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Geldgeschenke und Spielgewinne

Veröffentlicht:
12.08.2021
Kanton:
Bern
Status:
Beantwortet
Rechtsgebiet:
Sozialhilferecht

Guten Tag

In zwei Fällen wurden bei der regelmässigen Kontrolle der Bankkontoauszüge Eingänge entdeckt:

Eine Klientin erhielt von einer Freundin CHF 500.- geschenkt. Eigentlich wollte die Freundin unsere Klientin für ein Wellnesswochenende einladen. Da dieses aber coronabedingt nicht stattfinden konnte, überwies sie ihr stattdessen Bargeld.

Ein Klient gewann im Online-Casino ca. CHF 350.-. Der Gewinn wurde auf sein Konto ausbezahlt.

Sind diese Beträge als Einnahmen an die Sozialhilfe anzurechnen? Gibt es zu Spielgewinnen und Geldgeschenken grundsätzliche Überlegungen. In der Regel erfahren die Sozialdienste davon ja gar nichts, weil sie nicht über die Konti abgewickelt werden.

Für  Ihre Antwort danke ich Ihnen im Voraus bestens.  

Frage beantwortet am

Anja Loosli

Expert*in Sozialhilferecht

Sehr geehrte Frau Lüthi

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich beantworte diese gerne wie folgt:

1. Allgemein

Nach Art. 9 des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe des Kantons Bern vom 11. Juni 2001 (Sozialhilfegesetz, SHG, BG 860.1) gilt in der Sozialhilfe das Prinzip der Subsidiarität. Dies bedeutet, dass Hilfe nur gewährt wird, wenn und soweit eine bedürftige Person sich nicht selber helfen kann oder wenn Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist (Art. 9 Abs. 2 SHG). Demnach werden die eigenen Mittel und die Leistungsansprüche gegenüber Dritten bei der Bemessung der Hilfe in angemessener Weise angerechnet (Art. 30 Abs. 3 SHG). Die genaue Ausgestaltung der finanziellen und Bemessung der Unterstützungsleistungen richtet sich durch Verbindlicherklärung in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung über die öffentliche Sozialhilfe vom 24. Oktober 2001 (Sozialhilfeverordnung, SHV) nach den Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien) in der Fassung der fünften Ausgabe vom 1. Januar 2021, soweit das SHG und die SHV keine andere Regelung vorsehen. Gemäss Lit. D.1 der SKOS-Richtlinien werden zur Berechnung der finanziellen Leistungen sämtliche Einnahmen berücksichtigt.

2. Schenkung von Fr. 500.-- durch eine Freundin

Zu den Einnahmen gehören gemäss den Erläuterungen zu Lit. D.1 SKOS-Richtlinien auch freiwillige Zuwendungen von Dritten, sofern keine Ausnahmen gewährt werden.

Im Handbuch der Berner Konferenz findet sich dazu folgende Regelung:

a) Keine Anrechnung von Zuwendungen Dritter (Entsprechung Zweck der Sozialhilfe) in folgenden (kummulativen) Fällen:

- Freiwillige Leistungen Dritter, die im Interesse der Sozialhilfe liegen (Zweckübereinstimmung).

- Zuwendungen in einem relativ bescheidenen Umfang, d.h. im aktuellen Budget nicht mehr als 20% des Grundbedarfs derjenigen Personen, die von der Leistung profitieren, ausmachen und

- Zuwendungen werden ausdrücklich zusätzlich zu den Sozialhilfeleistungen erbracht (oft mit einer besonderen Zweckbestimmung).

b) Anrechnung von Zuwendungen Dritter (Nichtentsprechung Zweck der Sozialhilfe):

Sämtliche Zuwendungen und Nutzungen, die eine deutliche Besserstellung der Klientel zur Folge haben, insbesondere durch die Finanzierung von ausgiebigen und teuren Ferien, eines teuren Autos, eines Einfamilienhauses und einer erheblich über den Mietzinsrichtlinien liegenden Wohnung, wenn ein Umzug verweigert wird, sind anzurechnen.

In Art. 8 SHV ist der Grundbedarf entsprechend der Haushaltsgrösse festgehalten. Handelt es sich um einen 1-Personenhaushalt so beträgt er Fr. 977.--. In diesem Fall würde die geschenkte Summe von Fr. 500.-- die Grenze von 20% des Grundbedarfs klar überschreiben und es könnte nicht mehr von einer Zuwendung in relativ bescheidenen Umfang die Rede sein. Von einem relativ bescheidenen Umfang könnte erst ab einem 4-Personenhaushalt (Unterstützungseinheit) die Rede sein (Grundbedarf Fr. 2'090.--). Es kommt hinzu, dass die Freundin damit ursprünglich offenbar (allenfalls für die Erholung sinnvolle) Ferien finanzieren wollte, der Betrag nun aber ohne weitere Bedingung überwiesen wurde.

Fazit: Die von der Freundin überwiesenen Fr. 500.-- sind vollumfänglich als Einnahmen anzurechnen, ausser wenn mindestens ein 4-Personenhaushalt als Unterstützungseinheit besteht.

3. Gewinn Online-Casino von Fr. 350.--

Hiezu ist auf die Ausführungen unter «Allgemein» zu verweisen. Spielgewinne stellen Einnahmen dar, die vollumfänglic zu berücksichtigen sind. Etwas anderes würde dem Subsidiaritätsprinzip widersprechen.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen zu können.

Freundliche Grüsse

Anja Loosli Brendebach