegenüber der IV, wenn solche Massnahmen/Auflagen geplant werden.

Die juristische Beurteilung ist dann sehr stark von allen relevanten Faktoren des Einzelfalls im Rahmen einer Güterabwägung abhängig.

Ich hoffe, das dient Ihnen.

Prof. Peter Mösch Payot