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Gesetzliche Grundlage für Rentenabtretung

Veröffentlicht:
17.11.2021
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Sehr geehrte Damen und Herren
Ich wende mich mit zwei Fragen an Sie.

1. Kann eine Ausgleichskasse die IV Rentenabtretung an den Sozialdienst bei laufender Unterstützung verweigern?
Er hat rückwirkend Anspruch auf eine 3/4 Rente und wird weiter SH unterstützt. Ich sendete der Ausgleichskasse der Uhrenindustrie den vom Klienten unterzeichnenten Zahlungsauftrag. Die Drittauszahlung wird  mit einer Einsprachefrist von 30 Tagen abgelehnt und dies schriftlich folgendermassen begründet:

...Um die Gefahr einer Umgehung des Grundsatzes der Unübertragbarkeit von Rentenansprüchen (Art. 22 Abs. 1 ATSG) zu vermeiden, ist eine Auszahlung an Dritte nur unter ganz klaren Ausnahmebedingungen möglich. ... Die Tatsache, dass er Begünstigte vorübergehend oder dauerhaft nicht in der Lage ist, die Leistung selbst zu beziehen, reicht jedoch im Allgemeinen nicht aus, um die Zahlung an dritte zu rechtfertigen. ...kann an Dritte bezahlt werden, sofern der Empfänger unter Vormundschaft ssteht oder die Rente nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet wird .
Dies sei gemäss tel. Auskunft nur bei einer Sucht eine Begründung. Auch ist die Ausgleichskasse nicht gewillt, dem Sozialdienst den Abrechnungsbeleg zur Verfügung zu stellen.

Ist diese begründung rechtens, oder empfehlen Sie die Einsprache? Wie würden Sie das weitere Vorgehen gestalten?

2. Vorgehen, wenn Klienten den Verrechnungsantrag für Leistungen, welche die Zeit der SH Unterstützung betreffen nicht unterschreiben und abgelöst werden. Die Ausgleichskasse Kanton Bern fordert eine Klienteneinwilligung.

Besten Dank bereits im Voraus.

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Guten Tag

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

1. Nachzahlung

Grundsätzlich ist nach Art. 22 Abs. 1 ATSG jede Abtretung nichtig. Nach Abs. 2 können jedoch die Nachzahlungen von Leistungen des Sozialversicherers der öffentlichen Fürsorge abgetreten werden, soweit sie Vorschussleistungen erbracht hat. Die zuständige Ausgleichskasse müsste dem Sozialdienst, wenn sie weiss, dass er Vorschussleistungen erbracht hat, gar eine Frist zur Geltendmachung der geleisteten Vorschüsse setzen. In Art. 34 Abs. 3 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Bern (SHG BE) ist festgehalten, dass wenn der Sozialdienst Sozialversicherungsleistungen bevorschusst hat, er beim Versicherer die Auszahlung der fälligen bevorschussten Leistungen an ihn verlangen kann. Damit handelt es sich um eine gesetzliche Abtretung. Eine ausdrückliche Abtretung durch den Klienten ist nicht notwendig.

Daraus folgt, dass die Ausgleichskasse bei angezeigter Bevorschussung durch die Sozialhilfe für den Zeitraum der Bevorschussung die Nachzahlung im Umfang der Sozialhilfeleistungen an die Sozialhilfe bezahlen muss und nicht entgegen halten kann, die Voraussetzungen für eine Drittauszahlung seien nicht gegeben.

Für die Nachzahlung ist die Begründung der Ausgleichskasse meiner Ansicht nach deshalb nicht rechtens, zumal es bei Art. 22 Abs. 1 ATSG gar nicht um die Drittauszahlung im engeren Sinn sondern um die Abtretung geht. Ich empfehle deshalb, die entsprechende Verfügung der Ausgleichskasse betreffend Nachzahlung anzufechten.

Als Ergänzung und als Beantwortung Ihrer zweiten Frage sei ausgeführt, dass es bei der gesetzlich verankerten Abtretung für Nachzahlungen der Einwilligung der versicherten Person nicht bedarf. Die Ausgleichskasse kann deshalb keine Einwilligung fordern.

2. Laufende Renten

Für die laufenden Renten gilt Art. 22 Abs. 2 ATSG nicht. Eine Abtretung an die Sozialhilfe ist nicht möglich.

Für die laufenden Renten gilt vielmehr Art. 20 ATSG. Geldleistungen können demnach ganz oder teilweise einem geeigneten Dritten oder einer Behörde ausbezahlt werden, der oder die der berechtigten Person gegenüber gesetzlich oder sittlich unterstützungspflichtig ist oder diese dauernd fürsorgerisch betreut, sofern:

a) die berechtigte Person die Geldleistungen nicht für den eigenen Unterhalt oder für den Unterhalt von Personen, für die sie zu sorgen hat, verwendet oder dazu nachweisbar nicht im Stande ist; und

b) die berechtigte Person oder Personen, für die sie zu sorgen hat, aus einem Grund nach Buchstabe a auf die Hilfe der öffentlichen oder privaten Für­sorge angewiesen sind.

Für die laufenden Renten kommen demnach die von der Ausgleichskasse angeführten Kriterien zum Tragen. Ob diese Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann ich aufgrund des von Ihnen geschilderten Sachverhalts nicht beurteilen. Sinnvoll ist es, wenn Sie sich überlegen, ob die Kriterien erfüllt sind und falls Sie dies für sich bejahen, die Verfügung der Ausgleichskasse auch betreffend laufenden Renten anfechten. Auch für die Drittauszahlung braucht es gemäss Art. 20 ATSG keine Einwilligung des Versicherten. Sie ist deshalb auch ohne seine Unterschrift möglich.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach