Sehr geehrte Damen und Herren In unserer Organisation "Zweckverband Sozialregion XY" ist die Organisationseinheit Abklärungsdienst (AKD) integriert, welcher im Auftrag der KESB Abklärungen im Kindes- und Erwachsenenschutz vornimmt. Fragestellung Sind die Mitarbeiter:innen des AKD, ohne Ernennungsurkunde, jedoch mit einem spezifischen Abklärungsauftrag der KESB mandatiert, per se legitimiert für deren Klient:innen stellvertretend eine Anmeldung für Sozialhilfe zut tätigen und sie im laufenden Verfahren zu vertreten? Danke für Ihre Rückmeldung. Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Grüezi
Der Abklärungsdienst (AKD) nimmt im Auftrag der KESB Abklärungen im Kindes- und Erwachsenenschutz vor. Der Abklärungsdienst gehört der Organisation "Zweckverband XY" an. Ebenfalls gehören der Mandatsdienst und die KESB XY sowie der Sozialdienst und die Asylkoordination dem Zweckverband XY an.
Bei der Eröffnung eines Verfahrens hat die KESB den Grad der Gefährdung und einen dringlichen Handlungsbedarf (Gefahr in Verzug) abzuklären. Das insbesondere, wenn finanzielle Probleme Anlass einer Gefährdungsmeldung bilden (wie ausstehende Heimrechnungen, Mietzinsen, Krankenkassenprämien oder Ergänzungsleistungen). Bei der finanziellen Ressourcenerschliessung muss oftmals rasch gehandelt werden; vorsorglichen Massnahmen nach Art. 445 ZGB sind anzuordnen.
Ein Abklärungsauftrag beinhaltet keine gesetzlichen Vertretungsrechte, sondern dient der Erforschung des Sachverhalts (Art. 446 ZGB).
Sollen anlässlich der Abklärung bereits Lösungen gefunden werden (interventionsorientierte Abklärung), indem z.B. finanzielle Ressourcen bei der Sozialhilfe erschlossen werden, so hat das die Klientschaft, ggf. mit Unterstützung der abklärenden Person, selbst zu erledigen oder sie hat einer Person eine Vollmacht auszustellen. Dasselbe gilt für die Befugnis, die Klientschaft im Sozialhilfeverfahren zu vertreten. Ist eine Person urteilsunfähig, kann sie keine Vollmacht ausstellen (Art. 12 ff. ZGB). Stellt die abklärende Person fest, dass ein dringlicher Handlungsbedarf besteht, hat sie das der KESB mitzuteilen, die prüft, ob vorsorgliche Massnahmen (z.B. eine Vertretungsbeistandschaft) für die Dauer des Abklärungsverfahrens anzuordnen sind (Art. 445 Abs. 1 ZGB). Sozialhilfe kann nicht aufgezwungen werden, und wenn eine Person sich verweigert, kann die abklärende Person nichts ausrichten.
Nach § 147 Sozialgesetz SO richten die Einwohnergemeinden die Sozialhilfe an Personen aus, die sich in einer sozialen Notlage befinden; sie sind zur wirksamen Hilfeleistung verpflichtet. Die Sozialhilfe wird in der Regel auf Gesuch hin gewährt. Wenn die Sozialbehörde aber anderweitig von bedürftigen Personen erfährt z.B. von anderen Stellen oder Privaten, so muss sie von sich aus abklären, ob wirtschaftliche Hilfe nötig ist.
Die abklärende Person steht unter dem Amtsgeheimnis (Art. 320 StGB) und als Hilfsperson der KESB der Verschwiegenheitspflicht nach Art. 451 Abs. 1 ZGB: «Die Erwachsenenschutzbehörde ist zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit nicht überwiegende Interessen entgegenstehen». Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob ein überwiegendes Interesse der betroffenen Person, Dritter oder der Öffentlichkeit vorliegt, das die Informationsweitergabe an das Sozialamt rechtfertigt. Wenn das bejaht werden kann, ist die Informationsweitergabe ausnahmsweise zulässig und eine Entbindung vom Amtsgeheimnis ist nicht erforderlich.
Da die KESB allerdings den Grad der Gefährdung und einen dringlichen Handlungsbedarf abzuklären und bei bekannten finanziellen Problemen oftmals vorsorglichen Massnahmen anzuordnen hat, bleibt m.E. kaum Raum für solche Meldungen.
Ich hoffe, die Angaben helfen weiter und grüsse Sie freundlich.
Luzern, 17.7.2024
Karin Anderer
Sehr geehrte Frau Anderer Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Ich habe eine Nachfrage zur Vollmacht. Gibt es Vorgaben für die Vertretung mittels einer Vollmacht? Z.B. kann sich eine handlungsfähige Person vertetreten lassen, sich gsf. sogar im Ausland aufhalten und die bevollmächtigte Drittperson führt das sozialhilferechtliche Verfahren? Wer haftet für Verfahrensfehler von Seiten Antragsterller:in, wenn eine Bevollmächtigte den Antrag auf Sozialhilfe stellt? Braucht es in jedem Fall eine Vollmacht für die Antragstellung auf Sozialhilfe für eine Drittperson? Freundliche Grüsse
Sehr geehrte Frau Anderer
Am 17.07.2024 habe ich eine Nachfrage gestellt, auf wann können Sie meine Nachfrage beantworten?
Freundliche Grüsse
Frage beantwortet am
Karin Anderer
Expert*in Kindes- und Erwachsenenschutz
Grüezi
Entschuldigen Sie bitte die Verzögerungen. Es gab eine Panne, Ihre Nachfrage vom 17.7.2024 kam bei mir nicht an. Ich kläre das bei der Geschäftsstelle ab und melde mich nochmals bei Ihnen.
Allgemein verweise ich auf meine Ausführungen zu § 147 Sozialgesetz SO, wonach die Sozialbehörde, wenn sie von bedürftigen Personen erfährt, ausnahmsweise auch ohne Antrag Abklärungen tätigen und Sozialhilfe ausrichten kann. In allen anderen Fällen muss die betroffene Person selbst, ihre dazu befugte gesetzliche Vertretung oder eine von ihr bevollmächtigte Person den Antrag stellen. Auch wenn Drittpersonen einen Antrag stellen, entbindet das in der Regel nicht von den Mitwirkungspflichten und dem persönlichen Wahrnehmen der Beratungsgespräche. Personen, die sich im Ausland aufhalten oder dort leben, haben in aller Regel keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Nach Art. 32 ff. OR kann sich jede handlungsfähige Person vertreten lassen. Die Vertretungsperson ist an die rechtsgeschäftliche Erklärung der vertretenen Person durch die Vollmacht gebunden. Die bevollmächtigte Person handelt in fremdem Namen und die Handlungen gehen rechtswirksam auf die Vollmachtgeberin über. Handelt die Bevollmächtigte unsorgfältig, ist sie der Vertretungsperson gegenüber haftbar. Sie kann ausnahmsweise auch gegenüber Dritten, wie dem Sozialdienst, haftbar werden, wenn sie z.B. unrichtige Auskünfte erteilt.
Es gibt eine Generalvollmacht und eine Einzelvollmacht für ein spezifisches Sachgeschäft. Eine Blanko-Generalvollmacht kommt m.E. im Bereich der Sozialhilfe nicht in Frage, da aus ihr nicht hervorgeht, ob sie Einsicht in besonders schützenswerte Daten gestattet. Auch geht aus ihr nicht hervor, ob sie eine Prozessführung im Sozialhilfeverfahren erlaubt.
Die Einzelvollmacht muss sich klar auf die Vertretung im konkreten Sozialhilfeverfahren beziehen. Sie muss Angaben enthalten, welche Prozesse der Bevollmächtigte zu führen ermächtigt ist und Angaben zu den Handlungen, die der Bevollmächtigte innerhalb des Prozesses vorzunehmen befugt ist.
Ich hoffe, die Angaben helfen Ihnen weiter.
Luzern, 12. September 2024
Karin Anderer