Liebes Team von Sozialinfo
Wir haben eine ergänzende Frage zu Ihrer Antwort auf die Anfrage aus dem Kt. BE vom 20.11.2021 zum Thema "Gesetliche Grundlage für Rentenabtretung".
Eventuell kann diese Anfrage mit Antwort anschliessend unter die Anfrage vom 20.11.2021 angefügt werden.
Sie schreiben, dass nach Art. 20 ATSG für eine Drittauszahlung keine Einwilligung des Versicherten notwendig ist, sofern Ziffer a und b erfüllt sind. Wir gehen davon aus, dass dies zu belegen Sache des Dritten oder der Behörde ist. Gründe können sein: Sucht, Urteilsunfähigkeit, Dispositive einer Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahme etc.
Wie ist es jedoch, wenn ein Klient oder eine Klientin mit einer Abtretung nach Art. 164 f. OR einverstanden ist? Ist eine solche Abtretung für laufende Renten oder Taggelder zulässig und gültig? Vermag eine Abtretung i.S.v. Art. 164 f. OR den Art. 22 Abs. 1 ATSG "aushebeln"?
Möglich ist es und haben wir auf Wunsch der Klientinnen und Klienten auch schon gemacht: https://form.zas.admin.ch/orbeon/fr/AHV-IV/318_182_v2/new Dies jeweils im Rahmen eines Falles der persönlichen Sozialhilfe um die Menschen eine absehbare Zeit zu begleiten und Schritt für Schritt mit Ihnen das selbständige Leben zu organisieren.
Spielt die kantonale Rechtsgrundlage mit § 29 Abs. 3 SHG und § 38 Abs. 4 SHG eine direkte Rolle in dieser Thematik von Abtretungen? (unabhängig der Verrechnung von Nachzahlungen, diese Antwort ist bereits vorhanden)
Vielen Dank für eine kurze / ergänzende Hintergrunderklärung und freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Anja Loosli
Expert*in Sozialhilferecht
Guten Tag
Ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte diese gerne wie folgt:
Das Abtretungsverbot von Art. 22 ATSG ist ein absolutes Verbot. Eine solche Abtretung ist, auch wenn die berechtigte Person einverstanden ist, nichtig. Mit einer Abtretung im Sinne von Art. 164 OR kann das Abtretungsverbot von Art. 22 ATSG nicht umgangen werden.
Auch § 29 Abs. 3 und § 38 Abs. 4 SHG ändern daran nichts. Die bundesrechtliche Regelung von Art. 22 ATSG geht der kantonalen Regelung des SHG vor.
In dem von Ihnen verlinkten Merkblatt "Drittauszahlung von Leistungen der AHV/IV/EO/EL/ÜL/FZ" steht jedoch (Ziff. 4), dass die leistungsberechtigte Person die Auszahlung an eine Drittperson verlangen kann, wenn besondere Verhältnisse vorliegen,eine vorbehaltlose Vollmacht der leistungsberechtigten Person oder ihres Vertreters vorliegt, das Abtretungsverbot nicht umgangen werden soll und die Drittempfängerin sich vorbehaltlos schriftlich verpflichtet, der betroffenen Kasse die erforderlichen Meldungen gemäss Leistungsverfügung zu machen und allenfalls zu Unrecht bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Besondere Verhältnisse liegen nach dem obgenannten Merkblatt (Ziff. 5) vor, wenn wenn die leistungsberechtigte Person ihre finanziellen Angelegenheiten nicht selber regeln kann und daher auf die Hilfe Dritter angewiesen ist.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen zu können.
Freundliche Grüsse